American attitude

Ein Soldat der US-Army schuetzt sich vor dem aufwirbelden Staub eines Helikopters auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels / Bayern.

Warum fährst Du ausgerechnet bei den US-Truppen mit? Sobald der kommende Einsatz in Afghanistan thematisiert wird, wird mir häufig diese Frage gestellt. Der erste Grund ist natürlich die nicht vorhandenen Auswahl – ich hatte keine Chance mir das auszusuchen. Es bestand nur diese eine Möglichkeit. Aber selbst wenn ich die Wahl gehabt hätte welche Soldaten ich in welchem Einsatz hätte begleiten können – meine Wahl wäre, insbesondere nach dem bisher Erlebten, garantiert wieder auf die Amerikaner gefallen.

Den zweiten Grund versuche ich einfach ein bisschen näher zu eräutern. Man sollte versuchen vorurteilsfrei an Menschen heran zu gehen – ein schöner Spruch und sicher nicht einfach und insbesondere amerikanische Soldaten haben bei vielen Leuten schon ein sehr “eigenes” Image. Ich gestehe dass auch ich bis zu meinem ersten Kontakt mit den US-Jungs ganz viele Schubladen in meinem Kopf aufgemacht hatte. Alle möglichen Klischees über die “Cowboys” auf der anderen Seite des grossen Teichs  kamen mir in den Sinn. Aber obwohl ich in einem Land lebe in dem seit Jahrzehnten amerikanische Soldaten stationiert sind habe ich erst in den vergangenen Wochen ernsthaften Kontakt bekommen. Ich hatte die Chance mich mit sehr Vielen teils nur sehr oberflächlich während einer Zigarettenpause (Rauchen fördert manchmal die Sozialkompetenz – ein bislang fehlender Schachtelaufdruck) teils über Stunden sehr intensiv zu unterhalten. Wenn man ein Fazit dieser ganzen Gespräche ziehen soll wäre das: Ein paar Klischees haben sich bestätigt – aber ganz viele neue, mir nicht bekannte oder bewusste, grösstenteils sehr positive Einschätzungen sind für mich dazu gekommen.

Natürlich sind auch diese Erfahrungen sehr punktuell und natürlich nicht allgemeingültig, aber ich bin immer wieder überrascht worden!

Was mich besonders überrascht hat war zuallererst die Offenheit und Freundlichkeit mit der ich meistens direkt begrüsst, angesprochen oder aufgenommen worden bin. Vielleicht bin ich nicht sonderlich verwöhnt, da ich als gebürtiger Westfale in Hamburg lebe, einer Stadt in der nach meiner Erfahrung kühle und spröde Menschen dem Klischee des unterkühlten manchmal sogar arroganten Norddeutschen häufig gerecht werden. Ein “good to see you”, “good to have you here”, “warm welcome” – mögen vielleicht nur Floskeln sein, aber Floskeln die auch hier zuhause manchmal erfreulich wären. Ein “schön Dich zu sehen”, “schön dass Du da bist” oder “Herzliches Willkommen” habe ich in Hamburg eher selten gehört.

Dass die Amerikaner die hier in Deutschland stationiert sind nicht wirklich viel über Deutschland wissen – nun ja. Teilweise stimmt das – aber muss man das erwarten? Wie viel weiss ein durchschnitllicher 20-jähriger Deutscher über Amerika? Schulwissen – aber sonst? Die meisten US-Jungs sprechen wenig bis kein Deutsch – stimmt so nicht! Ich habe so Einige getroffen die das ganz gut konnten sich oft aber nicht trauten mit mir in meiner Muttersprache zu kommunizieren.

Ausserdem haben sie den Vorteil eine Sprache zu sprechen, die weltweit eher dem Standard entspricht als die Deutsche. Im übrigen habe ich mehrfach Deutsche im Umfeld der Amerikaner Englisch sprechen hören – das schmerzte in den Ohren auch ziemlich, also …

Den vielgeschmähten Allgemeinbildungsstandard der Amis … hab’ ich so ebenfalls nicht gefunden. Viele der Soldaten mit denen ich bei der Mission Rehearsal unterwegs war waren zwischen 18 und 23 Jahre alt. Irgendwie konnte ich denen nicht verdenken, dass das Hauptinteresse dicken Autos, Mädchen, aktueller Musik und technischen Spielereien wie aktuellsten Handys, iPods, Computern o.ä. galt. Ist das bei uns denn anders?

