Ankunft

Wir sind in Kabul! Dyfed und ich haben nach langem Flug die afghanische Hauptstadt erreicht.

Nachdem die Deutsche Bahn fast die rechtzeitige Ankunft am Flughafen Frankfurt verhindert hat sind mit Zwischenstopp in Dubai in Kabul gelandet.

Allein der dreistündige Flug Dubai – Kabul mit Safi-Airways ist ein Ereignis der besonderen Art. Ein Airbus 320 aber innendrin mit der Ausstattung einer alten Lufthansa-Maschine aus den siebziger Jahren – Röhrenfernseher im Gang von denen kein einziger funktioniert alte ausgelatschte Sitze und an die Handgepäckbegrenzung hält sich kein Mensch.

Die Klappen über den Sitzen quellen über mit diversen Einkäufen der Passagiere aus den unzähligen Duty-Free-Shops des Dubaier Flughafens.

Die ersten Hinweisschilder auf die wir am Flughafen in Dubai treffen waehrend wir das Abflugate der Maschine nach Kabul suchen sind Richtungsangaben zu medizinischem oder religiösem Support.

Ist eine skurrille Mischung von Fluggästen zwischen denen wir Platz nehmen, offensichtliche Söldner, afghanische Familien, diverse männliche und weibliche Aufbauhelfer die irgendwelche Aufbauprojekte betreuen (zwei Deutsche haben wir dabei kennengelernt, die uns von immer schlechter werdenden arbeits- und Aufenthaltsbedingungen vor Ort berichten) und – naja Dyfed und ich.

Eine permanent plappernde Stewardess und superenge Sitze hindern uns wenigstens eine Mütze voll Schlaf zu bekommen … egal jetzt. Wir sind angekommen. Die erste Information die wir von der ISAF bekommen haben war: Der Embed-Status gilt erst ab dem Eintreffen im Einsatzgebiet.

Jegliche Berichterstattung dazwischen hat den Verlust des Embed-Status zur Folge. das heisst für uns: In den nächsten Tagen wird es erst mal keine Meldungen mehr geben. Nachdem wir nun aber fast 36 Stunden auf den Beinen sind tut uns eine Mütze voll Schlaf sicher auch erst mal gut.

American attitude

Ein Soldat der US-Army schuetzt sich vor dem aufwirbelden Staub eines Helikopters auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels / Bayern.

Warum fährst Du ausgerechnet bei den US-Truppen mit? Sobald der kommende Einsatz in Afghanistan thematisiert wird, wird mir häufig diese Frage gestellt. Der erste Grund ist natürlich die nicht vorhandenen Auswahl – ich hatte keine Chance mir das auszusuchen. Es bestand nur diese eine Möglichkeit. Aber selbst wenn ich die Wahl gehabt hätte welche Soldaten ich in welchem Einsatz hätte begleiten können – meine Wahl wäre, insbesondere nach dem bisher Erlebten, garantiert wieder auf die Amerikaner gefallen.

Den zweiten Grund versuche ich einfach ein bisschen näher zu eräutern. Man sollte versuchen vorurteilsfrei an Menschen heran zu gehen – ein schöner Spruch und sicher nicht einfach und insbesondere amerikanische Soldaten haben bei vielen Leuten schon ein sehr “eigenes” Image. Ich gestehe dass auch ich bis zu meinem ersten Kontakt mit den US-Jungs ganz viele Schubladen in meinem Kopf aufgemacht hatte. Alle möglichen Klischees über die “Cowboys” auf der anderen Seite des grossen Teichs  kamen mir in den Sinn. Aber obwohl ich in einem Land lebe in dem seit Jahrzehnten amerikanische Soldaten stationiert sind habe ich erst in den vergangenen Wochen ernsthaften Kontakt bekommen. Ich hatte die Chance mich mit sehr Vielen teils nur sehr oberflächlich während einer Zigarettenpause (Rauchen fördert manchmal die Sozialkompetenz – ein bislang fehlender Schachtelaufdruck) teils über Stunden sehr intensiv zu unterhalten. Wenn man ein Fazit dieser ganzen Gespräche ziehen soll wäre das: Ein paar Klischees haben sich bestätigt – aber ganz viele neue, mir nicht bekannte oder bewusste, grösstenteils sehr positive Einschätzungen sind für mich dazu gekommen.

Natürlich sind auch diese Erfahrungen sehr punktuell und natürlich nicht allgemeingültig, aber ich bin immer wieder überrascht worden!

Was mich besonders überrascht hat war zuallererst die Offenheit und Freundlichkeit mit der ich meistens direkt begrüsst, angesprochen oder aufgenommen worden bin. Vielleicht bin ich nicht sonderlich verwöhnt, da ich als gebürtiger Westfale in Hamburg lebe, einer Stadt in der nach meiner Erfahrung kühle und spröde Menschen dem Klischee des unterkühlten manchmal sogar arroganten Norddeutschen häufig gerecht werden. Ein “good to see you”, “good to have you here”, “warm welcome” – mögen vielleicht nur Floskeln sein, aber Floskeln die auch hier zuhause manchmal erfreulich wären. Ein “schön Dich zu sehen”, “schön dass Du da bist” oder “Herzliches Willkommen” habe ich in Hamburg eher selten gehört.

