Abschied vom COP

Letzter Blick auf den Turm "Bravo", einen der Wachtürme des COP. Wenn der Stacheldraht und das Militärische nicht wäre, könnte es sogar ein schöner Sonnenuntergang sein!

Die letzte Mission ist überstanden, wir fahren wieder rein in den COP, packen unsere Sachen und werden heute Abend nach Sharana verlegt, von wo aus dann der Heimflug Richtung Bagram startet. Das dauert – vermutlich sind wir noch einen Tag in Bagram und evtl. auch noch zwei Tage in Kabul, von wo aus es dann über Dubai zurück nach Frankfurt wieder auf heimischen Boden geht.

Es ist nicht ganz leicht zu beschreiben, wie ich mich jetzt gerade fühle. Einerseits bin ich froh, dass ich aus dem Kriegsgebiet Afghanistans wieder nach Hause kann – und ich habe ganz viele Neider bei der Apache 2-28, Kompanie, die uns für knapp 3 Wochen beheimatet hat. Nicht nur weil ich dann wieder Deutsches Bier trinken darf, sondern weil ich im Gegensatz zu den Soldaten eben wieder zu Hause bin. Andererseits wäre ich gerne noch geblieben, hätte die grosse Schura im COP, eine abgesessene Patrouille, weitere Städte in der Provinz Paktika gerne noch kennengelernt.

Wir werden von Captain Perkins verabschiedet, sagen allen Anderen auch noch Tschüss und besteigen zum letzten Mal die grossen MRABs um zum Hauptstützpunkt gebracht zu werden. Auf dieser letzten Strecke bekommen wir noch einmal eine Kostprobe von den Gesangskünsten der Soldaten. Die haben relativ erfindungsreich einen iPod an die interne Funkanlage des Militärfahrzeugs angeschlossen und es folgen muntere Karaokegesänge von Kate Perry bis Dirty Dancing.

In Sharana werden wir von Major Buccino in Empfang genommen und gleich werde ich zum ersten Mal nach 3 Wochen wieder in einem richtigen Bett schlafen und eine einigermassen begehbare Dusche betreten.

Es waren intensive Wochen, intensive Erfahrungen teilweise nahe am Grenzbereich des physischen und auch psychischen. Für mich selbst war es wichtig, diese Art der Fotografie gemacht zu haben, viel wichtiger aber der intensive Kontakt mit den Menschen da draussen. Es klingt klischeehaft, aber es verbindet einen schon mehr mit jemanden, von dem man weiss, dass das eigene Leben vom Verhalten und der Aufmerksamkeit des Gegenübers abhängig ist. Bei einigen der Soldaten fällt mir das Abschiednehmen denn auch durchaus schwerer als gedacht.

Man hat zusammen eine Menge erlebt – Dinge die verbinden. Ich hoffe, dass ich Einige meiner Mitstreiter im Laufe der Zeit mal Wiedersehen kann, über Facebook o.ä. sollte das zumindest teilweise möglich sein. Ich hoffe weiterhin, dass keinem der Soldaten da draussen etwas passiert, ich hoffe das Menschen wie der gestern getroffene Mullah Tuti in der Lage dazu sind, die Kriegsparteien an den Gesprächstisch zu bringen. Ich hoffe auch für die Aufständischen, die zwar als permanente Bedrohung für das eigene Leib und Leben stehen, in der Lage sind, mit Kompromissen zu leben und zumindest einen Waffenstillstand mittragen können.

Ich bin nicht als Kriegsfotograf dort rausgefahren, sondern als ein Fotograf der dokumentieren wollte, wie das Leben hier in Afghanistan funktioniert oder nicht. Ich hoffe das ist mir gelungen, ich brauche sicher ein paar Tage um alles zu verarbeiten und dann werde ich ein paar Galerien der Bilder hier einstellen, für die ich hier unten war.

Die nächsten Blog-Einträge – bevor ich diesen Blog schliesse  – werden erst wieder eingestellt werden wenn ich wieder zuhause bin und ein Fazit und sortierte Bilder habe!

Bis dahin und “Take care!” Passt auf Euch auf! Alle!

Update: In Kabul scheint es doch die Möglichkeit zu geben ins Internet zu kommen, von daher werde ich versuchen, dass Reisetagebuch noch fortzuführen!

Ein bisschen Politik

Eine selbstgebastelte Kontaktplatte die eine IED (Improvised Explosive Device) zuendet. Anhand der verwebdeten Teile kann man evtl. Rueckschluesse auf die Herkunft des Bastlers ziehen!

Sicherheitsbesprechung im COP in Mokathan: Das heisst, dass die Afghanische Polizei, der Afghanische Sicherheitsdienst, das Afghanische Militär und die US-Army sich mit einigen Vertretern zusammensetzen und Informationen austauschen, sowie gemeinsame Vorgehensweisen besprechen. Ich finde es relativ erstaunlich, dass wir da dabei sein dürfen, scheinbar scheint es aber niemanden zu stören

Ausgetauscht werden hier Namen und Aufenthaltsorte von als verdächtig geltenden Männern, die entweder mit den Aufständischen kooperieren oder selbst Aufständische sind. Im Verlaufe der Besprechung legt Leutnant Wolfley eine von den US-Streitkräften gefundene Contact-Plate auf den Tisch. Diese Platten lösen beim überfahren mit schweren Militärfahrzeugen die Zündung der IEDs (Improvised Explosive Devise) aus.

