Risiken und Nebenwirkungen

Ein Soldat der 172. Seperate Infantry Brigade der US-Army patroulliert auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels in einem Waldstueck.

Zwischen den Einträgen über Vorbereitung, US-Truppen etc. ist vielleicht ein kurzes Innehalten angebracht um sich mit der Arbeit in einem Kriegsgebiet auseinanderzusetzen. Was um alles in der Welt will man da, was will ich da? Was bezweckt die fotografische Arbeit da?

Diese Frage habe ich so einigen erfahrenen Kollegen gestellt, die ich im Vorfeld bereits gesprochen habe und ich glaube die Antwort ist weitaus komplexer als es im ersten Moment scheint. Die Frage habe ich bereits im allersten Post in diesem Blog selbst gestellt und eigentlich nur oberflächlich beantwortet – eine nähere Beschäftigung damit scheint auf jeden Fall unvermeidlich.

Erste Reaktionen aus dem privaten Umfeld schwanken zwischen harscher Kritik (“Du bist ein Spinner!” oder “Das ist doch geistesgestört!”) und starkem Interesse (“Das klingt sehr spannend!” oder “Das würde ich auch gerne mal machen!”)

Einige sehen das Risiko und die Gefahr eines solchen Einsatzes, andere wiederum sehen nur das “Abenteuer” wieder andere langweilt die blosse Auseinadersetzung mit dem Thema.

Angefangen bei der Krankenversicherung – die sieht das Thema geschäftlich professionell und erklärt die Nichtwirksamkeit ihrer Versicherungsleistungen in einem Kriegsgebiet. Da man aber für Geld bekanntlich alles kaufen kann, kann man auch hier eine Zusatzversicherung für den Zeitraum abschliessen. Die ist zwar teuer – aber zumindest sinnvoll.

Die Berufsgenossenschaft reagiert auch gelassen – wenn man einen Vorbereitungslehrgang gemacht hat (den kann man zumindest bei der Bundeswehr machen: “Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten” -  die Berufsgenossenschaft zahlt den sogar) ist man bestens vorbereitet (glauben sie) und sie kommen für evtl. Schäden auf – so man auch bei denen eine Art Berufsunfallversicherung abgeschlossen hat. Ob dieser Lehrgang bei einem Embed Sinn macht – die Frage wird nicht gestellt. Aber um einen Embed zu machen muss man ja auch den Lehrgang zusammen mit der Truppe bei der man eingesetzt wir machen. Für uns war das die schon mehrfach erwähnte “Mission Rehearsal” in Hohenfels.

Das ganze Equipment ist interessanterweise leichter zu versichern. Kameras, Objektive – kein Problem. Das ganze Zeug kann ruhig kaputt gehen – am Ende zahlt es die Versicherung wenn im Kleingedruckten explizit auch Kriegs- und Krisengebiete ausgewiesen sind.

Aber wer versichert einem nun, dass einem nichts passiert? Das kann eben niemand! Kein Soldat fährt in dem Bewusstsein, dass er nicht auch ernstlich verletzt oder getötet werden kann in einen solchen Einsatz und kein Journalist sollte so blauäugig sein anzunehmen, dass ihm schon nichts passieren wird.

Trotz allem ist damit immer noch nicht definiert wie hoch das Risiko tatsächlich ist. Es macht natürlich einen Riesen-Unterschied, wo man eingestzt wird und was man macht. So bekommt z.B. ein Stabsoffizier, der niemals das Hauptquartier verlässt und sich immer nur in militärischen Grossbasen aufhält (das passiert im Übrigen wohl ziemlich häufig) vom Krieg in Afghanistan etwas genau so viel mit wie ein Durchschnitsseuropaer vor dem Fernseher.

Bei einem Frontsoldaten auf Patrouille im Kampfgebiet sieht das schon ganz anders aus. Der ist permanent hoch gefährdet. Dasselbe gilt für Journalisten – ist man bei den Fronteinsätzen draussen dabei, oder schlendert man durch die Militärbasen so nach dem “me too Motto” – ich war auch dabei …

Die Frage sollte erlaubt sein – wer um alles in der Welt braucht denn noch Kriegsfotos. Das Schrecken des Krieges ist in unfassbar vielen guten eindringlichen Bilder dokumentiert Wer da noch glaubt, das toppen zu können erscheint zumindest mir ein bisschen weltfremd. Und die Begründung der ganzen Journalisten, neue Winkel des immer wieder gleichen Themas finden und zeigen zu wollen erscheint ein bisschen unglaubwürdig. Mir zumindest ist die Begründung ein bisschen zu fade.

Die ganzen Capas, Nachtweys, Turnleys, Hetheringtons dieser Welt – sind das vielleicht doch nur Adrenalinjunkies, die den Kick suchen und ihn mit ihrer Arbeit legitimieren? Nicht dass ich mich mit diesen wirklich brillianten Fotografen auf eine Stufe stellen will – die fotografieren in einer anderen Liga zu der ich mich nicht zugehörig fühle – aber ich kann mir schon vorstellen, dass dieser Rausch, der Gefahr ausgesetzt und ihr wieder entkommen zu sein ein ziemlich heftiger ist. Ist es also die journalistische Legitimation für die Droge Krieg, von der sie nicht mehr loskommen? Ob man auf eine solche Frage wohl eine ehrliche Antwort bekommt? Würde man sie mit nämlich mit ja beantworten wäre damit ja gleichzeitig auch der Nutzen der Arbeit in Frage gestellt. Eine bittere Erkenntnis!

