Risiken und Nebenwirkungen

Ein Soldat der 172. Seperate Infantry Brigade der US-Army patroulliert auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels in einem Waldstueck.

Zwischen den Einträgen über Vorbereitung, US-Truppen etc. ist vielleicht ein kurzes Innehalten angebracht um sich mit der Arbeit in einem Kriegsgebiet auseinanderzusetzen. Was um alles in der Welt will man da, was will ich da? Was bezweckt die fotografische Arbeit da?

Diese Frage habe ich so einigen erfahrenen Kollegen gestellt, die ich im Vorfeld bereits gesprochen habe und ich glaube die Antwort ist weitaus komplexer als es im ersten Moment scheint. Die Frage habe ich bereits im allersten Post in diesem Blog selbst gestellt und eigentlich nur oberflächlich beantwortet – eine nähere Beschäftigung damit scheint auf jeden Fall unvermeidlich.

Erste Reaktionen aus dem privaten Umfeld schwanken zwischen harscher Kritik (“Du bist ein Spinner!” oder “Das ist doch geistesgestört!”) und starkem Interesse (“Das klingt sehr spannend!” oder “Das würde ich auch gerne mal machen!”)

Einige sehen das Risiko und die Gefahr eines solchen Einsatzes, andere wiederum sehen nur das “Abenteuer” wieder andere langweilt die blosse Auseinadersetzung mit dem Thema.

Angefangen bei der Krankenversicherung – die sieht das Thema geschäftlich professionell und erklärt die Nichtwirksamkeit ihrer Versicherungsleistungen in einem Kriegsgebiet. Da man aber für Geld bekanntlich alles kaufen kann, kann man auch hier eine Zusatzversicherung für den Zeitraum abschliessen. Die ist zwar teuer – aber zumindest sinnvoll.

Die Berufsgenossenschaft reagiert auch gelassen – wenn man einen Vorbereitungslehrgang gemacht hat (den kann man zumindest bei der Bundeswehr machen: “Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten” -  die Berufsgenossenschaft zahlt den sogar) ist man bestens vorbereitet (glauben sie) und sie kommen für evtl. Schäden auf – so man auch bei denen eine Art Berufsunfallversicherung abgeschlossen hat. Ob dieser Lehrgang bei einem Embed Sinn macht – die Frage wird nicht gestellt. Aber um einen Embed zu machen muss man ja auch den Lehrgang zusammen mit der Truppe bei der man eingesetzt wir machen. Für uns war das die schon mehrfach erwähnte “Mission Rehearsal” in Hohenfels.

Das ganze Equipment ist interessanterweise leichter zu versichern. Kameras, Objektive – kein Problem. Das ganze Zeug kann ruhig kaputt gehen – am Ende zahlt es die Versicherung wenn im Kleingedruckten explizit auch Kriegs- und Krisengebiete ausgewiesen sind.

Aber wer versichert einem nun, dass einem nichts passiert? Das kann eben niemand! Kein Soldat fährt in dem Bewusstsein, dass er nicht auch ernstlich verletzt oder getötet werden kann in einen solchen Einsatz und kein Journalist sollte so blauäugig sein anzunehmen, dass ihm schon nichts passieren wird.

Trotz allem ist damit immer noch nicht definiert wie hoch das Risiko tatsächlich ist. Es macht natürlich einen Riesen-Unterschied, wo man eingestzt wird und was man macht. So bekommt z.B. ein Stabsoffizier, der niemals das Hauptquartier verlässt und sich immer nur in militärischen Grossbasen aufhält (das passiert im Übrigen wohl ziemlich häufig) vom Krieg in Afghanistan etwas genau so viel mit wie ein Durchschnitsseuropaer vor dem Fernseher.

Bei einem Frontsoldaten auf Patrouille im Kampfgebiet sieht das schon ganz anders aus. Der ist permanent hoch gefährdet. Dasselbe gilt für Journalisten – ist man bei den Fronteinsätzen draussen dabei, oder schlendert man durch die Militärbasen so nach dem “me too Motto” – ich war auch dabei …

Die Frage sollte erlaubt sein – wer um alles in der Welt braucht denn noch Kriegsfotos. Das Schrecken des Krieges ist in unfassbar vielen guten eindringlichen Bilder dokumentiert Wer da noch glaubt, das toppen zu können erscheint zumindest mir ein bisschen weltfremd. Und die Begründung der ganzen Journalisten, neue Winkel des immer wieder gleichen Themas finden und zeigen zu wollen erscheint ein bisschen unglaubwürdig. Mir zumindest ist die Begründung ein bisschen zu fade.

Die ganzen Capas, Nachtweys, Turnleys, Hetheringtons dieser Welt – sind das vielleicht doch nur Adrenalinjunkies, die den Kick suchen und ihn mit ihrer Arbeit legitimieren? Nicht dass ich mich mit diesen wirklich brillianten Fotografen auf eine Stufe stellen will – die fotografieren in einer anderen Liga zu der ich mich nicht zugehörig fühle – aber ich kann mir schon vorstellen, dass dieser Rausch, der Gefahr ausgesetzt und ihr wieder entkommen zu sein ein ziemlich heftiger ist. Ist es also die journalistische Legitimation für die Droge Krieg, von der sie nicht mehr loskommen? Ob man auf eine solche Frage wohl eine ehrliche Antwort bekommt? Würde man sie mit nämlich mit ja beantworten wäre damit ja gleichzeitig auch der Nutzen der Arbeit in Frage gestellt. Eine bittere Erkenntnis!