Es ist erstaunlich mit wie wenig Hilfsmitteln so ein Zünder gebaut wird, trotzdem scheint er sehr interessant zu sein, da hier in Afghanistan selbst die einfachsten Dinge wie Kabel, Batterien, Klebeband, Schalter etc. nur an einigen wenigen Orten zu bekommen sind. (aus diesem Grunde wird hier auch jeglicher anfallender Müll verbrannt und nicht einfach weggeworfen, man erklärt uns dass die Aufständischen von der Cola-Dose, über alte Batterien und auch Plastikbehälter alles benutzen um Sprengfallen zu bauen.)

Die gefundene Kontaktplatte lässt daher Rückschlüsse auf die Herkunft der benutzten Materialien zu und genau hier wird dann der Ansatz erfolgen, über den Verkäufer der Teile den Bastler zu finden.

Über den Geheimdienstchef wird gesagt, dass vermutet wird, dass er ein doppelte Spiel treibt – anders könne er sich nicht in seiner Position halten. Er kooperiert auf der einen Seite mit den US-Streitkräften um aber seine eigene Position nicht zu gefährden aber wohl auch mit den Aufständischen.

Dieses doppelte Spiel ist hier in Afghanistan weit verbreitet. Polizisten bessern ihren kargen Lohn damit auf nicht oder nur unzureichend nach Aufständischen zu fahnden, bzw. sich von ihnen kaufen zu lassen, auch das Militär der Afghanen ist durchsetzt von Korruption und Verrat. Ganz unterm Strich ist jeder Afghane erst mal seinem eigenem Stamm verpflichtet – Staat und Regierung interessieren die meisten nicht. So muss man darauf achten, dass Polizei und Militär niemals in einem Gebiet eingesetzt wird, dass den Stamm beheimatet aus dem eingesetzte Polizisten und Militärs stammen. Die würden niemals gegen ihren eigenen Stamm vorgehen.

Nächstes Problem sind die Verfeindungen der Stämme untereinander – Polizisten eines Stammes werden natürlich von Mitgliedern eines verfeindeten Stammes nicht als Autorität akzeptiert. Im Gegenteil … also dürfen sie auch dort nicht eingesetzt werden … schwierig

Das herrschende System ist kompliziert und auch nach tieferer Betrachtung nur sehr schwer zu entwirren.

Je tiefer die Einblicke sind, die ich hier erhalte, desto weiter entfernt sich auch nur die Idee einer Lösung im Afghanistan-Konflikt. Und mir scheint, dass es hier in keinem Fall einen Gewinner geben wird – auch nicht in ferner Zukunft. Meine persönlicher Einruck ist, dass es ein Land ist dessen Menschen seit 30 Jahren nur Krieg und Verfolgung kennen, die am System eines Nationalstaat nicht das geringste Interesse haben, die untereinander tief zerstrtiten sind, unterschiedlichste egoistische Ziele verfolgen und am liebsten in einem autarken System vieler Stämme leben wollen davon viele nach der Scharia, dem islamischen Recht, einige aber auch nicht, dass in seinen Lebensgewohnheiten, Rechts- und Umgangsformen nichts aber auch gar nichts mit westlichen Systemen zu tun hat. Dieses Land ist so kaputt und am Boden, dass sobald die militärischen Einheiten der Coalition Forces (Egal ob Bundeswehr, US-Armee oder Truppen anderer Länder) aus dem Land abziehen, ganz Afghanistan wieder in die Steinzeit versinkt – und das in kürzester Zeit. Eine Lösung der Probleme – nicht einmal eine kleine – hat derzeit niemand anzubieten.

Viel Gerede …

Die Dorfaeltesten der Stadt Motakhan begruessen den stellvertrenden Distriktoberen

Skurril – so kann man diesen Tag wohl am besten beschreiben … Wir machen uns in den fruehen Morgenstunden nach Motakhan auf, einem weiteren COP der Apache-Kompanie, bei der wir Embedded sind. Wunderbar eingequetscht in einen dieser grossen  MRABs … stellt man sich die Beinfreiheit eines VW-Käfers auf der Rücksitzbank vor und den restlichen umgebenden Raum mit Kabeln, Munition und den Füssen des Turmschützen, gepaart mit der Lautstärke einer mittellgrossen Dorfdisco am Samstagabend und dem permanenten Geruch nach schon 3 Wochen am Stück getragenen Socken hat man eine gute Vorstellung davon wie US-Reisen in Afghanistan so aussehen.

Es geht über Sharana – dem drittgroessten Standpunkt von US-Truppen in Afghanistan – nach Motakhan und die Fahrzeugbesatzung (neben mir noch 4 weitere Soldaten) ist gut drauf. Ziel der Lästerattacken ist der Fahrer, der idiotischerweise offenbart, dass seine bisherigen körperlichen Kontakte zum weiblichen Geschlecht doch eher spärlich waren (freundlich ausgedrückt). Man kann sich vorstellen, was in diesem MRAB los war … getoppt wurde das ganze noch dadurch, dass er freimütig bekannte auch noch nie eine Folge von “Star Wars” gesehen zu haben. Auweia – der Dienstälteste Sergeant im Truck bringt es auf den Punkt: ” Mit was für Leuten glauben die denn zuhause einen Krieg gewinnen zu wollen wenn sie uns jetzt schon Jungfrauen schicken, die noch nicht einmal wissen wer Han Solo ist und nicht die Grundregeln der Jedi-Ritter kennen”. Ein bisschen kann ich seinen Argwohn nachvollziehen …

Der COP den wir nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichen ist mit Sar Howsa nicht zu vergleichen, eher mit einer Puppenstube und es gibt auch keine Zweibettzimmer sondern mein Quartier wird nach langem Suchen irgendwo mitten in einen Raum in dem schon 10 andere Soldaten nächtigen gefunden. Nun ja – irgendwie wird es schon gehen. Ich teile mir mein “Bett” mit meinem Nackenhoernchen (ich gestehe freiwillig das ich das als Konzession an die Zivilisation mitgenommen habe) und einem Schnellfeuergewehr mit 100 Schuss Munition. Nicht das ich das dringend brauche, aber woanders ist kein Platz.