Auf den Rausch eines Feuergefechts oder unmittelbare Gefahr und Bedrohung durch Anschläge, Autobomben etc. kann ich gerne verzichten. Um da freiwillig mitzumachen bin ich vermutlich ein viel zu grosser Angsthase – und selbst wenn ich es tun würde, was für Bilder kommen dabei raus. Wie gesagt – ich wüsste keines, das noch nicht gemacht worden wäre und zwar besser als ich es je machen könnte. Und die Hardcore-Sprüche wie “wenn Deine Bilder nicht gut genug sind warst Du nicht nah genug dran”, klingen auch ein bisschen wie Testosterongesteuertes Heldengelaber! Eine Art Selbstlegitimation für Kamikazeaktionen …

Vielleicht hatte das noch einen Sinn, als Kriegsfotografie neu war, als Bilder verbreitet wurden die so noch nie gemacht oder gesehen wurden. Capas Bilder der Invasion in der Normandie – unglaubliche Zeitdokumente in so noch nie gesehener Intensität. Seitdem sind aber nun Jahrzehnte vergangen und eine wahre Bilderflut prasselt bei jedem bewaffneten Konflikt auf uns herein. Die US-Einheiten, die in Afghanistan operieren haben, ob man es glaubt oder nicht, sogar eigene Facebookseiten auf die sie selbst Bilder ihrer Einsätze stellen. Wer glaubt also noch bisher nicht gesehenes mit seinen Bildern zeigen zu können? Warum also fahre ich da mit?

Um mir darüber klar zu werden war der Lehrgang in Hohenfels ganz wichtig. Nicht nur dass ich mit dem täglichen Einerlei einer Militärmaschinerie ein bisschen vertrauter geworden bin, ich habe durch den Kontakt mit den Soldaten und Gesprächen die ich geführt habe langsam angefangen zu finden, was ich gesucht habe, nämlich die Geschichte die ich bebildern will.

Wenn man unter die zehn Jahre Krieg in Afghanistan einen grossen Strich und ein Fazit ziehen würde zu was für einem käme man? Es ist meiner Meinung nach ein Konflikt zweier verschiedenen Kulturen wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Nichts scheint kompatibel zwischen den USA und Afghanistan. Nicht die Religion, nicht die Lebensweise, nicht die Ansichten, ja nicht einmal die Lebenserfahrungen des Alltäglichen. Nichts aber auch gar nichts scheint zueinander zu passen und doch stehen sich diese grundverschiedenen Mentalitäten und Kulturen gegenüber. Kritisch, vorurteilsbehaftet, feindlich, verständnislos, ängstlich und unversöhnlich.

Und hier kommt mein Ansatz hinzu. Die Einheit mit der ich mitfahre hat den Auftrag die afghanische Zivilbevölkerung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu unterstützen. Es soll zivile Wiederaufbauprojekte geben, es soll der Versuch eines Miteinanders gestartet werden. Dabei werden die US-Soldaten direkt mit den Afghanen konfrontiert sein und dieser Zwang miteinander umgehen zu müssen, eine und sei sie auch noch so kleine Basis für eine beidseitige Kommunikation aufbauen zu müssen. Das finde ich hochinteressant – dieses Aufeinanderprallen von Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können mitzuerleben und zu visualisieren. Ich will sehen wie es ist wenn es zu solchen Begegnungen kommt versuchen das in Bilder umzusetzen.

Es ist nicht das Kämpfen dieser beiden Parteien gegeneinander was mich reizt zu begleiten es ist die Anforderung an Soldaten und Zivilbevölkerung aufeinander zugehen zu müssen um Kommunikation überhaupt erst mal zu beginnen die ich in meinen Bildern festhalten will.

Ich habe Bilder dieser Art gesucht und natürlich auch da so Einiges gefunden. Aber die Möglichkeiten in diesem thematischen Umfeld erscheinen mir als noch nicht ausgereizt.

Natürlich ist auch das nicht risikolos. Es findet zwischen verfeindeten Parteien in einem Kriegsgebiet statt. Es ist immer erforderlich eine schusssichere Weste und Helm zu tragen. Niemand kann prognostizieren was wirklich passieren wird, aber ich schliesse mich keinen Truppen an die einen Kampfauftrag haben und ich gehe nicht in ein Gebiet wo schon im Vorfeld klar ist dass es hier zu Kampfhandlungen kommt oder wo sich bewaffnete Kämpfer gegenüber stehen. Ich gehe dahin wo es friedlichen Kontakt geben soll. Würde ich die “klassischen Kriegsbilder” machen wollen wäre dieses Einsatzgebiet sicher das Falsche – da hätte ich andere Bereiche in Afghanistan aussuchen müssen – dahin will ich nicht!

 

 

 

The Truman-Show – Part 3

Ein Soldat der US-Army sichert auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels eine Strasse in einem nachempfundene afghanischen Dorf.

Wir werden in einem Zelt zusammen mit den Übersetzern beherbergt. Zwei Pakistanis und ein Afghane die in Deutschland und Österreich leben und für die Zeit der “Mission Rehearsal” als Dolmetscher mit den US-Soldaten in den Camps untergebracht sind. Durch die Unterbringung zusammen mit den Übersetzern lernen wir eine Menge über Afghanistan und dortige  Traditionen, Lebensweisen und Gebräuche. Die Drei nutzen jede Chance um uns ein bisschen auf das vorzubereiten, was uns in ihrer alten Heimat erwartet.

Um den Job der Übersetzer besser zu verstehen muss man sich ansehen, wie ein klassischer Einsatz funktioniert. Bei einem Einsatz von US-Truppen in Afghanistan sind immer auch Soldaten der ANA – der Afghan National Army – dabei. Die Verständigung zwischen Afghanischen- und US-Soldaten ist natürlich nur durch Dolmetscher zu realisieren. Ausserdem müssen sie die Übersetzung zwischen US-Soldaten und der afghanischen Zivilbevölkerung manchmal sogar die übersetzung von Afghanischen Soldaten und der Zivilbevölkerung (die teilweise die unterschiedlichen Landessprachen “Dari” und “Paschtu” sprechen) leisten.