Auf den Rausch eines Feuergefechts oder unmittelbare Gefahr und Bedrohung durch Anschläge, Autobomben etc. kann ich gerne verzichten. Um da freiwillig mitzumachen bin ich vermutlich ein viel zu grosser Angsthase – und selbst wenn ich es tun würde, was für Bilder kommen dabei raus. Wie gesagt – ich wüsste keines, das noch nicht gemacht worden wäre und zwar besser als ich es je machen könnte. Und die Hardcore-Sprüche wie “wenn Deine Bilder nicht gut genug sind warst Du nicht nah genug dran”, klingen auch ein bisschen wie Testosterongesteuertes Heldengelaber! Eine Art Selbstlegitimation für Kamikazeaktionen …

Vielleicht hatte das noch einen Sinn, als Kriegsfotografie neu war, als Bilder verbreitet wurden die so noch nie gemacht oder gesehen wurden. Capas Bilder der Invasion in der Normandie – unglaubliche Zeitdokumente in so noch nie gesehener Intensität. Seitdem sind aber nun Jahrzehnte vergangen und eine wahre Bilderflut prasselt bei jedem bewaffneten Konflikt auf uns herein. Die US-Einheiten, die in Afghanistan operieren haben, ob man es glaubt oder nicht, sogar eigene Facebookseiten auf die sie selbst Bilder ihrer Einsätze stellen. Wer glaubt also noch bisher nicht gesehenes mit seinen Bildern zeigen zu können? Warum also fahre ich da mit?

Um mir darüber klar zu werden war der Lehrgang in Hohenfels ganz wichtig. Nicht nur dass ich mit dem täglichen Einerlei einer Militärmaschinerie ein bisschen vertrauter geworden bin, ich habe durch den Kontakt mit den Soldaten und Gesprächen die ich geführt habe langsam angefangen zu finden, was ich gesucht habe, nämlich die Geschichte die ich bebildern will.

Wenn man unter die zehn Jahre Krieg in Afghanistan einen grossen Strich und ein Fazit ziehen würde zu was für einem käme man? Es ist meiner Meinung nach ein Konflikt zweier verschiedenen Kulturen wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Nichts scheint kompatibel zwischen den USA und Afghanistan. Nicht die Religion, nicht die Lebensweise, nicht die Ansichten, ja nicht einmal die Lebenserfahrungen des Alltäglichen. Nichts aber auch gar nichts scheint zueinander zu passen und doch stehen sich diese grundverschiedenen Mentalitäten und Kulturen gegenüber. Kritisch, vorurteilsbehaftet, feindlich, verständnislos, ängstlich und unversöhnlich.

Und hier kommt mein Ansatz hinzu. Die Einheit mit der ich mitfahre hat den Auftrag die afghanische Zivilbevölkerung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu unterstützen. Es soll zivile Wiederaufbauprojekte geben, es soll der Versuch eines Miteinanders gestartet werden. Dabei werden die US-Soldaten direkt mit den Afghanen konfrontiert sein und dieser Zwang miteinander umgehen zu müssen, eine und sei sie auch noch so kleine Basis für eine beidseitige Kommunikation aufbauen zu müssen. Das finde ich hochinteressant – dieses Aufeinanderprallen von Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können mitzuerleben und zu visualisieren. Ich will sehen wie es ist wenn es zu solchen Begegnungen kommt versuchen das in Bilder umzusetzen.

Es ist nicht das Kämpfen dieser beiden Parteien gegeneinander was mich reizt zu begleiten es ist die Anforderung an Soldaten und Zivilbevölkerung aufeinander zugehen zu müssen um Kommunikation überhaupt erst mal zu beginnen die ich in meinen Bildern festhalten will.

Ich habe Bilder dieser Art gesucht und natürlich auch da so Einiges gefunden. Aber die Möglichkeiten in diesem thematischen Umfeld erscheinen mir als noch nicht ausgereizt.

Natürlich ist auch das nicht risikolos. Es findet zwischen verfeindeten Parteien in einem Kriegsgebiet statt. Es ist immer erforderlich eine schusssichere Weste und Helm zu tragen. Niemand kann prognostizieren was wirklich passieren wird, aber ich schliesse mich keinen Truppen an die einen Kampfauftrag haben und ich gehe nicht in ein Gebiet wo schon im Vorfeld klar ist dass es hier zu Kampfhandlungen kommt oder wo sich bewaffnete Kämpfer gegenüber stehen. Ich gehe dahin wo es friedlichen Kontakt geben soll. Würde ich die “klassischen Kriegsbilder” machen wollen wäre dieses Einsatzgebiet sicher das Falsche – da hätte ich andere Bereiche in Afghanistan aussuchen müssen – dahin will ich nicht!

 

 

 

Ein Gedanke zu “Risiken und Nebenwirkungen