Weiter geht es zum ersten “Date” – einer Schura (quasi eine Sitzung der Ortsvorsteher) von Dorfältesten in der lokalen Schule. Schwer bewacht von einem Platoon US-Soldaten und einer Einheit der afghanischen Polizei treffen sich hier die Gespraechsparteien.  Der Raum der als Ttreffpunkt dient ist kaum zu beschreiben ohne Details dabei auszulassen. Teppiche auf dem Boden und an der Decke – dazwischen Schulmobiliar aus den späten 50er Jahren, überall Wüstenstaub und an den Wänden versandete Hängetafeln mit dem Periodensystem der Elemente, dem anatomischen Aufbau eines Froschs und diversen Koransuren.

In der Sitzung zu der die US-Militärs eingeladen sind, soll es um die Hilfe der USA bei der Weiterbildung von Farmern gehen. Endlose Diskussionen entspinnen sich – die Afghanen würden gerne von den US-Soldaten wissen, wie das funktionieren soll, die US-Jungs betonen immer wieder das sei ihnen prinzipiell egal, es soll so laufen, wie die Afghanen es wollen. Die aber wissen nicht so genau was sie wollen und warten auf Vorschlaege der Amerikaner und so wird erst mal eine Weile mit vielen Worten nichts gesagt.

So kommt man nicht weiter – es muss also erst mal ein Zeitplan für Weiterbildungen her. Also sollen die Afghanen sagen wann es ihnen am liebsten wäre. Die sagen in der Schulzeit, sind sich aber untereinander nicht ganz einig wann das ist. Einige behaupten Schule sei immer von März bis November. Andere sagen Dezember, wieder andere sagen erst ab Mai. Kurzerhand wir die Schulzeit neu definiert von Maerz bis zum 12. Dezember … kein Kommentar!

OK – bisher also keine Einigung (mit Aussage der jetzt nun sichergestellten Schulferien). Die Zeit vergeht nur schleppend, der Durchbruch scheint aber in dem Moment zu kommen, als den Afghanen einfällt, dass man statt Schulungen viellicht doch besser einen Damm bauen solle der die gesamte Provinz bewässert – der hatte jetzt zwar mit dem aktuellen Schulungen nichts zu tun, würde aber trotzdem gebraucht. Die USA geben zu bedenken, das ein Damm jetzt gerade mal nicht im Etat sei. Mann solle doch jetzt bitte wieder ueber die Schulungen sprechen. Die Afghanen sprechen also weiter ueber den Damm, die USA ueber Schulungen.

Die etwas aneinander vorbeilaufen Gespräche werden von beiden Seiten nach einer weiteren halben Stunde mit dem Urteil “erfolgreich” beendet als man sich versichert, man sei jetzt nach “guten Gespraechen” ja schon ein gutes Stück weitergekommen und werde über die Details dann in den nächsten Monaten reden. (Irgendwie erinnert das auch fatal an politische Traditionen bei uns in Deutschland)

Ich weiss jetzt nicht so genau, ob  A)- man wirklich glaubt, ein Schulungsprojekt durch ein Damm Projekt erweitern zu koennen oder B) -  der Übersetzer einfach Bockmist gebaut hat. Zumindest habe ich im Gegensatz zu allen Anwesenden leichte Zweifel am Erfolg der Verhandlungen. Vielleicht bin ich aber auch nur Pessimist!

A Ghost in Tower 2

Wir sitzen auf den Stufen vor unser Holzbaracke und verarbeiten gerade die Erlebnisse des Tages – da passiert es. Einer der Soldaten der neben uns in der Baracke wohnt kommt nach seinem Wachdienst schwer bewaffnet um die Ecke gelaufen und behauptet: “There’s a Ghost in Tower 2″. Das setzt den ganzen Erlebnissen des Tages die Krone auf … einer von Denen die beinahe darauf warten ein Feuergefecht zu erleben und meist auf dicke Hose machen, kommt leicht verängstigt um die Ecke und behauptet auch nach Nachfrage er habe einen Geist gesehen – irgendeinen schwarzen tellergrossen Dämonen – und wirkt ziemlich durcheinander. Was immer er auch gesehen hat – vermutlich eine der hier heimischen grossen Spinnen – es ist nicht rauszubekommen. Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hat grinsen Dyfed und ich uns an … solange der Geist nicht zu den hier aufgestellten Dixie-Klos weiterwandert kann uns das egal sein

Der Tag war heftig – wir waren auf einer Mission der Truppen mit im Berggebiet Afghanistans. Mit Helm und mit genug Wasser und der obligatorischen schussicheren Weste bekleidet fahren wir in einem Konvoi aus mehreren MRAPs – angeblich ist er Minensicher und Hinterhalt-geschützt – offiziell heisst das Mine Resident Ambush Protected aus dem COP zu einem 12 km entfernten Checkpoint, den die US-Soldaten zusammen mit der afghanischen Polizei während ihrer 5 Tages-Mission aufgebaut haben. An dieser Stelle hat es immer wieder Angriffe der Aufständischen gegeben, also ist dieser Kontrollpunkt eine Ansammlung von Schuss- und Splittersicheren Barrikaden den sogenannten Hescos aufgebaut worden. Die Mission heute dient dazu diesem Checkpoint noch ein Dach zu verpassen – das soll Sicherheit vor Mörserbeschuss bringen.