Im JMRC wird das ganze dann richtig konfus. Ein Pakistani der in Deutschland lebt (und sowohl Dari und Paschtu als auch Englisch und Deutsch spricht) spielt in einem Rollenspiel einen afghanischen Übersetzer, der zwischen Afghanischen Soldaten, die erstaunlicherweise von polnischen Nato-Soldaten gespielt werden (die fast kein Englisch und kaum Deutsch können) , US-Soldaten (die Englisch und teilweise Deutsch sprechen), afghanischen Rollendarstellern die aus Afghanistan kommen (und teils Dari, teils Paschtu sprechen und Deutschen Rollendarstellern, die Afghanen spielen (und Deutsch und nur wenig Englisch sprechen) übersetzt. Verstanden? Nicht? – na dann versuche ich mich mal als Übersetzer …

Eine Situation beschreibt ganz gut, was bei einem solch babylonischen Sprach- und Nationengewirr rauskommt. Die Situation ist folgende: Amerikanische Soldaten sollen üben, wie sie sich in einem afghanischen Dorf zu verhalten haben und dort mit der Zivilbevölkerung und der Afghanischen Armee zu kommunizieren.

Der Auftrag ist, zu besprechen, wie die lokale Polizei besser bei der Reparatur der lokalen Polizeistation unterstützt weren kann die gerade in einem etwas erbärmlichen Zustand ist. Wir befinden uns in der Truman -Show – los gehts.

Die amerikanische Patrouille macht sich in ihrem Lager bereit ein kleines afghanische Dorf zu betreten. Dabei sind ein Übersetzer (ein gebürtiger Pakistani), mehrere Soldaten der afghanischen Armee (in diesem Falle polnische Soldaten), ein Journalist und ein Fotograf (beides Deutsche – nämlich Dyfed und ich), und natürlich ein Platoon US-Soldaten.  In Marschformation betreten wir ein eigens auf dem Truppenübungsplatz errichtetes “afghanisches Dorf” und begrüssen die dort wohnenden Einheimischen (ein paar Deutsche und ein paar Afghanen, sowie ein par Polen). Der Leutnant der US-Armee, der die Gespräche führt begrüsst den lokalen Polizeichef auf Englisch. Der jedoch versteht nicht wirklich viel, da er Pole ist. Der Übersetzer der eigentlich zwischen den beiden dolmetschen soll versteht nun leider auch kein polnisch sodass es ein etwas kruder Mix aus Englisch und Deutsch wird, mit dem man sich über die kommenden Arbeiten an der Polizeistation einigt. Die mit uns ins Dorf gegangenen Polen der ANA halten sich aus allen Übersetzungen raus – warum auch immer …

Glücklicherweise kommt noch ein afghanischer Geschäftsmann dazu (gespielt von einem Deutschen), der dankenswerterweise den Auftrag für die Reparatur der Polizeistation annimmt – ohne das die polnischen Polizisten nun verstehen was genau er in Zukunft macht. Aber er kann durchsetzen dass er demnächst die Reparaturen durchführt. Na immerhin bekommt er Geld dafür.

Inzwischen kommen ein paar Dorfbewohner (alles Deutsche) dazu und fangen ein bisschen Small-Talk mit den ebenfalls rumstehenden US-Soldaten an. Da die Dorfbewohner nicht wirklich Englisch sprechen, verstehen die US-Soldaten kaum etwas, da man sich aber als Rollendarsteller doch ein bisschen engagieren muss küren sie mich als Ziel aus … Sie halten mich für einen Angehörigen der US-Armee und fangen an mich misstrauisch zu fragen, ob ich mit den Kameras  wohl ihre Frauen fotografiert habe (was ein absolutes NO-GO wäre). Das tun sie auf Deutsch – und weil der Übersetzer nicht ganz so gut Deutsch spricht, hat er nicht verstanden was sie von mir wollen. Ich fühle mich also genötigt mich als Deutscher zu outen und antworte ihnen auf Deutsch, dass ich keine Frauen fotografiert habe.

Das löst allgemeine Heiterkeit aus (nicht das ich keine Frauen fotografiert habe, sondern die Tatsache dass ich Deutsch spreche) was wiederum erstens den armen Übersetzer vollständig arbeitslos macht und zweitens die US-Soldaten glauben lässt, dass alles in bester Ordnung ist und sie nun überzeugt sind dass ich ein besserer Übersetzer als der Eignentliche bin und ich von ihnen gefragt werde, ob ich nicht dem polnischen Polizisten noch mal erklären kann was an der maroden Polizeistation zu tun sein. Das klappt nicht – ich spreche ja kein polnisch – und löst sowohl bei den polnischen Polizisten als auch den US-Soldaten die Deutsch sprechen relativ viel Gelächter aus. Der Gesichtsausdruck des Übersetzers, der sich inzwischen völlig überflüssig fühlt tut ein Übriges um die inzwischen ausgelassene Stimmung noch weiter zu befeuern.

Was lernen wir daraus: Nicht jede Situation lässt sich so einfach nachstellen. In Afghanistan selbst, wo diese Situation real gewesen wäre gibt es keine polnischen Polizisten und Deutsche Fotografen, die mit der Landesbevölkerung rumalbern gibt es sicher auch nicht. Und die Übersetzer müssen nicht zwischen zwei Sprachen übersetzen von denen sie eine selbst kaum verstehen. Hätten alle nur Englisch und Paschtu gesprochen (man kann davon ausgehen, dass hauptsächlich diese beiden Sprachen in Afghanistan aufeinandertreffen)  wäre es vermutlich anders – also seriöser und ernsthafter – abgelaufen.

