Abschied vom COP

Letzter Blick auf den Turm "Bravo", einen der Wachtürme des COP. Wenn der Stacheldraht und das Militärische nicht wäre, könnte es sogar ein schöner Sonnenuntergang sein!

Die letzte Mission ist überstanden, wir fahren wieder rein in den COP, packen unsere Sachen und werden heute Abend nach Sharana verlegt, von wo aus dann der Heimflug Richtung Bagram startet. Das dauert – vermutlich sind wir noch einen Tag in Bagram und evtl. auch noch zwei Tage in Kabul, von wo aus es dann über Dubai zurück nach Frankfurt wieder auf heimischen Boden geht.

Es ist nicht ganz leicht zu beschreiben, wie ich mich jetzt gerade fühle. Einerseits bin ich froh, dass ich aus dem Kriegsgebiet Afghanistans wieder nach Hause kann – und ich habe ganz viele Neider bei der Apache 2-28, Kompanie, die uns für knapp 3 Wochen beheimatet hat. Nicht nur weil ich dann wieder Deutsches Bier trinken darf, sondern weil ich im Gegensatz zu den Soldaten eben wieder zu Hause bin. Andererseits wäre ich gerne noch geblieben, hätte die grosse Schura im COP, eine abgesessene Patrouille, weitere Städte in der Provinz Paktika gerne noch kennengelernt.

Wir werden von Captain Perkins verabschiedet, sagen allen Anderen auch noch Tschüss und besteigen zum letzten Mal die grossen MRABs um zum Hauptstützpunkt gebracht zu werden. Auf dieser letzten Strecke bekommen wir noch einmal eine Kostprobe von den Gesangskünsten der Soldaten. Die haben relativ erfindungsreich einen iPod an die interne Funkanlage des Militärfahrzeugs angeschlossen und es folgen muntere Karaokegesänge von Kate Perry bis Dirty Dancing.

In Sharana werden wir von Major Buccino in Empfang genommen und gleich werde ich zum ersten Mal nach 3 Wochen wieder in einem richtigen Bett schlafen und eine einigermassen begehbare Dusche betreten.

Es waren intensive Wochen, intensive Erfahrungen teilweise nahe am Grenzbereich des physischen und auch psychischen. Für mich selbst war es wichtig, diese Art der Fotografie gemacht zu haben, viel wichtiger aber der intensive Kontakt mit den Menschen da draussen. Es klingt klischeehaft, aber es verbindet einen schon mehr mit jemanden, von dem man weiss, dass das eigene Leben vom Verhalten und der Aufmerksamkeit des Gegenübers abhängig ist. Bei einigen der Soldaten fällt mir das Abschiednehmen denn auch durchaus schwerer als gedacht.

Man hat zusammen eine Menge erlebt – Dinge die verbinden. Ich hoffe, dass ich Einige meiner Mitstreiter im Laufe der Zeit mal Wiedersehen kann, über Facebook o.ä. sollte das zumindest teilweise möglich sein. Ich hoffe weiterhin, dass keinem der Soldaten da draussen etwas passiert, ich hoffe das Menschen wie der gestern getroffene Mullah Tuti in der Lage dazu sind, die Kriegsparteien an den Gesprächstisch zu bringen. Ich hoffe auch für die Aufständischen, die zwar als permanente Bedrohung für das eigene Leib und Leben stehen, in der Lage sind, mit Kompromissen zu leben und zumindest einen Waffenstillstand mittragen können.

Ich bin nicht als Kriegsfotograf dort rausgefahren, sondern als ein Fotograf der dokumentieren wollte, wie das Leben hier in Afghanistan funktioniert oder nicht. Ich hoffe das ist mir gelungen, ich brauche sicher ein paar Tage um alles zu verarbeiten und dann werde ich ein paar Galerien der Bilder hier einstellen, für die ich hier unten war.

Die nächsten Blog-Einträge – bevor ich diesen Blog schliesse  – werden erst wieder eingestellt werden wenn ich wieder zuhause bin und ein Fazit und sortierte Bilder habe!

Bis dahin und “Take care!” Passt auf Euch auf! Alle!

Update: In Kabul scheint es doch die Möglichkeit zu geben ins Internet zu kommen, von daher werde ich versuchen, dass Reisetagebuch noch fortzuführen!

Kleine Wunden

Der Tag fängt heute ziemlich früh an. 7.30 Uhr ist das Briefing auf dem Hauptsatz des COPs auf dem die Fahrzeuge stehen. Und wie das so ist wenn man spät ins Bett gekommen ist … Eine Flasche Wasser ueber den Kopf und die Zahnbürste in den Mund gesteckt, schnell noch zwei gekochte Eier in den Mund hinterher: abfahrtbereit.