Dass die Amerikaner die hier in Deutschland stationiert sind nicht wirklich viel über Deutschland wissen – nun ja. Teilweise stimmt das – aber muss man das erwarten? Wie viel weiss ein durchschnitllicher 20-jähriger Deutscher über Amerika? Schulwissen – aber sonst? Die meisten US-Jungs sprechen wenig bis kein Deutsch – stimmt so nicht! Ich habe so Einige getroffen die das ganz gut konnten sich oft aber nicht trauten mit mir in meiner Muttersprache zu kommunizieren.

Ausserdem haben sie den Vorteil eine Sprache zu sprechen, die weltweit eher dem Standard entspricht als die Deutsche. Im übrigen habe ich mehrfach Deutsche im Umfeld der Amerikaner Englisch sprechen hören – das schmerzte in den Ohren auch ziemlich, also …

Den vielgeschmähten Allgemeinbildungsstandard der Amis … hab’ ich so ebenfalls nicht gefunden. Viele der Soldaten mit denen ich bei der Mission Rehearsal unterwegs war waren zwischen 18 und 23 Jahre alt. Irgendwie konnte ich denen nicht verdenken, dass das Hauptinteresse dicken Autos, Mädchen, aktueller Musik und technischen Spielereien wie aktuellsten Handys, iPods, Computern o.ä. galt. Ist das bei uns denn anders?

Andererseits habe ich Soldaten getroffen, die freiwillig versuchten sich Brocken der Afghanischen Landessprachen Dari und Paschtu drauf zu schaffen um vor Ort besser mit der Bevölkerung kommunizieren zu können genau so wie ich einige getroffen denen das total egal war. Die Kompanie (mit ca. 200 Soldaten) mit der ich unterwegs war war ein absoluter Mix aus Menschen verschiedenster Bildungsgrade, sozialer Schichten, Interessen und Herkunft.

Dyfed und ich haben mal die Bundesstaaten mitgezählt aus denen sie alle kamen: Florida, Kalifornien, Texas, Detroit, Washington, Arkansas, Wisconsin und noch viel mehr … kreuz und quer durch Amerika. Einige standen auf Black-Music, andere auf Country – wir haben zwei farbige Sergeants getroffen, die headbangend im Küchenzelt zur Musik von Nirwana standen. Ebenso wie einen 19jährigen Private der selbst Rap-Mix-Tapes macht. Wir haben Schwärmereinen über aufgeblasene Pickup Trucks genau so zugehört wie Loblieder auf einen VW-Golf. Der beste Präsident den Amerika je hatte war Ronald Reagan, sagte einer, ein anderer fand Barack Obama grossartig. Auf die Frage was als Karriere nach der Army kommen soll bekamen wir von Schulterzucken bis hin zu der ausgearbeiteten Idee einen Fahrradladen in Schottland aufzumachen so ziemlich jede Antwort und während einer gerade die Deutsche Hauptstadt kannte, kannte ein anderer alle Landkreise Nordrhein-Westfalens.

Wir waren nur in einer Ranger-Einheit, aber ich glaube in den ganzen anderen Truppenteilen der US-Army sieht das nicht anders aus.

Dass sich die akademische Elite nicht zum Truppendienst entscheidet ist bei der Bundeswehr auch nicht anders, oder? Und dass die US-Army ihren Soldaten ein sicheres Einkommen und soziale Absicherung ermöglicht, dass nur US-Soldaten eine funktionierende Krankenversicherung für sich und ihre Familien haben – wer will es ihnen übelnehmen. Ist das beim Auslandseinsatz der Bundeswehr-Soldaten nicht ähnlich?

Gerade die Bundeswehr wirbt doch mit dem Slogan eines interessanten und abwechslungsreichen Jobs. Eine Herausforderung – nur, und das ist die Kehrseite der Medaille: Im Zweifelsfall wird man in einen Krieg geschickt. Ob man nun will oder nicht. Das gehört zu diesem “Job” dazu! Soll man Menschen für die Entscheidung einen Beruf als Soldat zu wählen verachten?

Ob die politischen Gründe für einen solchen Krieg richtig sind mögen andere beurteilen ob das was Amerika in Afghanistan macht richtig ist – auch dazu mag ich mich (noch) nicht äussern. Im übrigen habe ich festgestellt, dass es dem einfachen Frontsoldaten ziemlich egal ist wie die politsiche Situation ist – für ihn ist es ein Job, den er zu erledigen hat. Ob das die richtige Sichtweise ist? Ich kann es nicht beurteilen, aber ein Frontsoldat führt keine Dikussionen über Sinn und Unsinn von bewaffneten Konflikten auf deren Durchführung oder Sinnhaftigkeit er sowieso keinen Einfluss hat – das zumindest ist meine Erfahrung.

Vielleicht ist das eine Art Selbstschutz. Zumindest habe ich in einem langen Gespräch mit einem Staff-Sergeant aus Mississippi einen Satz gehört der mich erstaunt hat. Er sagt: “I thought, that the whole world is thinking of us as the the good guys. Now after several years in the army i believe that it is a shame being that arrogant! I thought is was right sending the army to Afghanistan – now i believe it would be the best to get out a.s.a.p

Sie haben mich mehr als dieses eine Mal in Erstaunen versetzt – die Soldaten der US-Army. Ich bin weit davon weg ein Heldenlied auf sie anzustimmen aber genau so weit weg davon sie zu verurteilen. Ich werde als Embedded Photographer eine Weile mit ihnen unterwegs sein – und das tun was ich auf die Frage, was sie von mir erwarten immer zu hören bekommen habe: Be fair!