Risiken und Nebenwirkungen

Ein Soldat der 172. Seperate Infantry Brigade der US-Army patroulliert auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels in einem Waldstueck.

Zwischen den Einträgen über Vorbereitung, US-Truppen etc. ist vielleicht ein kurzes Innehalten angebracht um sich mit der Arbeit in einem Kriegsgebiet auseinanderzusetzen. Was um alles in der Welt will man da, was will ich da? Was bezweckt die fotografische Arbeit da?

Diese Frage habe ich so einigen erfahrenen Kollegen gestellt, die ich im Vorfeld bereits gesprochen habe und ich glaube die Antwort ist weitaus komplexer als es im ersten Moment scheint. Die Frage habe ich bereits im allersten Post in diesem Blog selbst gestellt und eigentlich nur oberflächlich beantwortet – eine nähere Beschäftigung damit scheint auf jeden Fall unvermeidlich.

Erste Reaktionen aus dem privaten Umfeld schwanken zwischen harscher Kritik (“Du bist ein Spinner!” oder “Das ist doch geistesgestört!”) und starkem Interesse (“Das klingt sehr spannend!” oder “Das würde ich auch gerne mal machen!”)

Einige sehen das Risiko und die Gefahr eines solchen Einsatzes, andere wiederum sehen nur das “Abenteuer” wieder andere langweilt die blosse Auseinadersetzung mit dem Thema.

Angefangen bei der Krankenversicherung – die sieht das Thema geschäftlich professionell und erklärt die Nichtwirksamkeit ihrer Versicherungsleistungen in einem Kriegsgebiet. Da man aber für Geld bekanntlich alles kaufen kann, kann man auch hier eine Zusatzversicherung für den Zeitraum abschliessen. Die ist zwar teuer – aber zumindest sinnvoll.

Die Berufsgenossenschaft reagiert auch gelassen – wenn man einen Vorbereitungslehrgang gemacht hat (den kann man zumindest bei der Bundeswehr machen: “Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten” -  die Berufsgenossenschaft zahlt den sogar) ist man bestens vorbereitet (glauben sie) und sie kommen für evtl. Schäden auf – so man auch bei denen eine Art Berufsunfallversicherung abgeschlossen hat. Ob dieser Lehrgang bei einem Embed Sinn macht – die Frage wird nicht gestellt. Aber um einen Embed zu machen muss man ja auch den Lehrgang zusammen mit der Truppe bei der man eingesetzt wir machen. Für uns war das die schon mehrfach erwähnte “Mission Rehearsal” in Hohenfels.

Das ganze Equipment ist interessanterweise leichter zu versichern. Kameras, Objektive – kein Problem. Das ganze Zeug kann ruhig kaputt gehen – am Ende zahlt es die Versicherung wenn im Kleingedruckten explizit auch Kriegs- und Krisengebiete ausgewiesen sind.

Aber wer versichert einem nun, dass einem nichts passiert? Das kann eben niemand! Kein Soldat fährt in dem Bewusstsein, dass er nicht auch ernstlich verletzt oder getötet werden kann in einen solchen Einsatz und kein Journalist sollte so blauäugig sein anzunehmen, dass ihm schon nichts passieren wird.

Trotz allem ist damit immer noch nicht definiert wie hoch das Risiko tatsächlich ist. Es macht natürlich einen Riesen-Unterschied, wo man eingestzt wird und was man macht. So bekommt z.B. ein Stabsoffizier, der niemals das Hauptquartier verlässt und sich immer nur in militärischen Grossbasen aufhält (das passiert im Übrigen wohl ziemlich häufig) vom Krieg in Afghanistan etwas genau so viel mit wie ein Durchschnitsseuropaer vor dem Fernseher.