Zerschossen, beschmiert und geschlossen! Die Maedchenschule in Sar Howsa

Wir fahren in die Stadt Sar Howsa raus in der es eine Mädchenschule gibt, die von den US-Streitkraeften aufgebaut worden ist aber leider durch permanente Attacken der Taliban geschlossen wurde. Die Dorfbewohner – man sagt sie würden mit den Taliban sympathisieren – haben entweder nicht die Mittel oder den Wunsch, diese Schule weiter zu betreiben.

Sergeant Puchalsky, in dessen Truck ich mitfahre, orakelt schon bei der Abfahrt: “Irgendwas geht heute schief – ich hab’ da so ein Gefühl … ” Warum kann er nicht begründen, aber die Erfahrung von zwei Jahren Irak und einem Jahr Afghanistan hat ihn gelehrt. seinem Bauchgefühl zu vertrauen.

Wir fahren mit den schwer gepanzerten Fahrzeugen durch in das Dorf, an dessen Eingang ein Friedhof mit hunderten von Gräbern liegt. Langsam tasten sich die Fahrzeuge vor – auf dem Friedhof liegt angeblich eine IED (Improvised Explosive Devise), trotzdem laufen Menschen über den Friedhof. Entweder wissen sie nichts davon oder aber es ist nur eine Geschichte.

Wir sitzen einige hundert Meter vor der Schule ab, die an einem schroffen, steil aufragendem Berghang liegt und gehen im Gänsemarsch langsam auf die Schule zu. Dieser Berg ist “Enemy Line” hier regieren die Aufständischen. Wir werden mit Sicherheit beobachtet – das hat die Aufklärung schon gesagt, also sichern mehrere Soldaten unten während 6 weitere Soldaten zusammen mit einem afghanischen Polizisten sich aufmachen den Berg hochzusteigen. Das muss sein, denn wenn sie den Berg nicht sichern kann es sein, dass wir während wir uns die verlassenen Schulräume anschauen von oben beschossen werden – das passt so gar nicht in den Plan. Also warten – weiter oben auf dem Berg findet der Trupp eine Höhle und eine mit Steinen befestigte Feuerstellung der Aufständischen, aber ausser ein paar Patronenhülsen und Essensresten ist nichts zu sehen.

Die 6 bleiben auf dem Berg, fragen mich über Funk ob ich hochkommen will oder lieber die Schule anschauen möchte. Ich entscheide mich für die Schule – und bin wieder einmal erschrocken. Die Wände von Gewehrsalven durchsiebt und das für hiesige Verhältnisse moderne und funktionale Gebäude ist insbesondere in den Innenräumen über und über mit Graffitis beschmiert. Der Übersetzer findet antiamerikanische Sprüche – was ich aber schlimmer finde sind die Gewaltbildchen, die scheinbar von den Kindern an die Wand gemalt worden sind. Pistolen, Granaten, Monster und Panzer … Irgendwie illustrieren diese simplen Bildchen mehr, als alle Berichte, Erzählungen und Fotos es könnten. Hier herrscht einfach die pure Gewalt. Und Unterricht wird es hier auf absehbare Zeit wohl nicht mehr geben …

Der Rückweg zu Fuss führt uns um das Dorf herum und da zwei Männer afghanischer Herkunft allzu offensichtlich an einer Hausecke rumdrucksen und zwischen ihnen und uns nur freies Gelände ist fangen wir an zu laufen. Mit dem ganzen umhängenden Geraffel nicht so einfach, in hier herrschenden 2900m Höhe erst recht nicht. Egal, da muss ich durch. Neben mir keucht Leutnant Wood, hinter mir Sergeant Espinoza und vor mir sprintet in einer Geschwindigkeit die bei dem mitzuschleppenden Gewicht beinahe olympisch zu nennen ist Puchalsky. Nach 500m erreichen wir das Ende der Strasse und dann passiert es natürlich mir: Irgendwas was an mir rumbaumelt verheddert sich und ich falle der Länge nach auf die Strasse, rechts und links schlittern meine Kameras durch den Dreck und irgendwas an meinem linken Ellenbogen brennt ganz heftig. Der sich durch den Krach und mein Fluchen umdrehende Puchalsky fällt rücklings und bleibt wie ein Käfer liegen und nur Zehntelsekunden später überholen Wood und Espinoza Puchalsky und mich, ziehen uns an unseren Westen hinter eine Mauer und winken den Truck rückwärts ran.