Eine Strasse wie die auf der wir fahren habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen. Ein staubige Bergpiste die durch die Bergregion führt, über und über mit riesigen Schlaglöchern versehen und von Flüssen und Bächen überflutet. Das auf dieser Strasse überhaupt Fahrzeuge fahren grenzt an an Wunder – dabei ist es die Hauptverbindungsroute nach Pakistan und nicht nur Militärfahrzeuge nutzen sie sondern auch die überall zu sehenden Jingle-Trucks, knallbunt angemalte uralte LKWs mit denen Waren transportiert werden.Die Fahrt dauert mehr als eine Stunde.

Die grösste Angst der Soldaten ist die vor sogenannten IEDs. (Improvised Explosive Devise), selbstgebaute Bomben, von teilweise so immenser Sprengkraft, dass sogar die stark gepanzerten MRAPs dabei  beschädigt und die Besatzung verletzt werden kann – solche explodieren in der Provinz Praktika beinahe täglich. Aus diesem Grund sind vor den MRAPs Minenwalzen angebracht die die IEDs vor dem Fahrzeug zum Explodieren bringen sollen – dann kracht es zwar heftig, der Fahrzeugbesatzung passiert aber nichts.

Es geht also raus und kurz nachdem wir losgefahren lässt der Turmschütze unseres MRAPs schon das Maschinengewehr loshämmern – das Fahrzeug hinter uns lässt den Granatwerfer los und die Afghanischen Soldaten im Fahrzeug vor uns springen heraus und schiessen mit ihren AK47 Schnellfeuergewehren auf irgendwas rechts und links der Strasse. Das Feuer hört so schnell wieder auf wie es angefangen ist – war nur ein Test ob alle Waffen auch funktionieren … na super …

Am Checkpoint angekommen verfolgen wir kurz die dortigen Bauarbeiten – ein LKW voll Baumaterial wird abgeladen und Soldaten der US-Army sowie afghanische Polizisten fangen munter an Heimwerker zu spielen. OK – das ist langweilig – findet auch Leutnant Chad Christian und fragt ob wir Lust auf wandern haben. In den umliegenden Hügeln haben weitere amerikanische Soldaten Feuerstellungen bezogen die die Bauarbeiten absichern – zu denen wollen wir. So ein richtig munterer Wanderausflug ist das aber nicht. Vollgepackt kraxeln wir zur ersten Stellung an der uns Staff Sergeant Nunez die Umgebung erklärt – er zeigt auf einen höheren Berg vor uns auf dem ein grosser Baum steht und sagt, dass das die Stellung sei von der die Taliban häufig auf sie herunter schiessen. Um näher an diesen “One Tree Hill” heranzukommen gibt es eine weitere Feuerstellung auf einem weiter links liegenden Berg. Zu dieser klettern wir weiter hoch und dabei geht uns fast die Puste aus – in mehr als 2500 m Höhe mit unserem ganzen Geraffelt durch die Hügel zu stapfen ist irre anstrengend.

Wir erreichen die Spitze, die von zwei Soldaten mit Maschinengewehren besetzt ist und haben einen fantastischen Blick auf die Berge Afghanistans. Auf der einen Seite der One Tree Hill auf der anderen Seite die Grenzgebirge in denen die pakistanische Grenze verläuft. Die Gegend ist trotzdem so unwirklich das Dyfed sagt es würde ihn nicht wundern wenn jetzt gleich noch eine Horde Sandmenschen aus Star Wars hier auftauchen. In den nächsten zwei Stunden sitzen wir in der Feuerstellung – nichts passiert und wir schütten dosenweise Energy-Drinks in uns rein und unterhalten uns mit Leutnant Christian, Stapf Sergeant Aras und Private Gloria über Arm, Deutsches Fernsehen, Country-Musik und die Gefahren und Auslandseinsätzen. Teilweise Small-Talk – teilweise sehr erhellende Gespräche in denen wir viele Infos bekommen.

Über Funk bekommen wir Nachricht, dass die US-Soldaten und die afghanische Polizei an der Strasse unten jetzt auch eine Strassensperre errichtet haben – und man fragt mich ob ich Lust habe das zu fotografieren. Habe ich – also geht es den Berg wieder runter und wir erreichen die Sperre an der die afghanischen Zivilfahrzeuge und LKWs angehalten werden, die Fahrer auf Waffen abgetastet werden und die Ladung kontrolliert wird, ausserdem werden von den Fahrern Fingerabdrücke genommen und ein Iris-Scan gemacht. Fahrzeuge mit verschleierten Frauen werden durchgesunken. Die hier oft vorkommenden Nomaden, die Kuchis, die mit ihrer Grossfamilie immer auf Treckern mit Anhängern unterwegs sind und als Schmuggler gelten werden ebenfalls durchgesunken. Den Affront, die Frauen die ebenfalls auf dem Traktoranhängern sind zu kontrollieren, kann man sich wohl nicht leisten. Optisch sind diese Nomadengruppen allerdings ein echtes Spektakel – grellbunte Kleider und die Fahrzeuge sind ebenfalls in allen möglichen Farben angemalt.

Spätnachmittags werden die Kontrollen eingestellt und wir fahren über die extrem staubige Strasse zurück in den COP. Die untergehende Sonne lässt den Staub um die Militärfahrzeuge leuchten – leider kann man das Schauspiel aber nicht fotografieren. Eingeklemmt in diesen mit dutzenden Kabeln und aller möglichen Waffentechnik vollgestopften Fahrzeugen kann man durch die kleinen gepanzerten Scheiben die auch noch mit Raketenabwehrvorhängen versehen sind keine Bilder machen – egal jetzt, Bilder gab es heute schon genug.

Another day in paradise

… so werde ich morgens meistens begruesst! Good morning – it’s another day in paradise. Ein bisschen Sarkasmus hat noch niemanden geschadet.