Bei einem Frontsoldaten auf Patrouille im Kampfgebiet sieht das schon ganz anders aus. Der ist permanent hoch gefährdet. Dasselbe gilt für Journalisten – ist man bei den Fronteinsätzen draussen dabei, oder schlendert man durch die Militärbasen so nach dem “me too Motto” – ich war auch dabei …

Die Frage sollte erlaubt sein – wer um alles in der Welt braucht denn noch Kriegsfotos. Das Schrecken des Krieges ist in unfassbar vielen guten eindringlichen Bilder dokumentiert Wer da noch glaubt, das toppen zu können erscheint zumindest mir ein bisschen weltfremd. Und die Begründung der ganzen Journalisten, neue Winkel des immer wieder gleichen Themas finden und zeigen zu wollen erscheint ein bisschen unglaubwürdig. Mir zumindest ist die Begründung ein bisschen zu fade.

Die ganzen Capas, Nachtweys, Turnleys, Hetheringtons dieser Welt – sind das vielleicht doch nur Adrenalinjunkies, die den Kick suchen und ihn mit ihrer Arbeit legitimieren? Nicht dass ich mich mit diesen wirklich brillianten Fotografen auf eine Stufe stellen will – die fotografieren in einer anderen Liga zu der ich mich nicht zugehörig fühle – aber ich kann mir schon vorstellen, dass dieser Rausch, der Gefahr ausgesetzt und ihr wieder entkommen zu sein ein ziemlich heftiger ist. Ist es also die journalistische Legitimation für die Droge Krieg, von der sie nicht mehr loskommen? Ob man auf eine solche Frage wohl eine ehrliche Antwort bekommt? Würde man sie mit nämlich mit ja beantworten wäre damit ja gleichzeitig auch der Nutzen der Arbeit in Frage gestellt. Eine bittere Erkenntnis!

Auf den Rausch eines Feuergefechts oder unmittelbare Gefahr und Bedrohung durch Anschläge, Autobomben etc. kann ich gerne verzichten. Um da freiwillig mitzumachen bin ich vermutlich ein viel zu grosser Angsthase – und selbst wenn ich es tun würde, was für Bilder kommen dabei raus. Wie gesagt – ich wüsste keines, das noch nicht gemacht worden wäre und zwar besser als ich es je machen könnte. Und die Hardcore-Sprüche wie “wenn Deine Bilder nicht gut genug sind warst Du nicht nah genug dran”, klingen auch ein bisschen wie Testosterongesteuertes Heldengelaber! Eine Art Selbstlegitimation für Kamikazeaktionen …

Vielleicht hatte das noch einen Sinn, als Kriegsfotografie neu war, als Bilder verbreitet wurden die so noch nie gemacht oder gesehen wurden. Capas Bilder der Invasion in der Normandie – unglaubliche Zeitdokumente in so noch nie gesehener Intensität. Seitdem sind aber nun Jahrzehnte vergangen und eine wahre Bilderflut prasselt bei jedem bewaffneten Konflikt auf uns herein. Die US-Einheiten, die in Afghanistan operieren haben, ob man es glaubt oder nicht, sogar eigene Facebookseiten auf die sie selbst Bilder ihrer Einsätze stellen. Wer glaubt also noch bisher nicht gesehenes mit seinen Bildern zeigen zu können? Warum also fahre ich da mit?

Um mir darüber klar zu werden war der Lehrgang in Hohenfels ganz wichtig. Nicht nur dass ich mit dem täglichen Einerlei einer Militärmaschinerie ein bisschen vertrauter geworden bin, ich habe durch den Kontakt mit den Soldaten und Gesprächen die ich geführt habe langsam angefangen zu finden, was ich gesucht habe, nämlich die Geschichte die ich bebildern will.

Wenn man unter die zehn Jahre Krieg in Afghanistan einen grossen Strich und ein Fazit ziehen würde zu was für einem käme man? Es ist meiner Meinung nach ein Konflikt zweier verschiedenen Kulturen wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Nichts scheint kompatibel zwischen den USA und Afghanistan. Nicht die Religion, nicht die Lebensweise, nicht die Ansichten, ja nicht einmal die Lebenserfahrungen des Alltäglichen. Nichts aber auch gar nichts scheint zueinander zu passen und doch stehen sich diese grundverschiedenen Mentalitäten und Kulturen gegenüber. Kritisch, vorurteilsbehaftet, feindlich, verständnislos, ängstlich und unversöhnlich.