Andererseits habe ich Soldaten getroffen, die freiwillig versuchten sich Brocken der Afghanischen Landessprachen Dari und Paschtu drauf zu schaffen um vor Ort besser mit der Bevölkerung kommunizieren zu können genau so wie ich einige getroffen denen das total egal war. Die Kompanie (mit ca. 200 Soldaten) mit der ich unterwegs war war ein absoluter Mix aus Menschen verschiedenster Bildungsgrade, sozialer Schichten, Interessen und Herkunft.

Dyfed und ich haben mal die Bundesstaaten mitgezählt aus denen sie alle kamen: Florida, Kalifornien, Texas, Detroit, Washington, Arkansas, Wisconsin und noch viel mehr … kreuz und quer durch Amerika. Einige standen auf Black-Music, andere auf Country – wir haben zwei farbige Sergeants getroffen, die headbangend im Küchenzelt zur Musik von Nirwana standen. Ebenso wie einen 19jährigen Private der selbst Rap-Mix-Tapes macht. Wir haben Schwärmereinen über aufgeblasene Pickup Trucks genau so zugehört wie Loblieder auf einen VW-Golf. Der beste Präsident den Amerika je hatte war Ronald Reagan, sagte einer, ein anderer fand Barack Obama grossartig. Auf die Frage was als Karriere nach der Army kommen soll bekamen wir von Schulterzucken bis hin zu der ausgearbeiteten Idee einen Fahrradladen in Schottland aufzumachen so ziemlich jede Antwort und während einer gerade die Deutsche Hauptstadt kannte, kannte ein anderer alle Landkreise Nordrhein-Westfalens.

Wir waren nur in einer Ranger-Einheit, aber ich glaube in den ganzen anderen Truppenteilen der US-Army sieht das nicht anders aus.

Dass sich die akademische Elite nicht zum Truppendienst entscheidet ist bei der Bundeswehr auch nicht anders, oder? Und dass die US-Army ihren Soldaten ein sicheres Einkommen und soziale Absicherung ermöglicht, dass nur US-Soldaten eine funktionierende Krankenversicherung für sich und ihre Familien haben – wer will es ihnen übelnehmen. Ist das beim Auslandseinsatz der Bundeswehr-Soldaten nicht ähnlich?

Gerade die Bundeswehr wirbt doch mit dem Slogan eines interessanten und abwechslungsreichen Jobs. Eine Herausforderung – nur, und das ist die Kehrseite der Medaille: Im Zweifelsfall wird man in einen Krieg geschickt. Ob man nun will oder nicht. Das gehört zu diesem “Job” dazu! Soll man Menschen für die Entscheidung einen Beruf als Soldat zu wählen verachten?

Ob die politischen Gründe für einen solchen Krieg richtig sind mögen andere beurteilen ob das was Amerika in Afghanistan macht richtig ist – auch dazu mag ich mich (noch) nicht äussern. Im übrigen habe ich festgestellt, dass es dem einfachen Frontsoldaten ziemlich egal ist wie die politsiche Situation ist – für ihn ist es ein Job, den er zu erledigen hat. Ob das die richtige Sichtweise ist? Ich kann es nicht beurteilen, aber ein Frontsoldat führt keine Dikussionen über Sinn und Unsinn von bewaffneten Konflikten auf deren Durchführung oder Sinnhaftigkeit er sowieso keinen Einfluss hat – das zumindest ist meine Erfahrung.

Vielleicht ist das eine Art Selbstschutz. Zumindest habe ich in einem langen Gespräch mit einem Staff-Sergeant aus Mississippi einen Satz gehört der mich erstaunt hat. Er sagt: “I thought, that the whole world is thinking of us as the the good guys. Now after several years in the army i believe that it is a shame being that arrogant! I thought is was right sending the army to Afghanistan – now i believe it would be the best to get out a.s.a.p

Sie haben mich mehr als dieses eine Mal in Erstaunen versetzt – die Soldaten der US-Army. Ich bin weit davon weg ein Heldenlied auf sie anzustimmen aber genau so weit weg davon sie zu verurteilen. Ich werde als Embedded Photographer eine Weile mit ihnen unterwegs sein – und das tun was ich auf die Frage, was sie von mir erwarten immer zu hören bekommen habe: Be fair!