Nun ja – es ist nicht so, dass wir nicht auch auf sehr realistische Simulationen des US-Einsatzes gestossen wären …

Davon vielleicht mehr in Part 4 …

 

 

Die Truman-Show – Part 2

Blick auf den COP (Combat Outpost) - eine befestigte Feuerstellung auf dem Truppenuebungsplatz Hohenfels / Bayern.

Wir sollen nach einem Tag in der Forward Operating Base (dem riesigen Zeltlager auf dem Truppenübungsplatz) zum Combat Outpost (COP), einer befestigten Feuerstellung in der die Kompanie stationiert ist, der wir zugeordnet werden, befördert werden. Da das alles unter möglichst realistischen Bedingungen erfolgen soll müssen wir wieder warten. Es müssen mindestens 4 Fahrzeuge gemeinsam fahren – Fahrten einzelner Fahrzeuge sind im Kriegsgebiet nicht erlaubt.

Startbereite Humvees sind genügend da – daran kann es gerade nicht liegen. Das Problem sind die sogenannten “Trip-Tickets”, die nicht vorhanden sind. Jeder Soldat der sich ausserhalb des Einsatzlagers bewegt muss auf einer Liste stehen, damit bekannt ist, dass er unterwegs ist. Wir müssen das auch. Nach einer Stunde werden die Listen dann einfach selbst geschrieben: Name, Dienstgrad, Einheit, Ziel, Blutgruppe … was soll ich da jetzt reinschreiben? Axel, Fotograf, dapd, 5km weiter, A Rh neg, – am besten nicht Fragen.

Mein Trip-Ticket wird akzeptiert und ich steige in einen Humvee der nach 100 Metern leider nicht mehr weiterfährt. Motorprobleme. Also steht auch der Rest der Fahrzeuge … oje!

Die Fahrzeug-Besatzung sucht den Fehler an ihrem Truck. Es werden irgendwelche Kabel abgezogen, Kontakte gereinigt, Kabel umgesteckt – es rührt sich nichts. Das erinnert mich ein bisschen an die Modelleisenbahn, die ich als Kind besessen habe. Das habe ich auch immer an der Elektrik rumgestöpselt und es funktionierte wenn überhaupt dann erst nach sehr viel Try and Error. Irgendein Sergeant löst das Problem in dem er einfach alle griffbereiten Kabel aus irgendeiner Klappe unter dem Lenkrad herauszieht und in den Fussraum baumeln lässt. Erstaunlicherweise funktioniert die Kiste danach problemlos. Am besten nicht Fragen … we’re rollin’!

- kleine Anmerkung: Diese ganzen Akronyme wie TOC, COP, MRE, FOB etc. haben mich verrückt gemacht. Die Soldaten schaffen es zeitweilig sich nur mit diesen Abkürzungen zu unterhalten. Es gibt unzählig Viele, für alle militärischen und nicht-militärischen Begriffe. Und wenn man einer normalen Unterhaltung zwischen Soldaten folgen will ist man am Anfang hauptsächlich damit beschäftigt nachzufragen was denn DAS schon wieder heisst.
Irgendwann habe ich es aufgegeben sie alle verstehen zu wollen. Die wichtigsten habe ich inzwischen drauf – ist ja letztendlich auch ganz praktisch zu wissen dass ein IED ein Improvised Explosive Devices ist. Also eine Sprengfalle über die man nach Möglichkeit nicht drüberfahren oder drauftreten sollte – denn dann krachts ganz heftig. Das dagegen ein MRE – ein Meal Ready to Eat ist muss man nicht unbedingt wissen. Zum Essen wird man meistens gerufen.

Part 3 folgt …

 

American attitude

Ein Soldat der US-Army schuetzt sich vor dem aufwirbelden Staub eines Helikopters auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels / Bayern.

Warum fährst Du ausgerechnet bei den US-Truppen mit? Sobald der kommende Einsatz in Afghanistan thematisiert wird, wird mir häufig diese Frage gestellt. Der erste Grund ist natürlich die nicht vorhandenen Auswahl – ich hatte keine Chance mir das auszusuchen. Es bestand nur diese eine Möglichkeit. Aber selbst wenn ich die Wahl gehabt hätte welche Soldaten ich in welchem Einsatz hätte begleiten können – meine Wahl wäre, insbesondere nach dem bisher Erlebten, garantiert wieder auf die Amerikaner gefallen.

Den zweiten Grund versuche ich einfach ein bisschen näher zu eräutern. Man sollte versuchen vorurteilsfrei an Menschen heran zu gehen – ein schöner Spruch und sicher nicht einfach und insbesondere amerikanische Soldaten haben bei vielen Leuten schon ein sehr “eigenes” Image. Ich gestehe dass auch ich bis zu meinem ersten Kontakt mit den US-Jungs ganz viele Schubladen in meinem Kopf aufgemacht hatte. Alle möglichen Klischees über die “Cowboys” auf der anderen Seite des grossen Teichs  kamen mir in den Sinn. Aber obwohl ich in einem Land lebe in dem seit Jahrzehnten amerikanische Soldaten stationiert sind habe ich erst in den vergangenen Wochen ernsthaften Kontakt bekommen. Ich hatte die Chance mich mit sehr Vielen teils nur sehr oberflächlich während einer Zigarettenpause (Rauchen fördert manchmal die Sozialkompetenz – ein bislang fehlender Schachtelaufdruck) teils über Stunden sehr intensiv zu unterhalten. Wenn man ein Fazit dieser ganzen Gespräche ziehen soll wäre das: Ein paar Klischees haben sich bestätigt – aber ganz viele neue, mir nicht bekannte oder bewusste, grösstenteils sehr positive Einschätzungen sind für mich dazu gekommen.

Natürlich sind auch diese Erfahrungen sehr punktuell und natürlich nicht allgemeingültig, aber ich bin immer wieder überrascht worden!