Und hier kommt mein Ansatz hinzu. Die Einheit mit der ich mitfahre hat den Auftrag die afghanische Zivilbevölkerung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu unterstützen. Es soll zivile Wiederaufbauprojekte geben, es soll der Versuch eines Miteinanders gestartet werden. Dabei werden die US-Soldaten direkt mit den Afghanen konfrontiert sein und dieser Zwang miteinander umgehen zu müssen, eine und sei sie auch noch so kleine Basis für eine beidseitige Kommunikation aufbauen zu müssen. Das finde ich hochinteressant – dieses Aufeinanderprallen von Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können mitzuerleben und zu visualisieren. Ich will sehen wie es ist wenn es zu solchen Begegnungen kommt versuchen das in Bilder umzusetzen.

Es ist nicht das Kämpfen dieser beiden Parteien gegeneinander was mich reizt zu begleiten es ist die Anforderung an Soldaten und Zivilbevölkerung aufeinander zugehen zu müssen um Kommunikation überhaupt erst mal zu beginnen die ich in meinen Bildern festhalten will.

Ich habe Bilder dieser Art gesucht und natürlich auch da so Einiges gefunden. Aber die Möglichkeiten in diesem thematischen Umfeld erscheinen mir als noch nicht ausgereizt.

Natürlich ist auch das nicht risikolos. Es findet zwischen verfeindeten Parteien in einem Kriegsgebiet statt. Es ist immer erforderlich eine schusssichere Weste und Helm zu tragen. Niemand kann prognostizieren was wirklich passieren wird, aber ich schliesse mich keinen Truppen an die einen Kampfauftrag haben und ich gehe nicht in ein Gebiet wo schon im Vorfeld klar ist dass es hier zu Kampfhandlungen kommt oder wo sich bewaffnete Kämpfer gegenüber stehen. Ich gehe dahin wo es friedlichen Kontakt geben soll. Würde ich die “klassischen Kriegsbilder” machen wollen wäre dieses Einsatzgebiet sicher das Falsche – da hätte ich andere Bereiche in Afghanistan aussuchen müssen – dahin will ich nicht!

 

 

 

Die Truman-Show – Part 2

Blick auf den COP (Combat Outpost) - eine befestigte Feuerstellung auf dem Truppenuebungsplatz Hohenfels / Bayern.

Wir sollen nach einem Tag in der Forward Operating Base (dem riesigen Zeltlager auf dem Truppenübungsplatz) zum Combat Outpost (COP), einer befestigten Feuerstellung in der die Kompanie stationiert ist, der wir zugeordnet werden, befördert werden. Da das alles unter möglichst realistischen Bedingungen erfolgen soll müssen wir wieder warten. Es müssen mindestens 4 Fahrzeuge gemeinsam fahren – Fahrten einzelner Fahrzeuge sind im Kriegsgebiet nicht erlaubt.

Startbereite Humvees sind genügend da – daran kann es gerade nicht liegen. Das Problem sind die sogenannten “Trip-Tickets”, die nicht vorhanden sind. Jeder Soldat der sich ausserhalb des Einsatzlagers bewegt muss auf einer Liste stehen, damit bekannt ist, dass er unterwegs ist. Wir müssen das auch. Nach einer Stunde werden die Listen dann einfach selbst geschrieben: Name, Dienstgrad, Einheit, Ziel, Blutgruppe … was soll ich da jetzt reinschreiben? Axel, Fotograf, dapd, 5km weiter, A Rh neg, – am besten nicht Fragen.

Mein Trip-Ticket wird akzeptiert und ich steige in einen Humvee der nach 100 Metern leider nicht mehr weiterfährt. Motorprobleme. Also steht auch der Rest der Fahrzeuge … oje!

