Hotel California

Der Aufnäher auf der Uniform aller Soldaten der Coalition-Forces. Das ISAF-Abzeichen.

Der Rückflug von Sharana ist ein wenig holprig. In einer Militärtransportmaschine im vollständig abdunkelten Frachtraum geht es nach Bagram. Das einzige Licht dass durch die kleinen Fenster der Maschine fällt ist ein paar mal das Zucken von Blitzen. Die Maschine schlingert ganz schön und wir vermuten, dass wir an einer Gewitterfront vorbei fliegen – durch das Gewitter zu fliegen würde ein noch heftigeres auf und ab des Flugzeugs zur Folge haben.

Trotzdem bin ich froh dass es nach nur 45 Minuten schon wieder in den Landeanflug nach Bagram geht. Dort angekommen stellen wir fest, dass der nächste Flug nach Kabul noch nicht terminiert ist – das dauert noch ein paar Stunden, bis der Flugplan raus ist, also gehen wir zuerst in die Grosskantine (in Army-Kreisen DFAC “genannt” – was immer das heisst … vermutlich Dining Facility And Catering – mir schwirrt sowieso der Kopf vor lauter Abkürzungen) und schlendern danach ein wenig durch die Basis von Bagram. Dyfed sagt er hätte bei der Hinreise eine Art Hotel gesehen und wir wollen versuchen es zu finden, damit wir eine evtl. Übernachtung organisieren können, falls kein Flieger mehr nach Kabul geht.

Nach 20-minütigem Fussweg weisst ein Schild auf eine unbeleuchtete Baracke hin – das “Hotel California”. Geiler Name!  Wir drücken einfach mal die Tür auf, stehen in einem beleuchteten provisorischen Büroraum und man empfängt uns mit den Worten: “Ah – die Journalisten aus Deutschland! Wir haben Euch schon erwartet!” Wir halten das natürlich für einen Witz bis wir auf einer Tafel unsere Namen lesen.

Welcme to the Hotel California – you can check out every time you like, but you can never leave … die Eagles haben es gewusst (oder waren schon mal in Bagram)

Das ist beinahe ein bisschen unheimlich, im Nachhinein vermuten wir, dass die US-Streitkraefte unsere Rückreise bereits organisiert haben – denn obwohl es keinen Flugplan gibt versichert man uns, dass morgen früh zwei Plätze in der Maschine nach Kabul für uns reserviert sind. Unglaublich! Gesagt hat uns niemand etwas!

Uns wird ein Zimmer zugewiesen was ein Holzetagenbett und eine Klimaanlage hat, die mit einem Holzschieber den Luftzufluss für die Kaltluft auf- und zuschiebbar macht. Das Zimmer ist zeitlos – eine Baracke mit einem Interieur, dass durchaus aus Weltkriegszeiten stammen könnte. Staubig und muffig. Aber es ist ein Schlafplatz.

Morgens geht es nach einem Kaffee und einem Brownie im lokalen Café direkt zum Terminal und siehe da, es gibt wirklich eine Maschine und zwei Plätze für uns. Eine relativ kleine Propellermaschine befördert uns in nur 30 Minuten in einem atemberaubenden Flug über eine Afghanische Gebirgskette nach Kabul.

Und hier gibt es sogar ein freies WLAN (und ich dachte, dass ich erst zuhause in Deutschland wieder eine Verbindung zum Internet herstellen kann). Uns wird ausdrücklich gesagt, dass wir hier in der ISAF-Basis weder fotografieren noch Interviews machen dürfen – also vertreiben wir uns die Zeit mit herumsitzen, reden, warten und essen. Wir treffen ein paar Bundeswehrsoldaten, von denen wir Kaffee bekommen, schauen uns da Treiben der viele Soldaten aus allerlei Ländern an und müssen zusehen, dass wir den morgigen Tag auch noch rumkriegen.

Übermorgen geht es nach Hause! Ich kann es kaum noch abwarten!

Abschied vom COP

Letzter Blick auf den Turm "Bravo", einen der Wachtürme des COP. Wenn der Stacheldraht und das Militärische nicht wäre, könnte es sogar ein schöner Sonnenuntergang sein!

Die letzte Mission ist überstanden, wir fahren wieder rein in den COP, packen unsere Sachen und werden heute Abend nach Sharana verlegt, von wo aus dann der Heimflug Richtung Bagram startet. Das dauert – vermutlich sind wir noch einen Tag in Bagram und evtl. auch noch zwei Tage in Kabul, von wo aus es dann über Dubai zurück nach Frankfurt wieder auf heimischen Boden geht.

Es ist nicht ganz leicht zu beschreiben, wie ich mich jetzt gerade fühle. Einerseits bin ich froh, dass ich aus dem Kriegsgebiet Afghanistans wieder nach Hause kann – und ich habe ganz viele Neider bei der Apache 2-28, Kompanie, die uns für knapp 3 Wochen beheimatet hat. Nicht nur weil ich dann wieder Deutsches Bier trinken darf, sondern weil ich im Gegensatz zu den Soldaten eben wieder zu Hause bin. Andererseits wäre ich gerne noch geblieben, hätte die grosse Schura im COP, eine abgesessene Patrouille, weitere Städte in der Provinz Paktika gerne noch kennengelernt.

Wir werden von Captain Perkins verabschiedet, sagen allen Anderen auch noch Tschüss und besteigen zum letzten Mal die grossen MRABs um zum Hauptstützpunkt gebracht zu werden. Auf dieser letzten Strecke bekommen wir noch einmal eine Kostprobe von den Gesangskünsten der Soldaten. Die haben relativ erfindungsreich einen iPod an die interne Funkanlage des Militärfahrzeugs angeschlossen und es folgen muntere Karaokegesänge von Kate Perry bis Dirty Dancing.