Was mich besonders überrascht hat war zuallererst die Offenheit und Freundlichkeit mit der ich meistens direkt begrüsst, angesprochen oder aufgenommen worden bin. Vielleicht bin ich nicht sonderlich verwöhnt, da ich als gebürtiger Westfale in Hamburg lebe, einer Stadt in der nach meiner Erfahrung kühle und spröde Menschen dem Klischee des unterkühlten manchmal sogar arroganten Norddeutschen häufig gerecht werden. Ein “good to see you”, “good to have you here”, “warm welcome” – mögen vielleicht nur Floskeln sein, aber Floskeln die auch hier zuhause manchmal erfreulich wären. Ein “schön Dich zu sehen”, “schön dass Du da bist” oder “Herzliches Willkommen” habe ich in Hamburg eher selten gehört.

Dass die Amerikaner die hier in Deutschland stationiert sind nicht wirklich viel über Deutschland wissen – nun ja. Teilweise stimmt das – aber muss man das erwarten? Wie viel weiss ein durchschnitllicher 20-jähriger Deutscher über Amerika? Schulwissen – aber sonst? Die meisten US-Jungs sprechen wenig bis kein Deutsch – stimmt so nicht! Ich habe so Einige getroffen die das ganz gut konnten sich oft aber nicht trauten mit mir in meiner Muttersprache zu kommunizieren.

Ausserdem haben sie den Vorteil eine Sprache zu sprechen, die weltweit eher dem Standard entspricht als die Deutsche. Im übrigen habe ich mehrfach Deutsche im Umfeld der Amerikaner Englisch sprechen hören – das schmerzte in den Ohren auch ziemlich, also …

Den vielgeschmähten Allgemeinbildungsstandard der Amis … hab’ ich so ebenfalls nicht gefunden. Viele der Soldaten mit denen ich bei der Mission Rehearsal unterwegs war waren zwischen 18 und 23 Jahre alt. Irgendwie konnte ich denen nicht verdenken, dass das Hauptinteresse dicken Autos, Mädchen, aktueller Musik und technischen Spielereien wie aktuellsten Handys, iPods, Computern o.ä. galt. Ist das bei uns denn anders?

Andererseits habe ich Soldaten getroffen, die freiwillig versuchten sich Brocken der Afghanischen Landessprachen Dari und Paschtu drauf zu schaffen um vor Ort besser mit der Bevölkerung kommunizieren zu können genau so wie ich einige getroffen denen das total egal war. Die Kompanie (mit ca. 200 Soldaten) mit der ich unterwegs war war ein absoluter Mix aus Menschen verschiedenster Bildungsgrade, sozialer Schichten, Interessen und Herkunft.

Dyfed und ich haben mal die Bundesstaaten mitgezählt aus denen sie alle kamen: Florida, Kalifornien, Texas, Detroit, Washington, Arkansas, Wisconsin und noch viel mehr … kreuz und quer durch Amerika. Einige standen auf Black-Music, andere auf Country – wir haben zwei farbige Sergeants getroffen, die headbangend im Küchenzelt zur Musik von Nirwana standen. Ebenso wie einen 19jährigen Private der selbst Rap-Mix-Tapes macht. Wir haben Schwärmereinen über aufgeblasene Pickup Trucks genau so zugehört wie Loblieder auf einen VW-Golf. Der beste Präsident den Amerika je hatte war Ronald Reagan, sagte einer, ein anderer fand Barack Obama grossartig. Auf die Frage was als Karriere nach der Army kommen soll bekamen wir von Schulterzucken bis hin zu der ausgearbeiteten Idee einen Fahrradladen in Schottland aufzumachen so ziemlich jede Antwort und während einer gerade die Deutsche Hauptstadt kannte, kannte ein anderer alle Landkreise Nordrhein-Westfalens.

Wir waren nur in einer Ranger-Einheit, aber ich glaube in den ganzen anderen Truppenteilen der US-Army sieht das nicht anders aus.

Dass sich die akademische Elite nicht zum Truppendienst entscheidet ist bei der Bundeswehr auch nicht anders, oder? Und dass die US-Army ihren Soldaten ein sicheres Einkommen und soziale Absicherung ermöglicht, dass nur US-Soldaten eine funktionierende Krankenversicherung für sich und ihre Familien haben – wer will es ihnen übelnehmen. Ist das beim Auslandseinsatz der Bundeswehr-Soldaten nicht ähnlich?

Gerade die Bundeswehr wirbt doch mit dem Slogan eines interessanten und abwechslungsreichen Jobs. Eine Herausforderung – nur, und das ist die Kehrseite der Medaille: Im Zweifelsfall wird man in einen Krieg geschickt. Ob man nun will oder nicht. Das gehört zu diesem “Job” dazu! Soll man Menschen für die Entscheidung einen Beruf als Soldat zu wählen verachten?

Ob die politischen Gründe für einen solchen Krieg richtig sind mögen andere beurteilen ob das was Amerika in Afghanistan macht richtig ist – auch dazu mag ich mich (noch) nicht äussern. Im übrigen habe ich festgestellt, dass es dem einfachen Frontsoldaten ziemlich egal ist wie die politsiche Situation ist – für ihn ist es ein Job, den er zu erledigen hat. Ob das die richtige Sichtweise ist? Ich kann es nicht beurteilen, aber ein Frontsoldat führt keine Dikussionen über Sinn und Unsinn von bewaffneten Konflikten auf deren Durchführung oder Sinnhaftigkeit er sowieso keinen Einfluss hat – das zumindest ist meine Erfahrung.