In der Nacht kommen die Platoons, die auf Mission ausserhalb waren zurueck. Es ist kaum zu erkennen, dass die Soldaten fuenf Tage draussen waren. Alle sind frisch rasiert und wirken lange nicht so müde wie ich dachte. (In der US-Army ist es Grundsatz, dass jeder Soldat immer rasiert sein muss – vollständg egal ob er gerade aus einer Gefechtsstellung kommt, oder in einem Lager herumläuft). Der Koch hat Steak und Lobster vorbereitet – eine ungewöhnlich luxuriöse Truppenverpflegung, Es wäre glaube ich aber egal gewesen – was immer dort auf dem Tisch gestanden hätte – es wäre alles verputzt worden.

Muellentsorgung im Krisengebiet: Alles auf einen Haufen, Benzin drauf und schon brennt alles. Qualm und Rauch durchziehen den gesamten COP.

Der COP ist nun wieder deutlich voller und nach den etwas drögen ersten Tagen tritt so langsam Betriebsamkeit ein. Den ganzen Tag raucht es – die Soldaten verbrennen ihren Müll, es qualmt fürchterlich und der Wind steht genau in Richtung der Truppenunterkünfte sodass eine Stunde später alles und jeder nach Qualm und Rauch stinkt.

Eigentlich wird heute der Brigadekommandeur erwartet, genau so wie der Batallionskommandeur, aber beide lassen sich nicht blicken. Dyfed und ich suchen nach Motiven und Geschichten, aber innerhalb des COPs ist nicht wirklich was zu finden – wir hoffen auf die erste Mission, die wieder raus geht, bei der wir dann mitfahren werden.

Wann genau das ist? Na – Hurry Up And Wait – immer bereit sein und dann doch wieder warten. Wir werden sehen was die nächsten Tage bringen – hoffentlich aber ein bisschen mehr Schlaf. Es ist unglaublich – da kommen Soldaten von einem Fünf-Tages-Einsatz und palavern in ihren Unterkünften noch die halbe Nacht weiter … da wir in derselben Unterkunft nur durch eine Pressholzplatte von ihnen getrennt schlafen, war an Schlaf nicht zu denken, zumal die Zimmer keine Decke haben und wenn in einem Zimmer Licht brennt alle anderen Zimmer mit beleuchtet werden.

Warum die Soldaten am morgen dann auch noch fitter aussehen als ich … ? Keine Ahnung, ich glaub’ ich werde alt …

Combat Outpost

Das Ziel unserer Reise ist erreicht. Wir sind im COP (Combat Outpost), einem Feldlager der US-Army in den afghanischen Bergen angekommen. Nach der Übernachtung im US-Stützpunkt in Sharana ging es heute mit einem Konvoi aus Militärfahrzeugen mitten hinein in die Afghanischen Berge.

Ein Regenbogen leuchtet ueber den Befestigungen des COPs in der Paktika Provinz

Die ersten Bilder entstehen und es ist ein vorsichtiges Vortasten in diese für uns fremde und unbekannte Welt.

Abends geht ein Gewitter über den COP, vorher leuchtet ein Regenbogen über den HESCOS (mit Sand und Schotter gefüllte Befestigungen die Schüsse und Granatsplitter abhalten). Geregnet hat es in den letzten Tagen hier auch – der Boden ist noch feucht und die Temperaturen auf diesem 2700 hoch gelegenen Plateau sind gemässigt, kein Vergleich zu dem heissen Bagram.

Aufgrund des Fastenmonats Ramadan hat es in den letzten Wochen angeblich kaum Feuergefechte gegeben. Nachdem Ramadan aber vorbei ist rechnet die Führung der US-Truppen derzeit täglich mit “contact” – so die offizielle Bezeichnung für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Aufständischen.

Da haben wir im Moment aber nichts mit zu tun. Der COP in dem wir sind gilt als sicher – ab und zu wird er angeblich beschossen, die Stellung ist aber derart gut gesichert, dass das offensichtlich nicht schlimm ist. Man kann eigentlich sehr gut einschätzen ab wann etwas sicher oder unsicher ist. Tragen die Soldaten ihre schussicheren Westen und werden ruhig scheint etwas in der Luft zu liegen. Hier im COP laufen sie teilweise mit Trainingsanzügen und Turnschuhen quer über das Gelände. Abends mit Taschenlampen die nicht mal Rotlicht benutzen – also alles safe.

Neben uns liegt eine Stadt mit ca. 30.000 Einwohnern – dort hin soll die Tage eine Patrouille gehen, der wir uns gerne anschliessen würden. Hier wird es Kontakt zur Zivilbevölkerung geben. Die Patrouillen fahren regelmässig in die Stadt und gelten ebenfalls als ungefährlich. Von den Soldaten gemachte Bilder die wir gesehen haben lassen darauf schliessen dass es dort so einige Fotomotive geben wird. Die Dorfbevölkerung macht sich überhaupt nichts daraus fotografiert zu werden, die Kinder dort finden es angeblich sogar toll. Ich hoffe also auf einige gute Bilder.

Ankunft

Wir sind in Kabul! Dyfed und ich haben nach langem Flug die afghanische Hauptstadt erreicht.

Nachdem die Deutsche Bahn fast die rechtzeitige Ankunft am Flughafen Frankfurt verhindert hat sind mit Zwischenstopp in Dubai in Kabul gelandet.

Allein der dreistündige Flug Dubai – Kabul mit Safi-Airways ist ein Ereignis der besonderen Art. Ein Airbus 320 aber innendrin mit der Ausstattung einer alten Lufthansa-Maschine aus den siebziger Jahren – Röhrenfernseher im Gang von denen kein einziger funktioniert alte ausgelatschte Sitze und an die Handgepäckbegrenzung hält sich kein Mensch.