Die Fahrzeug-Besatzung sucht den Fehler an ihrem Truck. Es werden irgendwelche Kabel abgezogen, Kontakte gereinigt, Kabel umgesteckt – es rührt sich nichts. Das erinnert mich ein bisschen an die Modelleisenbahn, die ich als Kind besessen habe. Das habe ich auch immer an der Elektrik rumgestöpselt und es funktionierte wenn überhaupt dann erst nach sehr viel Try and Error. Irgendein Sergeant löst das Problem in dem er einfach alle griffbereiten Kabel aus irgendeiner Klappe unter dem Lenkrad herauszieht und in den Fussraum baumeln lässt. Erstaunlicherweise funktioniert die Kiste danach problemlos. Am besten nicht Fragen … we’re rollin’!

- kleine Anmerkung: Diese ganzen Akronyme wie TOC, COP, MRE, FOB etc. haben mich verrückt gemacht. Die Soldaten schaffen es zeitweilig sich nur mit diesen Abkürzungen zu unterhalten. Es gibt unzählig Viele, für alle militärischen und nicht-militärischen Begriffe. Und wenn man einer normalen Unterhaltung zwischen Soldaten folgen will ist man am Anfang hauptsächlich damit beschäftigt nachzufragen was denn DAS schon wieder heisst.
Irgendwann habe ich es aufgegeben sie alle verstehen zu wollen. Die wichtigsten habe ich inzwischen drauf – ist ja letztendlich auch ganz praktisch zu wissen dass ein IED ein Improvised Explosive Devices ist. Also eine Sprengfalle über die man nach Möglichkeit nicht drüberfahren oder drauftreten sollte – denn dann krachts ganz heftig. Das dagegen ein MRE – ein Meal Ready to Eat ist muss man nicht unbedingt wissen. Zum Essen wird man meistens gerufen.

Part 3 folgt …

 

American attitude

Ein Soldat der US-Army schuetzt sich vor dem aufwirbelden Staub eines Helikopters auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels / Bayern.

Warum fährst Du ausgerechnet bei den US-Truppen mit? Sobald der kommende Einsatz in Afghanistan thematisiert wird, wird mir häufig diese Frage gestellt. Der erste Grund ist natürlich die nicht vorhandenen Auswahl – ich hatte keine Chance mir das auszusuchen. Es bestand nur diese eine Möglichkeit. Aber selbst wenn ich die Wahl gehabt hätte welche Soldaten ich in welchem Einsatz hätte begleiten können – meine Wahl wäre, insbesondere nach dem bisher Erlebten, garantiert wieder auf die Amerikaner gefallen.

Den zweiten Grund versuche ich einfach ein bisschen näher zu eräutern. Man sollte versuchen vorurteilsfrei an Menschen heran zu gehen – ein schöner Spruch und sicher nicht einfach und insbesondere amerikanische Soldaten haben bei vielen Leuten schon ein sehr “eigenes” Image. Ich gestehe dass auch ich bis zu meinem ersten Kontakt mit den US-Jungs ganz viele Schubladen in meinem Kopf aufgemacht hatte. Alle möglichen Klischees über die “Cowboys” auf der anderen Seite des grossen Teichs  kamen mir in den Sinn. Aber obwohl ich in einem Land lebe in dem seit Jahrzehnten amerikanische Soldaten stationiert sind habe ich erst in den vergangenen Wochen ernsthaften Kontakt bekommen. Ich hatte die Chance mich mit sehr Vielen teils nur sehr oberflächlich während einer Zigarettenpause (Rauchen fördert manchmal die Sozialkompetenz – ein bislang fehlender Schachtelaufdruck) teils über Stunden sehr intensiv zu unterhalten. Wenn man ein Fazit dieser ganzen Gespräche ziehen soll wäre das: Ein paar Klischees haben sich bestätigt – aber ganz viele neue, mir nicht bekannte oder bewusste, grösstenteils sehr positive Einschätzungen sind für mich dazu gekommen.