In Sharana werden wir von Major Buccino in Empfang genommen und gleich werde ich zum ersten Mal nach 3 Wochen wieder in einem richtigen Bett schlafen und eine einigermassen begehbare Dusche betreten.

Es waren intensive Wochen, intensive Erfahrungen teilweise nahe am Grenzbereich des physischen und auch psychischen. Für mich selbst war es wichtig, diese Art der Fotografie gemacht zu haben, viel wichtiger aber der intensive Kontakt mit den Menschen da draussen. Es klingt klischeehaft, aber es verbindet einen schon mehr mit jemanden, von dem man weiss, dass das eigene Leben vom Verhalten und der Aufmerksamkeit des Gegenübers abhängig ist. Bei einigen der Soldaten fällt mir das Abschiednehmen denn auch durchaus schwerer als gedacht.

Man hat zusammen eine Menge erlebt – Dinge die verbinden. Ich hoffe, dass ich Einige meiner Mitstreiter im Laufe der Zeit mal Wiedersehen kann, über Facebook o.ä. sollte das zumindest teilweise möglich sein. Ich hoffe weiterhin, dass keinem der Soldaten da draussen etwas passiert, ich hoffe das Menschen wie der gestern getroffene Mullah Tuti in der Lage dazu sind, die Kriegsparteien an den Gesprächstisch zu bringen. Ich hoffe auch für die Aufständischen, die zwar als permanente Bedrohung für das eigene Leib und Leben stehen, in der Lage sind, mit Kompromissen zu leben und zumindest einen Waffenstillstand mittragen können.

Ich bin nicht als Kriegsfotograf dort rausgefahren, sondern als ein Fotograf der dokumentieren wollte, wie das Leben hier in Afghanistan funktioniert oder nicht. Ich hoffe das ist mir gelungen, ich brauche sicher ein paar Tage um alles zu verarbeiten und dann werde ich ein paar Galerien der Bilder hier einstellen, für die ich hier unten war.

Die nächsten Blog-Einträge – bevor ich diesen Blog schliesse  – werden erst wieder eingestellt werden wenn ich wieder zuhause bin und ein Fazit und sortierte Bilder habe!

Bis dahin und “Take care!” Passt auf Euch auf! Alle!

Update: In Kabul scheint es doch die Möglichkeit zu geben ins Internet zu kommen, von daher werde ich versuchen, dass Reisetagebuch noch fortzuführen!

Next Exit Paktika

Nach langem Warten geht die Tour weiter. Wir verlassen Kabul mitten in der Nacht um 3 Uhr in Richtung Bagram. Dort befindet sich eine riesige Einrichtung der US-Army von der aus wir wieder weiter näher an unseren Einsatzort verlegt werden sollen. Der Flug nach Bagram mit einer Militätransportmaschine dauert nur 30 Minuten die darauf wieder folgende Wartezeit deutlich länger.

US-Soldaten warten in einer Transportmaschine vom Typ C130 die mit verschiedensten Paletten durch die Heckluke beladen wird, auf ihren Abflug.

Einen direkten Anschlussflug gibt es nicht – die nächste Maschine geht erst am kommenden Tag und so werden wir in einer Zeltstadt namens “Warrior” innerhalb des Geländes untergebracht. Shuttlebusse zirkulieren regelmässig durch die amerikanische Basis und mit einem davon fahren fast eine halbe Stunde bis wir das Camp erreichen. Hier wird uns ein Zelt zugewiesen. welches mit 160 Betten ausgestattet ist. Die meisten davon werden von sog. Contractors belegt. Das sind groesstenteils amerikanische Zivilisten, die fuer die US-Army arbeiten.

Noch am späten Abend versuchen wir den Flug in die Paktika-Provinz zu bekommen, fahren mit dem Shuttle wieder zum Airport Check-In zurück, es gibt aber keine definitive Aussage über eine Mitfluggelegenheit. Wir dürfen alle Militärmaschinen nutzen indem wir uns auf einer Liste eintragen die zu einem bestimmten Zielgebiet führt – das wollen und müssen aber auch Soldaten und Contractors, die ebenfalls in ihre Einsatzgebiete abfliegen.

In den Transportmaschinen ist aber häufig genug nicht genug Platz um viele Passagiere mitzunehmen. Also gibt es eine Priorität bei der Mitnahme. Zuallererst das zu transportierende Material, dann die Soldaten dann die Contractors und zum Schluss die Journalisten. Ist nicht genug Platz in der Maschine fliegen die Journalisten als erstes wieder raus (ist uns ein paar Mal passiert dass wir schon eingecheckt waren, dann aber wieder raus mussten weil doch noch Soldaten höherer Priorität mitfliegen mussten ), bleiben aber auf der Liste für den nächsten Flug – und das kann manchmal dauern.

Heute  morgen hat es aber geklappt und wir können nach Sharana (Zenrum der Paktika-Provinz) mitfliegen. 2000m hoch gelegen in den Bergen Afghanistans. Die Luft hier ist schon merklich dünner und beim Gepäckschleppen geht einem relativ schnell die Puste aus.

Den letzten Zielpunkt – einen Combat-Outpost in der Nähe, haben wir zwar immer noch nicht erreicht, das letzte Stück Weg werden wir vermutlich morgen mit Militärfahrzeugen machen – so ist zumindest der Plan.