Die Klappen über den Sitzen quellen über mit diversen Einkäufen der Passagiere aus den unzähligen Duty-Free-Shops des Dubaier Flughafens.

Die ersten Hinweisschilder auf die wir am Flughafen in Dubai treffen waehrend wir das Abflugate der Maschine nach Kabul suchen sind Richtungsangaben zu medizinischem oder religiösem Support.

Ist eine skurrille Mischung von Fluggästen zwischen denen wir Platz nehmen, offensichtliche Söldner, afghanische Familien, diverse männliche und weibliche Aufbauhelfer die irgendwelche Aufbauprojekte betreuen (zwei Deutsche haben wir dabei kennengelernt, die uns von immer schlechter werdenden arbeits- und Aufenthaltsbedingungen vor Ort berichten) und – naja Dyfed und ich.

Eine permanent plappernde Stewardess und superenge Sitze hindern uns wenigstens eine Mütze voll Schlaf zu bekommen … egal jetzt. Wir sind angekommen. Die erste Information die wir von der ISAF bekommen haben war: Der Embed-Status gilt erst ab dem Eintreffen im Einsatzgebiet.

Jegliche Berichterstattung dazwischen hat den Verlust des Embed-Status zur Folge. das heisst für uns: In den nächsten Tagen wird es erst mal keine Meldungen mehr geben. Nachdem wir nun aber fast 36 Stunden auf den Beinen sind tut uns eine Mütze voll Schlaf sicher auch erst mal gut.

Abflug

So – morgen geht’s es also los. Man kann sich sicher vorstellen, dass ich nicht nur in purer freudiger Erwartung Richtung Afghanistan starte, sondern durchaus mit einiger Nervosität und Bauchgrummeln. Andererseits bin ich froh, dass es nach so langer Zeit an Vorbereitung und Warten dann auch mal losgeht.

Axel - Foto by Henning Scheffen

Der nächste Blog-Eintrag wird dann hoffentlich schon aus Afghanistan erfolgen – ob es vernünftige Leitungen gibt, ob das mitgeführte Satelliten-Telefon funktioniert, ob die dann vorherrschende Bandbreit gross genug ist … Eigentlich sollte das alles klappen, aber wer wie ich ständig mit Kommunikationstechnik umgehen muss, weiss auch, dass es da immer wieder zu unerwarteten Problemen kommt. Ich muss also erst mal abwarten ob und wie das Alles funktioniert. Und wenn alles schief geht schreibe ich lange Blog-Einträge erst wenn ich wieder da bin. Geplant ist es zwar anders, aber …

Bis Dyfed und ich im eigentlichen Einsatzgebiet sind, werden sowieso mehrere Tage vergehen – wie viel genau kann uns derzeit niemand sagen. Vermutlich werden wir am kommenden Samstag/Sonntag in der US-Basis in Bagram sein – von dort aus geht es dann weiter ins Grenzgebiet.

Ob ich dann täglich bloggen kann – ich weiss auch das nicht. Der Plan ist, zumindest alle paar Tage eine Meldung abzusetzen, es sollte sich aber niemand was dabei denken, wenn ich deutlich seltener und unregelmässiger als geplant diesem Blog aktualisiere. Wie gesagt – da ist gerade nicht viel planbar – einfach mal vorbei schauen und keine Sorgen machen, wenn es mal länger nichts Aktuelles gibt!

Apropos – kurz bevor ich abfliege wollte ich mich noch bei Allen bedanken, die mir gute Wünsche für den Trip geschickt haben – und mich bei denjenigen entschuldigen, die mein permanentes Gequatsche ausgehalten haben wann immer es um dieses Thema ging (ich kann mir vorstellen dass das manchmal nervt).

Besonderer Dank also an die Freunde und Fotografen im Norden: Kay N., Christian C., Marcus B., Angelika W., Mauritio G., Carsten R., Jochen L., Stefan S., Nigel T., Joerg S., David H., Focke S., Philipp G., Morris M. und Fabian B. sowie die dapd-Kollegen Oli L., Sascha S. (viel Glück auch für Deinen Aufenthalt!), Ronny H., Axel S.,  Alex B., Dirk v.B. und Jens S.

Für alle Unterstützung noch ein dickes Danke nach Münster an:  Klaus S. und Britta V., Edith K., Erik H., Klaus F. Steffen L.., Jan v.d.V., Birgit M. und Andrea M.

Danke natürlich auch an meinen Bruder und meinen Vater, und ein ganz grosses Danke den besten Kindern der Welt: Julian & Luisa!

Materialschlacht – oder was man alles nicht braucht …

Vorbereitung auf einige Wochen Aufenthalt in Afghanistan – was aber nimmt man denn so alles mit? Ist ja eher keine klassische Pauschalreise mit Sonnencreme und Flip-Flops.

Fragt man all diejenigen, die schon einmal (oder mehrmals) bei einem solchen Einsatz dabei waren und listet dann danach auf, was die alle zusammen empfehlen kommt man zu dem Schluss, dass eine eigene Transportmaschine, zumindest aber ein Überseecontainer sinnvoll wäre. Ok – der ist hier im Hamburger Hafen sicher kostengünstig aufzutreiben, ob das aber Sinn macht?

Auch die Soldaten tragen extrem viel Ausrüstung bei sich und nutzen zwischendurch immer wieder die Gelegenheit, zu verschnaufen ...

Die Überlegungen “was nehme ich mit” sind nicht ganz einfach – so einige Peinlichkeiten will man sich ja ersparen und ganz zuletzt ist immer wieder zu betonen: Man muss das ganze Zeug auch schleppen. Shuttle-Busse, Reiseführer oder andere dienstbare Geister werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Ort sein.