Natürlich sind auch diese Erfahrungen sehr punktuell und natürlich nicht allgemeingültig, aber ich bin immer wieder überrascht worden!

Was mich besonders überrascht hat war zuallererst die Offenheit und Freundlichkeit mit der ich meistens direkt begrüsst, angesprochen oder aufgenommen worden bin. Vielleicht bin ich nicht sonderlich verwöhnt, da ich als gebürtiger Westfale in Hamburg lebe, einer Stadt in der nach meiner Erfahrung kühle und spröde Menschen dem Klischee des unterkühlten manchmal sogar arroganten Norddeutschen häufig gerecht werden. Ein “good to see you”, “good to have you here”, “warm welcome” – mögen vielleicht nur Floskeln sein, aber Floskeln die auch hier zuhause manchmal erfreulich wären. Ein “schön Dich zu sehen”, “schön dass Du da bist” oder “Herzliches Willkommen” habe ich in Hamburg eher selten gehört.

Dass die Amerikaner die hier in Deutschland stationiert sind nicht wirklich viel über Deutschland wissen – nun ja. Teilweise stimmt das – aber muss man das erwarten? Wie viel weiss ein durchschnitllicher 20-jähriger Deutscher über Amerika? Schulwissen – aber sonst? Die meisten US-Jungs sprechen wenig bis kein Deutsch – stimmt so nicht! Ich habe so Einige getroffen die das ganz gut konnten sich oft aber nicht trauten mit mir in meiner Muttersprache zu kommunizieren.

Ausserdem haben sie den Vorteil eine Sprache zu sprechen, die weltweit eher dem Standard entspricht als die Deutsche. Im übrigen habe ich mehrfach Deutsche im Umfeld der Amerikaner Englisch sprechen hören – das schmerzte in den Ohren auch ziemlich, also …

Den vielgeschmähten Allgemeinbildungsstandard der Amis … hab’ ich so ebenfalls nicht gefunden. Viele der Soldaten mit denen ich bei der Mission Rehearsal unterwegs war waren zwischen 18 und 23 Jahre alt. Irgendwie konnte ich denen nicht verdenken, dass das Hauptinteresse dicken Autos, Mädchen, aktueller Musik und technischen Spielereien wie aktuellsten Handys, iPods, Computern o.ä. galt. Ist das bei uns denn anders?

Andererseits habe ich Soldaten getroffen, die freiwillig versuchten sich Brocken der Afghanischen Landessprachen Dari und Paschtu drauf zu schaffen um vor Ort besser mit der Bevölkerung kommunizieren zu können genau so wie ich einige getroffen denen das total egal war. Die Kompanie (mit ca. 200 Soldaten) mit der ich unterwegs war war ein absoluter Mix aus Menschen verschiedenster Bildungsgrade, sozialer Schichten, Interessen und Herkunft.

Dyfed und ich haben mal die Bundesstaaten mitgezählt aus denen sie alle kamen: Florida, Kalifornien, Texas, Detroit, Washington, Arkansas, Wisconsin und noch viel mehr … kreuz und quer durch Amerika. Einige standen auf Black-Music, andere auf Country – wir haben zwei farbige Sergeants getroffen, die headbangend im Küchenzelt zur Musik von Nirwana standen. Ebenso wie einen 19jährigen Private der selbst Rap-Mix-Tapes macht. Wir haben Schwärmereinen über aufgeblasene Pickup Trucks genau so zugehört wie Loblieder auf einen VW-Golf. Der beste Präsident den Amerika je hatte war Ronald Reagan, sagte einer, ein anderer fand Barack Obama grossartig. Auf die Frage was als Karriere nach der Army kommen soll bekamen wir von Schulterzucken bis hin zu der ausgearbeiteten Idee einen Fahrradladen in Schottland aufzumachen so ziemlich jede Antwort und während einer gerade die Deutsche Hauptstadt kannte, kannte ein anderer alle Landkreise Nordrhein-Westfalens.