Vielleicht ist das eine Art Selbstschutz. Zumindest habe ich in einem langen Gespräch mit einem Staff-Sergeant aus Mississippi einen Satz gehört der mich erstaunt hat. Er sagt: “I thought, that the whole world is thinking of us as the the good guys. Now after several years in the army i believe that it is a shame being that arrogant! I thought is was right sending the army to Afghanistan – now i believe it would be the best to get out a.s.a.p

Sie haben mich mehr als dieses eine Mal in Erstaunen versetzt – die Soldaten der US-Army. Ich bin weit davon weg ein Heldenlied auf sie anzustimmen aber genau so weit weg davon sie zu verurteilen. Ich werde als Embedded Photographer eine Weile mit ihnen unterwegs sein – und das tun was ich auf die Frage, was sie von mir erwarten immer zu hören bekommen habe: Be fair!

 

 

Die Truman-Show – Part 1

Der Autor fotografiert bei Nacht in einem Camp des JMRC abrückende US-Truppen. Foto: John Dyfed Loesche

Eine stundenlange Autofahrt bringt Dyfed und mich im März zum JMRC in Hohenfels / Bayern. Das Joint Multinational Readiness Center ist ein riesiger Truppenübungsplatz auf dem die amerikanischen Streitkräfte (und Streitkräfte verbündeter Nationen) für ihre Einsätze trainiert und vorbereitet werden.

Major Nick Sternberg empfängt Dyfed und mich und zeigt uns die obligate Einführuns-Power-Point-Präsentationen über das JMRC,  händigt uns Splitterschutzbrillen, schussichere Westen und das M.I.L.E.S.-System, welches per Tonsignal anzeigt ob wir von in einem Gefecht getroffen worden sind, aus. (Unser M.I.L.E.S.-System hat keine Batterien – wir sind also unverwundbar)

Danach werden wir an den Presseoffizier Major Joseph Buccino übergeben. Begrüssungen, Erklärungen, Vorstellungen aller Mitarbeiter des Pressestabs – es ist spät am Abend bis wir in einer Truppenunterkunft auf dem Gelände unsere erste Schlafstätte finden.

Es ist die unwirkliche Welt des Militärs in der wir uns nun befinden und auch das Frühstück am kommenden Morgen ist noch ziemlich surreal. Verschiedene Fertiggerichte auf Pappgeschirr in einem Speisesaal mit Soldaten aus verschiedensten Nationen – so hab ich noch nie gefrühstückt.

Wir rücken aus in die von den Soldaten so genannte Truman-Show. Im JMRC übt die komplette 172. Infantry Brigade ihren Einsatz in Afghanistan. Es ist unglaublich welcher Aufwand betrieben wurde um die Situationen im realen Einsatzgebiet nachzustellen. Komplette afghanische Dörfer sind aufgebaut worden, Moscheen in der Dorfmitte, die Dörfer tragen die tatsächlichen Namen ihrer realistischen Pendants in Afghanistan.

Laiendarsteller in afghanischer Kluft – sogenannte Role Actors – spielen/simulieren afghanische Bevölkerung und unsere erste Mitfahrt mit einem der überall zu sehenden Humvees (den klassischen amerikanischen Militärfahrzeugen) geht direkt an einer Gruppe bewaffneter “Afghanen” vorbei, die mit ihren Gewehren in die Luft schiessen und eine Hochzeitsgesellschaft spielen, auf die die amerikanischen Soldaten treffen und versuchen die Situation nicht eskalieren zu lassen. Sehr strange!

So ganz richtig sind wir immer noch nicht angekommen und wir werden in ein riesiges Camp gebracht in dem wir mit der ganzen Logistik des US-Militärs konfrontiert werden. Es ist ein Zeltlager von dem aus die Truppenteile an die unterschiedlichen Einsatzpunkte innerhalb des Übungsplatzes verlegt werden.

Wir treffen zum ersten Mal den Batallionskommandeur Lieutenant Colonel Curtis Taylor der uns die Aufgabe im echten Afghanistan erklärt (die Soldaten nennen den realen Fronteinsatz erstaunlicherweise – “when we are in the theater”) und versuchen weiter uns innerhalb dieser sehr ungewohnten Welt zu orientieren.

Wir bekommen unsere ersten MREs (Meals Ready to Eat – seltsame sich selbsterhitzende Fertiggerichte verpackt mit ein paar Süssigkeiten und Kraftriegeln), schlendern durch die Zeltstadt, John (hier heisst Dyfed jetzt John) macht seine ersten Interviews, ich die ersten Bilder und zwischen Dixie-Toiletten, Containerduschen, Humvee -Trucks, übenden und packenden Soldaten nächtigen wir in unserem “Privatzelt” – die Soldaten haben extra ein Schild “Media-Team” vor eines der grossen Mannschaftszelte gehängt, in dem wir nur zu Zweit untergebracht sind.

Andere Journalisten scheint es nicht zu geben. Wir schlafen auf den klassischen Army-Feldbetten, es ist ziemlich kalt – was uns aber noch mehr zusetzt ist die fehlende Kommunikation mit der Aussenwelt. Handynetz im JMRC – Fehlanzeige. Internet-Zugang – ja, aber nur für Angehörige des Militärs. Wir können nicht einmal einen USB-Stick an einen der Army-Rechner hängen ohne das das System Alarm schlagen würde. Sicherheit geht eben vor: In Zeiten von Wiki-Leaks vielleicht sogar verständlich …

Nach wie vor sind wir in einer Warteschleife, überbrücken die Zeit bis zum Abtransport zum eigentlichen Einsatzort mit Kaffee, Zigaretten (ok – John raucht nicht, ich aber) und dem Erforschen der verschiedenen MRE-Typen (Mein Favorit sind die Käse-Tortellinis). Immerhin lernen wir was scheinbar einen grossen Teil jeglicher Zeit bei der Army einnimmt: Das Warten.

Part 2 in den nächsten Tagen …

Crazy Forces

Wer ist eigentlich der Urheber der Afghanistan Idee? Die kurze Information meines Chefs nachdem ich meine Zusage für den Afghanistan-Einsatz gegeben hatte: ” Der zuständige Redakteur meldet sich bei Dir – mit dem kannst Du alles weitere klären!”
Ich treffe John Dyfed Loesche, dapd Redakteur des Frankfurter Büros, zum ersten mal in einem Cafe in Hamburg.