Einsteigen, Türen “Combat Locked”, abfahren, Klamottenkontrolle. Allen geht es gut – die Kameras sehen gruselig aus, funktionieren aber einwandfrei … Puchalsky ist nur komplett dreckig, bei mir ist es Hauptsächlich Dreck und ein blutig aufgeschlagener Ellenbogen – nichts Schlimmes also. Dass ich danach erstes Ziel des Spotts bin (erster Kriegsverletzter der Kompanie etc.) – man kann es verstehen. Ich werde, wieder im COP, zum Sani geschleppt, der ziemlich viel Spass dabei hat die Wunde zu säubern, Puchalsky schüttet irgendwelche Energiedrinks in mich rein und wir rauchen mitten im Behandlungszimmer eine Zigarette nach der anderen.

Kneifen gilt aber nicht – dick verpflastert verlasse ich das Sani-Zimmer und es geht wieder raus. Diesmal in Richtung südliche Berghänge wo wir uns relativ entspannt ansehen, wie Mörsergranaten die Hügel auffräsen. Irgendwann ist auch das dann langweilig und es geht wieder zurück in den COP. Ab jetzt mache ich gar nichts mehr – nicht das Puchalsky mit seinem Bauchgefühl noch Recht behält.

Morgen geht’s weiter …jetzt erst mal waschen – ok Flache Wasser über den Kopf reicht auch …

A Ghost in Tower 2

Wir sitzen auf den Stufen vor unser Holzbaracke und verarbeiten gerade die Erlebnisse des Tages – da passiert es. Einer der Soldaten der neben uns in der Baracke wohnt kommt nach seinem Wachdienst schwer bewaffnet um die Ecke gelaufen und behauptet: “There’s a Ghost in Tower 2″. Das setzt den ganzen Erlebnissen des Tages die Krone auf … einer von Denen die beinahe darauf warten ein Feuergefecht zu erleben und meist auf dicke Hose machen, kommt leicht verängstigt um die Ecke und behauptet auch nach Nachfrage er habe einen Geist gesehen – irgendeinen schwarzen tellergrossen Dämonen – und wirkt ziemlich durcheinander. Was immer er auch gesehen hat – vermutlich eine der hier heimischen grossen Spinnen – es ist nicht rauszubekommen. Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hat grinsen Dyfed und ich uns an … solange der Geist nicht zu den hier aufgestellten Dixie-Klos weiterwandert kann uns das egal sein

Der Tag war heftig – wir waren auf einer Mission der Truppen mit im Berggebiet Afghanistans. Mit Helm und mit genug Wasser und der obligatorischen schussicheren Weste bekleidet fahren wir in einem Konvoi aus mehreren MRAPs – angeblich ist er Minensicher und Hinterhalt-geschützt – offiziell heisst das Mine Resident Ambush Protected aus dem COP zu einem 12 km entfernten Checkpoint, den die US-Soldaten zusammen mit der afghanischen Polizei während ihrer 5 Tages-Mission aufgebaut haben. An dieser Stelle hat es immer wieder Angriffe der Aufständischen gegeben, also ist dieser Kontrollpunkt eine Ansammlung von Schuss- und Splittersicheren Barrikaden den sogenannten Hescos aufgebaut worden. Die Mission heute dient dazu diesem Checkpoint noch ein Dach zu verpassen – das soll Sicherheit vor Mörserbeschuss bringen.

Eine Strasse wie die auf der wir fahren habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen. Ein staubige Bergpiste die durch die Bergregion führt, über und über mit riesigen Schlaglöchern versehen und von Flüssen und Bächen überflutet. Das auf dieser Strasse überhaupt Fahrzeuge fahren grenzt an an Wunder – dabei ist es die Hauptverbindungsroute nach Pakistan und nicht nur Militärfahrzeuge nutzen sie sondern auch die überall zu sehenden Jingle-Trucks, knallbunt angemalte uralte LKWs mit denen Waren transportiert werden.Die Fahrt dauert mehr als eine Stunde.

Die grösste Angst der Soldaten ist die vor sogenannten IEDs. (Improvised Explosive Devise), selbstgebaute Bomben, von teilweise so immenser Sprengkraft, dass sogar die stark gepanzerten MRAPs dabei  beschädigt und die Besatzung verletzt werden kann – solche explodieren in der Provinz Praktika beinahe täglich. Aus diesem Grund sind vor den MRAPs Minenwalzen angebracht die die IEDs vor dem Fahrzeug zum Explodieren bringen sollen – dann kracht es zwar heftig, der Fahrzeugbesatzung passiert aber nichts.