Wir waren nur in einer Ranger-Einheit, aber ich glaube in den ganzen anderen Truppenteilen der US-Army sieht das nicht anders aus.

Dass sich die akademische Elite nicht zum Truppendienst entscheidet ist bei der Bundeswehr auch nicht anders, oder? Und dass die US-Army ihren Soldaten ein sicheres Einkommen und soziale Absicherung ermöglicht, dass nur US-Soldaten eine funktionierende Krankenversicherung für sich und ihre Familien haben – wer will es ihnen übelnehmen. Ist das beim Auslandseinsatz der Bundeswehr-Soldaten nicht ähnlich?

Gerade die Bundeswehr wirbt doch mit dem Slogan eines interessanten und abwechslungsreichen Jobs. Eine Herausforderung – nur, und das ist die Kehrseite der Medaille: Im Zweifelsfall wird man in einen Krieg geschickt. Ob man nun will oder nicht. Das gehört zu diesem “Job” dazu! Soll man Menschen für die Entscheidung einen Beruf als Soldat zu wählen verachten?

Ob die politischen Gründe für einen solchen Krieg richtig sind mögen andere beurteilen ob das was Amerika in Afghanistan macht richtig ist – auch dazu mag ich mich (noch) nicht äussern. Im übrigen habe ich festgestellt, dass es dem einfachen Frontsoldaten ziemlich egal ist wie die politsiche Situation ist – für ihn ist es ein Job, den er zu erledigen hat. Ob das die richtige Sichtweise ist? Ich kann es nicht beurteilen, aber ein Frontsoldat führt keine Dikussionen über Sinn und Unsinn von bewaffneten Konflikten auf deren Durchführung oder Sinnhaftigkeit er sowieso keinen Einfluss hat – das zumindest ist meine Erfahrung.

Vielleicht ist das eine Art Selbstschutz. Zumindest habe ich in einem langen Gespräch mit einem Staff-Sergeant aus Mississippi einen Satz gehört der mich erstaunt hat. Er sagt: “I thought, that the whole world is thinking of us as the the good guys. Now after several years in the army i believe that it is a shame being that arrogant! I thought is was right sending the army to Afghanistan – now i believe it would be the best to get out a.s.a.p

Sie haben mich mehr als dieses eine Mal in Erstaunen versetzt – die Soldaten der US-Army. Ich bin weit davon weg ein Heldenlied auf sie anzustimmen aber genau so weit weg davon sie zu verurteilen. Ich werde als Embedded Photographer eine Weile mit ihnen unterwegs sein – und das tun was ich auf die Frage, was sie von mir erwarten immer zu hören bekommen habe: Be fair!

 

 

Die Truman-Show – Part 1

Der Autor fotografiert bei Nacht in einem Camp des JMRC abrückende US-Truppen. Foto: John Dyfed Loesche

Eine stundenlange Autofahrt bringt Dyfed und mich im März zum JMRC in Hohenfels / Bayern. Das Joint Multinational Readiness Center ist ein riesiger Truppenübungsplatz auf dem die amerikanischen Streitkräfte (und Streitkräfte verbündeter Nationen) für ihre Einsätze trainiert und vorbereitet werden.

Major Nick Sternberg empfängt Dyfed und mich und zeigt uns die obligate Einführuns-Power-Point-Präsentationen über das JMRC,  händigt uns Splitterschutzbrillen, schussichere Westen und das M.I.L.E.S.-System, welches per Tonsignal anzeigt ob wir von in einem Gefecht getroffen worden sind, aus. (Unser M.I.L.E.S.-System hat keine Batterien – wir sind also unverwundbar)

Danach werden wir an den Presseoffizier Major Joseph Buccino übergeben. Begrüssungen, Erklärungen, Vorstellungen aller Mitarbeiter des Pressestabs – es ist spät am Abend bis wir in einer Truppenunterkunft auf dem Gelände unsere erste Schlafstätte finden.

