Angst

Hat man / habe ich Angst mich in ein Kriegs- und Krisengebiet zu begeben? Ja hat man / habe ich!
Haben die Soldaten Angst bei ihren Einsätzen? Ja haben sie!
Wird das bei verschiedenen Gelegenheiten thematisiert? Ja – aber nur extrem selten!

Vielleicht ist es sinnvoll in diesem Blog das Thema Angst zu beschreiben – machmal ist es leichter über etwas zu schreiben, über das man nur schwer sprechen kann. Es mag seltsam erscheinen das gerade jetzt zu tun – schliesslich bin ich ja noch nicht einmal losgefahren. Das heisst aber nicht, dass das Angst – gerade auch weil sie zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr unpräzise und fern der Realität stattfindet nicht doch präsent ist.

Im inneren eines Humvees während der vorbereitenden Übung (Mission Rehearsal) im JMRC. Foto: John Dyfed Loesche

Ich werde dazu im Folgenden Bezug auf ein nicht nur von mir als sehr lesenswert erachtetes Buch nehmen: WAR – ein Jahr im Krieg von Sebastian Junger. Nicht nur die Lektüre dieses Buches hat mir bei meinen Vorbereitungen gedanklich sehr geholfen. Auch der direkte Kontakt zu Sebastian, der viele meine Fragen sehr ausführlich beantwortet hat und mir unzählige Tipps für meinen ersten Embed mit auf den Weg gegeben hat haben unter anderem auch das Thema “Angst” zur Grundlage gehabt. Wer eine der meiner Meinung nach eindringlichsten Dokumentationen zum Thema Krieg in Afghanistan lesen will sollte mal auf den Link klicken. Er führt zur Amazon-Seite – normalerweise will ich keine Werbung machen, aber in dem Fall mache ich eine Ausnahme! Dieses Buch lässt niemanden unberührt!

In dem Buch wird eine Szene beschrieben, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Sebastian erzählt, wie er in einer langen zermürbenden Wartepause auf eine bevorstehende Gefechtssituation, in der er dabei sein wird, einen immer beklommeneren Gesichtsausdruck bekommt bis ihn ein Soldat direkt und so, dass alle anderen Anwesenden es hören anspricht. Dieser sagt: “Es ist OK Angst zu haben – Du darfst sie nur nicht zeigen!

Eine Unterhaltung die ein ähnliches Verhalten zeigt hatte ich selbst während unseres Vorbereitungstrainings im JMRC. Während einer Übungspause habe ich mich eine ganze Weile mit einem Specialist namens Corey unterhalten. Corey war ein Jahr im Irak-Krieg eingesetzt und ist mit der 172. jetzt nach Afghanistan abkommandiert. Auf meine simple Frage, ob er in der Zeit im Irak manchmal Angst gehabt hätte antwortete er sehr verlegen und erst nach langem Zögern mit dem Satz. ” Ja – hatte ich. An jedem beschissenen Tag! Aber ich würde es den Anderen (gemeint sind seine Kameraden in derselben Einheit) niemals erzählen. Und ich bin sicher – denen ging es genau wie mir. Gesagt hat aber Keiner auch nur irgendeinen Ton.”

Scheinbar ist das eine klassische Verhaltensweise – jeder macht Angst grundsätzlich mit sich selbst aus. Vielleicht weil es peinlich ist, Angst zu haben weil man als Schwächling da steht, man verletzlicher ist (eine schlechte Eigenschaft in einem Kriegsgebiet). Vielleicht um nicht eine Spirale von Unsicherheit in Gang zu setzen. Angst scheint ansteckend zu sein – man isoliert sich scheinbar um nicht den Virus der Angst auf Andere zu übertragen und damit sein ganzes Umfeld noch mehr zu verunsichern was dann wieder weitere Angst auslöst.

Sebastian Junger widmet in seinem Buch das gesamte erste Kapitel dem Thema Angst – er beschreibt es dabei viel besser als ich es je könnte. Die Angst eines Journalisten oder eines Soldaten im Kriegsgebiet ist dabei weitaus vielschichtiger als man es auf den ersten Blick annehmen mag. Angst vor Tod und Verletzung ist selbstverständlich, jedoch sind auch die Angst jemanden nicht helfen zu können oder durch eigenes Versagen die Gefährdung anderer zu verursachen Dinge, die einen ebenso zermürben können.

Was also genau verursacht meine Ängste? Zuerst natürlich z.B. die alltäglichen Meldungen aus Afghanistan welche ich regelmässig lese (und das tue ich gerade natürlich sehr häufig) – z.B. der Abschuss des US-Hubschraubers vor wenigen Tagen oder die Nachricht über die Sprengfalle bei der vor drei Tagen zwei Soldaten der Brigade ums Leben gekommen sind mit denen wir demnächst unterwegs sind.

Des weiteren ist es die Ungewissheit und das Unbekannte (das geht sicher Vielen so) – ich fahre in ein Land in dem ich noch nie gewesen bin, dass mir als Mensch zunächst einmal zumindest skeptisch wenn sich sogar verärgert oder feindlich gegeüber steht. Ich bin dort nicht herzlich willkommen und weder eingeladen noch ausdrücklich erwünscht. Ich bin dort eingebettet in eine Militäreinheit die in diesem Land ebenfalls eher ungern gesehen wird (diplomatisch ausgedrückt) und werde demzufolge als ein Teil dieser wahrgenommen.

Diese Situation beschwört die nächste Angst herauf – kann ich unter diesen Umständen und Bedingungen überhaupt gute Arbeit leisten? Ich bin es gewohnt in allen möglichen alltäglichen Situationen Bilder zu machen, aber noch nie habe ich unter derart extremen emotionalen Rahmenbedingungen gearbeitet – das ist für mich kein Alltag. Kann ich unter diesen Bedingungen überhaupt gute Bilder machen? Ist der psychologische Druck nicht zu hoch? Wie wahrscheinlich ist es dabei zu scheitern? Auch das sind Ängst die immer mitschwingen.

Angst kommt und geht ohne dass man selbst besonders grossen Einfluss darauf hat. Es gibt Momente in denen bin ich gelassen und entspannt was den Afghanistan-Besuch angeht. In anderen Momenten bin ich wieder voller Zweifel und Ängste. Allein das zuzugeben ist für mich nicht ganz leicht.

 

 

 

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