 

 

Crazy Forces

Wer ist eigentlich der Urheber der Afghanistan Idee? Die kurze Information meines Chefs nachdem ich meine Zusage für den Afghanistan-Einsatz gegeben hatte: ” Der zuständige Redakteur meldet sich bei Dir – mit dem kannst Du alles weitere klären!”
Ich treffe John Dyfed Loesche, dapd Redakteur des Frankfurter Büros, zum ersten mal in einem Cafe in Hamburg.

Eine gemeinsame Basis haben wir also – er stammt aus Hamburg, ich wohne hier, er möchte nach Afghanistan – ich auch. Für uns beide ist es das erste Mal, dass wir in einem Kriegsgebiet arbeiten, beide sind wir also absolute Anfänger und beide versuchen wir eigentlich noch herauszubekommen warum wir das eigentlich tun wollen.

John bzw. Dyfed (für die Soldaten der US-Army ist er John obwohl sein Rufname eigentlich Dyfed ist) hat die gesamte Vorbereitung schon erledigt. Er hat den Kontakt zu US-Army geschaffen und die gesamte Planung des Vorhabens alleine organisiert bis hin zur Vorstellung des Projekts bei den Chefs der dapd Nachrichtenagentur. Ich bin als begleitender Fotograf ausgewählt worden und so bilden wir also das “Krisenteam” der dapd.

Dyfed hat schon mal organisiert, dass wir beide bei der sogenannten “Mission Rehearsal” der US-Truppen mit denen wir nach Afghanistan verlegt werden teilnehmen können. Das wird also unser erster gemeinsamer Arbeitseinsatz sein in dem wir beide ausprobieren können wie wir miteinader klar kommen. Das ein Fotograf eine ganz andere Arbeitsweise als ein schreibender Redakteur hat und insofern auch ganz andere Sichtweisen mitbringt ist klar und von unserer Zentrale auch so gewollt. Jetzt müssen wir nur noch probieren wo die gemeinsamen Schnittstellen sind.

Dyfed hat vor, neben seiner Schreibarbeit sich auch mit dem Thema Video auseinanderzusetzen. Das Thema wollte ich auch mit abdecken (mit meinen Kameras ist das möglich und braucht keine separate Videoausrüstung) – spannend wird es aber sicher dadurch, dass Dyfed ganz bestimmt mit einer ganz anderen Wahrnehmung an filmische Bilder heran geht als ich das als Fotograf tue. Wir werden das ausprobieren und vielleicht liegt die Essenz ja in der Kombination beider Arbeiten.
Auf der “Mission Rehearsal” auf einem Truppenübungsplatz im bayrischen Hohenfels sind wir also das Media Team, dass zusammen mit den Soldaten der 172. Infantry Brigade den Ernstfall für Afghanistan übt. Für uns das erste Mal mit direktem Kontakt zu den US-Truppen. Neben alle technischen und logistischen Problemen schlagen wir uns als Team ganz tapfer und wachsen Schritt für Schritt und Tag für Tag als eine Einheit zusammen, die – machmal ein bisschen verloren zwischen den ganzen Soldaten – wunderbar funktioniert.

Wir nennen uns selbst die “Crazy Forces” – es ist genug Ernsthaftigkeit in diesem Job dabei und unsere manchmal etwas chaotische Arbeitsweise passt ganz gut zu diesem selbstgewählten Titel. Ich für meinen Teil kann mir nicht mehr vorstellen den Afghanistan-Einsatz mit irgend einem anderen Partner zusammen zu bestehen. Für mich hat sich Dyfed als Glücksfall erwiesen, der viele meiner Bedenken teilt, der viele meiner Ansichten ähnlich sieht, dessen Humor immer wieder die oftmalige Verkrampfheit lockert und mit dem ich einfach unglaublich gerne zusammen arbeite.
Danke Dir Dyfed! Ich bin gespannt wie sich unser Projekt entwickelt!