Es ist die unwirkliche Welt des Militärs in der wir uns nun befinden und auch das Frühstück am kommenden Morgen ist noch ziemlich surreal. Verschiedene Fertiggerichte auf Pappgeschirr in einem Speisesaal mit Soldaten aus verschiedensten Nationen – so hab ich noch nie gefrühstückt.

Wir rücken aus in die von den Soldaten so genannte Truman-Show. Im JMRC übt die komplette 172. Infantry Brigade ihren Einsatz in Afghanistan. Es ist unglaublich welcher Aufwand betrieben wurde um die Situationen im realen Einsatzgebiet nachzustellen. Komplette afghanische Dörfer sind aufgebaut worden, Moscheen in der Dorfmitte, die Dörfer tragen die tatsächlichen Namen ihrer realistischen Pendants in Afghanistan.

Laiendarsteller in afghanischer Kluft – sogenannte Role Actors – spielen/simulieren afghanische Bevölkerung und unsere erste Mitfahrt mit einem der überall zu sehenden Humvees (den klassischen amerikanischen Militärfahrzeugen) geht direkt an einer Gruppe bewaffneter “Afghanen” vorbei, die mit ihren Gewehren in die Luft schiessen und eine Hochzeitsgesellschaft spielen, auf die die amerikanischen Soldaten treffen und versuchen die Situation nicht eskalieren zu lassen. Sehr strange!

So ganz richtig sind wir immer noch nicht angekommen und wir werden in ein riesiges Camp gebracht in dem wir mit der ganzen Logistik des US-Militärs konfrontiert werden. Es ist ein Zeltlager von dem aus die Truppenteile an die unterschiedlichen Einsatzpunkte innerhalb des Übungsplatzes verlegt werden.

Wir treffen zum ersten Mal den Batallionskommandeur Lieutenant Colonel Curtis Taylor der uns die Aufgabe im echten Afghanistan erklärt (die Soldaten nennen den realen Fronteinsatz erstaunlicherweise – “when we are in the theater”) und versuchen weiter uns innerhalb dieser sehr ungewohnten Welt zu orientieren.

Wir bekommen unsere ersten MREs (Meals Ready to Eat – seltsame sich selbsterhitzende Fertiggerichte verpackt mit ein paar Süssigkeiten und Kraftriegeln), schlendern durch die Zeltstadt, John (hier heisst Dyfed jetzt John) macht seine ersten Interviews, ich die ersten Bilder und zwischen Dixie-Toiletten, Containerduschen, Humvee -Trucks, übenden und packenden Soldaten nächtigen wir in unserem “Privatzelt” – die Soldaten haben extra ein Schild “Media-Team” vor eines der grossen Mannschaftszelte gehängt, in dem wir nur zu Zweit untergebracht sind.

Andere Journalisten scheint es nicht zu geben. Wir schlafen auf den klassischen Army-Feldbetten, es ist ziemlich kalt – was uns aber noch mehr zusetzt ist die fehlende Kommunikation mit der Aussenwelt. Handynetz im JMRC – Fehlanzeige. Internet-Zugang – ja, aber nur für Angehörige des Militärs. Wir können nicht einmal einen USB-Stick an einen der Army-Rechner hängen ohne das das System Alarm schlagen würde. Sicherheit geht eben vor: In Zeiten von Wiki-Leaks vielleicht sogar verständlich …

Nach wie vor sind wir in einer Warteschleife, überbrücken die Zeit bis zum Abtransport zum eigentlichen Einsatzort mit Kaffee, Zigaretten (ok – John raucht nicht, ich aber) und dem Erforschen der verschiedenen MRE-Typen (Mein Favorit sind die Käse-Tortellinis). Immerhin lernen wir was scheinbar einen grossen Teil jeglicher Zeit bei der Army einnimmt: Das Warten.

Part 2 in den nächsten Tagen …