Es fängt schon an mit dem richtigen Transportbehältnis. Ein klassischer Reisekoffer? Auch eher peinlich mit einem Samsonite in einem COP einzuschecken – na, vielleicht gibt es die Samsonites ja auch in Camouflage …

Also eher ein Rucksack? So nach dem Backpacker-Beispiel – vermutlich auch eher nix. OK – erst mal die ganze Kameratechnik verpacken. Pelicase – das ist wasserdicht. Schlag- und stossfest. Tolle Sache, aber schwer und so ein “Fotografenrollköfferchen” ist vermutlich nur für den Gesamttransport geeignet. Vor Ort wird man dann wieder in kleinere Taschen, Rucksäcke oder Westen umpacken müssen – und die muss man ja auch mitnehmen.

Meine Idee ist nun, einen grossen Reisesack mitzunehmen, in dem alle nicht technischen Dinge aufbewahrt werden. Gewichtsmässig wird es trotzdem eine schwierige Sache werden, da da ja eine über 10 Kilo wiegende Splitterschutzweste etc. hinein muss.

Die Kameratechnik wird in einen Think-Tank Rucksack gepackt (Danke Morris für die freundliche Leihgabe). Dieser hat zumindest das Packformat für Handgepäck und wird hoffentlich für die Foto-und Videotechnik incl. Laptop und Zusatzgeräten reichen.

Für die, die es interessiert hier das nun vollständige technische Setup:

2 digitale Nikon Spiegelreflexkameras vom Typ 3Ds, eine kleinere Nikon Spiegelreflexkamera vom Typ D7000, 1 digitale Kompaktkamera mit Festbrennweite Typ Fuji X100 (hier gilt mein Dank Fabian für das Leihen der Fuji von der ich selbst mich wohl nur sehr schwer hätte trennen können).

An Objektiven gehen mit: 1,4/24mm, 1,4/35mm, 1,4/85 mm, 2.8/70-200mm, 2.8/24-70mm, 4.0/16-35mm, ein 1,7er Konverter, und ein Fisheye-Zoom.

Neben Card-Readern, Blitz, Akkuladern, Ministativ, Akkus, einer externen Mini-Festplatte zur Datensicherung und einer Newswear-Weste um das Benötigte unterwegs zu tragen ist zusätzlich auch ein Satelliten-Telefon mit dabei. (Ich vermute mit T-Mobile wird in Afghanistan keine Kommunikation möglich sein … )

Gute Tipps habe ich zuhauf bekommen – und die Packliste wurde dadurch nicht kleiner. “Nimm eine Lampe mit Rotlich mit – am besten eine die man auf dem Kopf tragen kann” – das macht Sinn. Stiefel – am besten Wüstenstiefel – waren auch ein guter Tipp. Ein sogenannter Camelbak – ein Rucksack mit Wasserbehältnis ist ebenfalls Pflicht. Eine Sonnenbrille die auch Klargläser hat als Splitterschutz. Knieschützer für das abknien auf dem steinigen Boden (so kommen meine Inline-Skates Protektoren doch noch zu einem Einsatz), Handschuhe seinen wegen Dreck und Verletzungen wichtig – ob bei den Temperaturen vor Ort Handschuhe nicht nerven habe ich nicht rausbekommen. Ein Schlafsack muss sowieso mit … Ok – bis jetzt ist alles ohne Frage wichtig.

Das man die Kameras nicht an Schultergurten tragen soll (da gehen sie angeblich nur kaputt), sondern mit Karabinerhaken vorne an der Bullet-Proof-Vest befestigen soll war mir ebenfalls neu. Aber wie um alles in der Welt bekomme ich dann die Kamera an einen Karabinerhaken … Naja mal sehen – auch die Karabinerhaken habe ich nicht vorrätig und muss sie erst mal kaufen.

Nächste Frage – was zieht man an? Klingt irgendwie lustig – ist es aber nicht, denn man sollte möglichst unauffällig aussehen. Hier aber prallen zwei Meinungen aufeinander. Während die offizielle Version “Journalisten sollten sich eindeutig von den Soldaten unterscheiden allein schon um ihre Unabhänigkeit zu unterstreichen” lautet, sagen erfahrene Stimmen: “Sei nicht verrückt – zieh’ Dich bloss so ähnlich wie die Soldaten an. Du gehörst dazu und gefährdest sie unnötig wenn Du wie ein Journalist aussiehst (wie sieht ein Journalist eigentlich aus?), zudem gefährdest Dich selber, da die Unabhängikeit von Berichterstattern in Afghanistan niemanden interessiert. Du bist Embedded mit US-Truppen unterwegs – wie um alles in der Welt willst Du jemanden glaubhaft klar machen, dass Du ein unabhängiger Journalist bist und nicht zu ihnen gehörst.” Tja – da ist guter Rat teuer. Wer hat Recht?

Vermutlich wird es sowieso wieder so aussehen, dass die Dinge die man braucht wieder zu Hause rumliegen und das ganze unnütze Zeugs im Koffer ist. Angeblich soll ja sogar Anti-Floh-Mittel wichtig sein – vielleicht gehört das aber auch in die Abteilung ” Die Spinne in der Yucca-Palme”.

 

Angst

Hat man / habe ich Angst mich in ein Kriegs- und Krisengebiet zu begeben? Ja hat man / habe ich!
Haben die Soldaten Angst bei ihren Einsätzen? Ja haben sie!
Wird das bei verschiedenen Gelegenheiten thematisiert? Ja – aber nur extrem selten!

Vielleicht ist es sinnvoll in diesem Blog das Thema Angst zu beschreiben – machmal ist es leichter über etwas zu schreiben, über das man nur schwer sprechen kann. Es mag seltsam erscheinen das gerade jetzt zu tun – schliesslich bin ich ja noch nicht einmal losgefahren. Das heisst aber nicht, dass das Angst – gerade auch weil sie zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr unpräzise und fern der Realität stattfindet nicht doch präsent ist.