Es geht also raus und kurz nachdem wir losgefahren lässt der Turmschütze unseres MRAPs schon das Maschinengewehr loshämmern – das Fahrzeug hinter uns lässt den Granatwerfer los und die Afghanischen Soldaten im Fahrzeug vor uns springen heraus und schiessen mit ihren AK47 Schnellfeuergewehren auf irgendwas rechts und links der Strasse. Das Feuer hört so schnell wieder auf wie es angefangen ist – war nur ein Test ob alle Waffen auch funktionieren … na super …

Am Checkpoint angekommen verfolgen wir kurz die dortigen Bauarbeiten – ein LKW voll Baumaterial wird abgeladen und Soldaten der US-Army sowie afghanische Polizisten fangen munter an Heimwerker zu spielen. OK – das ist langweilig – findet auch Leutnant Chad Christian und fragt ob wir Lust auf wandern haben. In den umliegenden Hügeln haben weitere amerikanische Soldaten Feuerstellungen bezogen die die Bauarbeiten absichern – zu denen wollen wir. So ein richtig munterer Wanderausflug ist das aber nicht. Vollgepackt kraxeln wir zur ersten Stellung an der uns Staff Sergeant Nunez die Umgebung erklärt – er zeigt auf einen höheren Berg vor uns auf dem ein grosser Baum steht und sagt, dass das die Stellung sei von der die Taliban häufig auf sie herunter schiessen. Um näher an diesen “One Tree Hill” heranzukommen gibt es eine weitere Feuerstellung auf einem weiter links liegenden Berg. Zu dieser klettern wir weiter hoch und dabei geht uns fast die Puste aus – in mehr als 2500 m Höhe mit unserem ganzen Geraffelt durch die Hügel zu stapfen ist irre anstrengend.

Wir erreichen die Spitze, die von zwei Soldaten mit Maschinengewehren besetzt ist und haben einen fantastischen Blick auf die Berge Afghanistans. Auf der einen Seite der One Tree Hill auf der anderen Seite die Grenzgebirge in denen die pakistanische Grenze verläuft. Die Gegend ist trotzdem so unwirklich das Dyfed sagt es würde ihn nicht wundern wenn jetzt gleich noch eine Horde Sandmenschen aus Star Wars hier auftauchen. In den nächsten zwei Stunden sitzen wir in der Feuerstellung – nichts passiert und wir schütten dosenweise Energy-Drinks in uns rein und unterhalten uns mit Leutnant Christian, Stapf Sergeant Aras und Private Gloria über Arm, Deutsches Fernsehen, Country-Musik und die Gefahren und Auslandseinsätzen. Teilweise Small-Talk – teilweise sehr erhellende Gespräche in denen wir viele Infos bekommen.

Über Funk bekommen wir Nachricht, dass die US-Soldaten und die afghanische Polizei an der Strasse unten jetzt auch eine Strassensperre errichtet haben – und man fragt mich ob ich Lust habe das zu fotografieren. Habe ich – also geht es den Berg wieder runter und wir erreichen die Sperre an der die afghanischen Zivilfahrzeuge und LKWs angehalten werden, die Fahrer auf Waffen abgetastet werden und die Ladung kontrolliert wird, ausserdem werden von den Fahrern Fingerabdrücke genommen und ein Iris-Scan gemacht. Fahrzeuge mit verschleierten Frauen werden durchgesunken. Die hier oft vorkommenden Nomaden, die Kuchis, die mit ihrer Grossfamilie immer auf Treckern mit Anhängern unterwegs sind und als Schmuggler gelten werden ebenfalls durchgesunken. Den Affront, die Frauen die ebenfalls auf dem Traktoranhängern sind zu kontrollieren, kann man sich wohl nicht leisten. Optisch sind diese Nomadengruppen allerdings ein echtes Spektakel – grellbunte Kleider und die Fahrzeuge sind ebenfalls in allen möglichen Farben angemalt.

Spätnachmittags werden die Kontrollen eingestellt und wir fahren über die extrem staubige Strasse zurück in den COP. Die untergehende Sonne lässt den Staub um die Militärfahrzeuge leuchten – leider kann man das Schauspiel aber nicht fotografieren. Eingeklemmt in diesen mit dutzenden Kabeln und aller möglichen Waffentechnik vollgestopften Fahrzeugen kann man durch die kleinen gepanzerten Scheiben die auch noch mit Raketenabwehrvorhängen versehen sind keine Bilder machen – egal jetzt, Bilder gab es heute schon genug.