Eine gemeinsame Basis haben wir also – er stammt aus Hamburg, ich wohne hier, er möchte nach Afghanistan – ich auch. Für uns beide ist es das erste Mal, dass wir in einem Kriegsgebiet arbeiten, beide sind wir also absolute Anfänger und beide versuchen wir eigentlich noch herauszubekommen warum wir das eigentlich tun wollen.

John bzw. Dyfed (für die Soldaten der US-Army ist er John obwohl sein Rufname eigentlich Dyfed ist) hat die gesamte Vorbereitung schon erledigt. Er hat den Kontakt zu US-Army geschaffen und die gesamte Planung des Vorhabens alleine organisiert bis hin zur Vorstellung des Projekts bei den Chefs der dapd Nachrichtenagentur. Ich bin als begleitender Fotograf ausgewählt worden und so bilden wir also das “Krisenteam” der dapd.

Dyfed hat schon mal organisiert, dass wir beide bei der sogenannten “Mission Rehearsal” der US-Truppen mit denen wir nach Afghanistan verlegt werden teilnehmen können. Das wird also unser erster gemeinsamer Arbeitseinsatz sein in dem wir beide ausprobieren können wie wir miteinader klar kommen. Das ein Fotograf eine ganz andere Arbeitsweise als ein schreibender Redakteur hat und insofern auch ganz andere Sichtweisen mitbringt ist klar und von unserer Zentrale auch so gewollt. Jetzt müssen wir nur noch probieren wo die gemeinsamen Schnittstellen sind.

Dyfed hat vor, neben seiner Schreibarbeit sich auch mit dem Thema Video auseinanderzusetzen. Das Thema wollte ich auch mit abdecken (mit meinen Kameras ist das möglich und braucht keine separate Videoausrüstung) – spannend wird es aber sicher dadurch, dass Dyfed ganz bestimmt mit einer ganz anderen Wahrnehmung an filmische Bilder heran geht als ich das als Fotograf tue. Wir werden das ausprobieren und vielleicht liegt die Essenz ja in der Kombination beider Arbeiten.
Auf der “Mission Rehearsal” auf einem Truppenübungsplatz im bayrischen Hohenfels sind wir also das Media Team, dass zusammen mit den Soldaten der 172. Infantry Brigade den Ernstfall für Afghanistan übt. Für uns das erste Mal mit direktem Kontakt zu den US-Truppen. Neben alle technischen und logistischen Problemen schlagen wir uns als Team ganz tapfer und wachsen Schritt für Schritt und Tag für Tag als eine Einheit zusammen, die – machmal ein bisschen verloren zwischen den ganzen Soldaten – wunderbar funktioniert.

Wir nennen uns selbst die “Crazy Forces” – es ist genug Ernsthaftigkeit in diesem Job dabei und unsere manchmal etwas chaotische Arbeitsweise passt ganz gut zu diesem selbstgewählten Titel. Ich für meinen Teil kann mir nicht mehr vorstellen den Afghanistan-Einsatz mit irgend einem anderen Partner zusammen zu bestehen. Für mich hat sich Dyfed als Glücksfall erwiesen, der viele meiner Bedenken teilt, der viele meiner Ansichten ähnlich sieht, dessen Humor immer wieder die oftmalige Verkrampfheit lockert und mit dem ich einfach unglaublich gerne zusammen arbeite.
Danke Dir Dyfed! Ich bin gespannt wie sich unser Projekt entwickelt!

 

Nikon? Canon? Leica? Kompakt? Film?

Man kann selbstverständlich immer übertreiben oder positiv ausgedrückt alle verfügbare Technik gleichzeitig nutzen ... ob das alles Sinn macht? Eher nicht ...

Viele Fotografen haben die Eigenschaft sich in endlose Materialdiskussionen zu begeben (ich schliesse mich da selber im übrigen nicht aus). Welche Kamera ist die Richtige,

welches Objektiv das Beste. Was braucht man alles und vor allem was könnte man ausser dem ganzen Equipment welches man schon besitzt noch gebrauchen. Eigentlich ist es gar nicht so schwer: Man investiert möglichst viel Geld in ein möglichst umfangreiches Equipment, kauft am sinnvollsten immer die teuerste Kamera des edelsten Herstellers (besser sogar zwei oder drei) und wenn irgend möglich auch noch alle verfügbaren Objektive. Dazu sollten man noch kistenweise Zubehör wie grosse Stative, Studioblitze, alle möglichen Adapter für alle möglichen Verbindungen, möglichst auch Remote-Einheiten, sowie edle und teure Taschen in verschiedensten Grössen und Formen besitzen.

Ist man erst einmal so ausgerüstet lässt sich jede fotografische Aufgabe lösen – denn viel hilft viel (glauben zumindest die Meisten). Ganz anders stellt sich die Situation nun für mich da. Kistenweise Technik mit nach Afghanistan nehmen erscheint hier mehr als übertrieben. Auf der einen Seite will man natürlich die bestmögliche Bildqualität bekommen. Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass man das ganze Zeugs auch schleppen muss.

Auf den vorbereitenden Übungen in Hohenfels/Bayern, wurde mir zum ersten Mal bewusst, was auf den Fussmärschen so alles getragen werden muss. Neben einer 12 Kilo wiegenden Splitterschutzweste und einem Rucksack mit mehreren Litern Wasservorrat, sowie Ersatzwäsche und Essensrationen müssen ja auch noch Kameras und Objektive mit. Da kommen dann so einige Kilos zusammmen und man ist froh über jedes Gramm Ersparnis.