Im inneren eines Humvees während der vorbereitenden Übung (Mission Rehearsal) im JMRC. Foto: John Dyfed Loesche

Ich werde dazu im Folgenden Bezug auf ein nicht nur von mir als sehr lesenswert erachtetes Buch nehmen: WAR – ein Jahr im Krieg von Sebastian Junger. Nicht nur die Lektüre dieses Buches hat mir bei meinen Vorbereitungen gedanklich sehr geholfen. Auch der direkte Kontakt zu Sebastian, der viele meine Fragen sehr ausführlich beantwortet hat und mir unzählige Tipps für meinen ersten Embed mit auf den Weg gegeben hat haben unter anderem auch das Thema “Angst” zur Grundlage gehabt. Wer eine der meiner Meinung nach eindringlichsten Dokumentationen zum Thema Krieg in Afghanistan lesen will sollte mal auf den Link klicken. Er führt zur Amazon-Seite – normalerweise will ich keine Werbung machen, aber in dem Fall mache ich eine Ausnahme! Dieses Buch lässt niemanden unberührt!

In dem Buch wird eine Szene beschrieben, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Sebastian erzählt, wie er in einer langen zermürbenden Wartepause auf eine bevorstehende Gefechtssituation, in der er dabei sein wird, einen immer beklommeneren Gesichtsausdruck bekommt bis ihn ein Soldat direkt und so, dass alle anderen Anwesenden es hören anspricht. Dieser sagt: “Es ist OK Angst zu haben – Du darfst sie nur nicht zeigen!

Eine Unterhaltung die ein ähnliches Verhalten zeigt hatte ich selbst während unseres Vorbereitungstrainings im JMRC. Während einer Übungspause habe ich mich eine ganze Weile mit einem Specialist namens Corey unterhalten. Corey war ein Jahr im Irak-Krieg eingesetzt und ist mit der 172. jetzt nach Afghanistan abkommandiert. Auf meine simple Frage, ob er in der Zeit im Irak manchmal Angst gehabt hätte antwortete er sehr verlegen und erst nach langem Zögern mit dem Satz. ” Ja – hatte ich. An jedem beschissenen Tag! Aber ich würde es den Anderen (gemeint sind seine Kameraden in derselben Einheit) niemals erzählen. Und ich bin sicher – denen ging es genau wie mir. Gesagt hat aber Keiner auch nur irgendeinen Ton.”

Scheinbar ist das eine klassische Verhaltensweise – jeder macht Angst grundsätzlich mit sich selbst aus. Vielleicht weil es peinlich ist, Angst zu haben weil man als Schwächling da steht, man verletzlicher ist (eine schlechte Eigenschaft in einem Kriegsgebiet). Vielleicht um nicht eine Spirale von Unsicherheit in Gang zu setzen. Angst scheint ansteckend zu sein – man isoliert sich scheinbar um nicht den Virus der Angst auf Andere zu übertragen und damit sein ganzes Umfeld noch mehr zu verunsichern was dann wieder weitere Angst auslöst.

Sebastian Junger widmet in seinem Buch das gesamte erste Kapitel dem Thema Angst – er beschreibt es dabei viel besser als ich es je könnte. Die Angst eines Journalisten oder eines Soldaten im Kriegsgebiet ist dabei weitaus vielschichtiger als man es auf den ersten Blick annehmen mag. Angst vor Tod und Verletzung ist selbstverständlich, jedoch sind auch die Angst jemanden nicht helfen zu können oder durch eigenes Versagen die Gefährdung anderer zu verursachen Dinge, die einen ebenso zermürben können.

Was also genau verursacht meine Ängste? Zuerst natürlich z.B. die alltäglichen Meldungen aus Afghanistan welche ich regelmässig lese (und das tue ich gerade natürlich sehr häufig) – z.B. der Abschuss des US-Hubschraubers vor wenigen Tagen oder die Nachricht über die Sprengfalle bei der vor drei Tagen zwei Soldaten der Brigade ums Leben gekommen sind mit denen wir demnächst unterwegs sind.

Des weiteren ist es die Ungewissheit und das Unbekannte (das geht sicher Vielen so) – ich fahre in ein Land in dem ich noch nie gewesen bin, dass mir als Mensch zunächst einmal zumindest skeptisch wenn sich sogar verärgert oder feindlich gegeüber steht. Ich bin dort nicht herzlich willkommen und weder eingeladen noch ausdrücklich erwünscht. Ich bin dort eingebettet in eine Militäreinheit die in diesem Land ebenfalls eher ungern gesehen wird (diplomatisch ausgedrückt) und werde demzufolge als ein Teil dieser wahrgenommen.

Diese Situation beschwört die nächste Angst herauf – kann ich unter diesen Umständen und Bedingungen überhaupt gute Arbeit leisten? Ich bin es gewohnt in allen möglichen alltäglichen Situationen Bilder zu machen, aber noch nie habe ich unter derart extremen emotionalen Rahmenbedingungen gearbeitet – das ist für mich kein Alltag. Kann ich unter diesen Bedingungen überhaupt gute Bilder machen? Ist der psychologische Druck nicht zu hoch? Wie wahrscheinlich ist es dabei zu scheitern? Auch das sind Ängst die immer mitschwingen.

Angst kommt und geht ohne dass man selbst besonders grossen Einfluss darauf hat. Es gibt Momente in denen bin ich gelassen und entspannt was den Afghanistan-Besuch angeht. In anderen Momenten bin ich wieder voller Zweifel und Ängste. Allein das zuzugeben ist für mich nicht ganz leicht.