Im Nachrichtenagenturalltag fotografiere ich mit Nikon Spiegelreflexkameras – perfekte Kameras für den journalistischen Alltag. Allerdings wiegen die jeweils deutlich mehr als ein Kilo. An jede Kamera ist ein Objektiv angesetzt was ebenfalls pro Stück mit ein bis zwei Kilo an Gewicht daher kommt. Ausserdem baumeln die Dinger an Schulterriemen meistens im Weg rum. Da ist die Versuchung, auf kleinere leistungsfähige Systeme umzusteigen natürlich gross.

Aber was bietet der Markt? Nun, die klassische Reportagekamera ist eine Leica Messucherkamera (aktuell die M9). Zwei davon mit jeweils einem Weitwinkel und einem Normalobjektiv bestückt und dazu noch ein kleines Teleobjektiv in der Jackentasche. Gesamtkosten: ca 20.000 Euro. Mein Sparkassensachbearbeiter wird nur müde lächeln …
Vielleicht eine kleine Kompaktkamera? Die hat ein Zoom-Objektiv und kann Filmen. Tolle Reservekamera, aber von den optischen Leistungen eher nicht zu empfehlen.

Ausserdem knn ich mir nicht vorstellen wie so eine kleine Kompakte den ganzen Staub und Dreck und die physikalischen Belastungen wegsteckt. Ich hatte kürzlich nur etwas Dreck am Objektiv einer kleinen Kompakten – da ging schon nichts mehr!

Also vielleicht doch Canon? Der Unterschied zu den Nikon Kameras ist nur marginal (mit Ausnahme der Schärfe – ganz ketzerisch gesagt. Mit den Nikons werden die Bilder zumindest meistens scharf ohne die bei Canon üblichen Justagearbeiten für das meiner Erfahrung nach schlechtere AF-System) und nach einigen Jahren mit Canon Kameras fehlt mir ein bisschen das Vertrauen in deren Zuverlässigkeit.

Eine echte Alternative – zumindest für den Bereich Reportage ist die neue Fuji X100. Eine Sucherkamera aus Metall mit lichtstarkem 35mm Objektiv. Die zumindest könnte in Kombination mit einer der grossen Nikons für die Motive wo es darauf ankommt unauffällig zu bleiben eine gute Lösung sein (und die 1000 Euro Kosten wären noch zumutbar).

Ganz unterm Strich ist die Suche nach einem idealen System für mich leider noch nicht abgeschlossen. Die beiden Nikon D3s zusammen mit einem 2.8/70-200 und einem 2.8/24-70, ausserdem ein paar lichtstarke Objektive (1,4/24, 1,4/35 und 1,4/85) werden wohl die Reise mit antreten. Grossartige Objektivwechsel werden in der staubigen Umgebung nur in den seltensten Fällen erfolgen. Das alles zusammen mit einer X100 sollte dann zumindest einigermassen transportabel sein. Vielleicht setllt sich vor Ort aber auch heraus, dass man genau die Sachen zu Hause gelassen hat, die man gerade am besten brauchen könnte. Das zumindest ist im normalen Berufsalltag permanent der Fall.

 

 

 

Wie kommt man eigentlich nach Afghanistan?

Der Autor bei der "Mission Rehearsal" im bayrischen Hohenfels. Foto: John Dyfed Loesche

Willst Du nach Afghanistan? Ja – dort würde ich gerne mal arbeiten! Viel mehr als diese Frage und die darauf folgende Antwort war nicht nötig. Ich hatte mein Interesse bekundet und schon war ich im Boot.

OK – ganz so einfach war es nun doch nicht – über die ganze Logistik wird noch zu berichten sein. Aber neben denen sich in meinem Kopf nur langsam formenden Vorstellungen über einen möglichen fotografischen Einsatz in einem Kriegs- und Krisengebiet war eines sicher: Das ist eine Herausforderung die ich annehmen will.

Die ersten Reaktionen aus meinem Umfeld waren und sind durchaus zwiegespalten. Eine Mischung aus Angst, Respekt, Neugier, Mahnungen, Ratschlägen, Warnungen, Zustimmung und Ablehnung – die gesamte Bandbreite positiver und negativer Statements und Feedbacks prasselt auf mich ein. Ich beschäftige mich mit Material zu dem Thema und bleibe immer wieder an zwei relativ aktuellen Werken hängen, die mich in der Folgezeit begleiten. Zum einen ist das das Buch “WAR – ein Jahr im Krieg” von Sebastian Junger, zum anderen der von Junger und dem Fotografen Tim Hetherington gedrehte Dokumenttionsfilm “Restrepo” die laut Aussage von Soldaten der US-Armee mit denen ich Kontakt habe ein recht realistisches Bild der Situation vor Ort zeigen.

Es gibt natürlich massenhaft Material zum Thema Krieg, Kriegsfotos und Fotojournalismus im Krieg. Grosse Namen bekannter Fotografen tauchen auf, Bilder die weltweit bekannt sind, eigentlich Nichts, was es noch nicht zu dem Thema gibt. Was also genau will ich denn da eigentlich? Gibt es eine Geschichte, die noch nicht erzählt ist? Dinge die noch nicht visualisiert und beschrieben sind? Scheinbar nicht – und trotzdem bilde ich mir ein vor Ort eine eigene Sicht der Dinge zu bekommen, meine eigenen Bilder zu machen und Geschichten zu erzählen. Bilder die anders sind als bisher gesehen, Geschichten die anders sind als bisher erzählt.

Jeder hat seine eigene Sicht auf Dinge und Ereignisse und die werde ich dort in Afghanistan sicher auch haben. Sollte ich es also schaffen die Bilder die ich im Kopf habe auch so zu fotografieren habe ich das gesteckte Ziel erreicht. Finden auch noch Andere Gefallen an diesen Bilder habe ich sogar mehr erreicht als das.