Skurril – so kann man diesen Tag wohl am besten beschreiben … Wir machen uns in den fruehen Morgenstunden nach Motakhan auf, einem weiteren COP der Apache-Kompanie, bei der wir Embedded sind. Wunderbar eingequetscht in einen dieser grossen MRABs … stellt man sich die Beinfreiheit eines VW-Käfers auf der Rücksitzbank vor und den restlichen umgebenden Raum mit Kabeln, Munition und den Füssen des Turmschützen, gepaart mit der Lautstärke einer mittellgrossen Dorfdisco am Samstagabend und dem permanenten Geruch nach schon 3 Wochen am Stück getragenen Socken hat man eine gute Vorstellung davon wie US-Reisen in Afghanistan so aussehen.
Es geht über Sharana – dem drittgroessten Standpunkt von US-Truppen in Afghanistan – nach Motakhan und die Fahrzeugbesatzung (neben mir noch 4 weitere Soldaten) ist gut drauf. Ziel der Lästerattacken ist der Fahrer, der idiotischerweise offenbart, dass seine bisherigen körperlichen Kontakte zum weiblichen Geschlecht doch eher spärlich waren (freundlich ausgedrückt). Man kann sich vorstellen, was in diesem MRAB los war … getoppt wurde das ganze noch dadurch, dass er freimütig bekannte auch noch nie eine Folge von “Star Wars” gesehen zu haben. Auweia – der Dienstälteste Sergeant im Truck bringt es auf den Punkt: ” Mit was für Leuten glauben die denn zuhause einen Krieg gewinnen zu wollen wenn sie uns jetzt schon Jungfrauen schicken, die noch nicht einmal wissen wer Han Solo ist und nicht die Grundregeln der Jedi-Ritter kennen”. Ein bisschen kann ich seinen Argwohn nachvollziehen …
Der COP den wir nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichen ist mit Sar Howsa nicht zu vergleichen, eher mit einer Puppenstube und es gibt auch keine Zweibettzimmer sondern mein Quartier wird nach langem Suchen irgendwo mitten in einen Raum in dem schon 10 andere Soldaten nächtigen gefunden. Nun ja – irgendwie wird es schon gehen. Ich teile mir mein “Bett” mit meinem Nackenhoernchen (ich gestehe freiwillig das ich das als Konzession an die Zivilisation mitgenommen habe) und einem Schnellfeuergewehr mit 100 Schuss Munition. Nicht das ich das dringend brauche, aber woanders ist kein Platz.
Weiter geht es zum ersten “Date” – einer Schura (quasi eine Sitzung der Ortsvorsteher) von Dorfältesten in der lokalen Schule. Schwer bewacht von einem Platoon US-Soldaten und einer Einheit der afghanischen Polizei treffen sich hier die Gespraechsparteien. Der Raum der als Ttreffpunkt dient ist kaum zu beschreiben ohne Details dabei auszulassen. Teppiche auf dem Boden und an der Decke – dazwischen Schulmobiliar aus den späten 50er Jahren, überall Wüstenstaub und an den Wänden versandete Hängetafeln mit dem Periodensystem der Elemente, dem anatomischen Aufbau eines Froschs und diversen Koransuren.
In der Sitzung zu der die US-Militärs eingeladen sind, soll es um die Hilfe der USA bei der Weiterbildung von Farmern gehen. Endlose Diskussionen entspinnen sich – die Afghanen würden gerne von den US-Soldaten wissen, wie das funktionieren soll, die US-Jungs betonen immer wieder das sei ihnen prinzipiell egal, es soll so laufen, wie die Afghanen es wollen. Die aber wissen nicht so genau was sie wollen und warten auf Vorschlaege der Amerikaner und so wird erst mal eine Weile mit vielen Worten nichts gesagt.
So kommt man nicht weiter – es muss also erst mal ein Zeitplan für Weiterbildungen her. Also sollen die Afghanen sagen wann es ihnen am liebsten wäre. Die sagen in der Schulzeit, sind sich aber untereinander nicht ganz einig wann das ist. Einige behaupten Schule sei immer von März bis November. Andere sagen Dezember, wieder andere sagen erst ab Mai. Kurzerhand wir die Schulzeit neu definiert von Maerz bis zum 12. Dezember … kein Kommentar!
OK – bisher also keine Einigung (mit Aussage der jetzt nun sichergestellten Schulferien). Die Zeit vergeht nur schleppend, der Durchbruch scheint aber in dem Moment zu kommen, als den Afghanen einfällt, dass man statt Schulungen viellicht doch besser einen Damm bauen solle der die gesamte Provinz bewässert – der hatte jetzt zwar mit dem aktuellen Schulungen nichts zu tun, würde aber trotzdem gebraucht. Die USA geben zu bedenken, das ein Damm jetzt gerade mal nicht im Etat sei. Mann solle doch jetzt bitte wieder ueber die Schulungen sprechen. Die Afghanen sprechen also weiter ueber den Damm, die USA ueber Schulungen.
Die etwas aneinander vorbeilaufen Gespräche werden von beiden Seiten nach einer weiteren halben Stunde mit dem Urteil “erfolgreich” beendet als man sich versichert, man sei jetzt nach “guten Gespraechen” ja schon ein gutes Stück weitergekommen und werde über die Details dann in den nächsten Monaten reden. (Irgendwie erinnert das auch fatal an politische Traditionen bei uns in Deutschland)
Ich weiss jetzt nicht so genau, ob A)- man wirklich glaubt, ein Schulungsprojekt durch ein Damm Projekt erweitern zu koennen oder B) - der Übersetzer einfach Bockmist gebaut hat. Zumindest habe ich im Gegensatz zu allen Anwesenden leichte Zweifel am Erfolg der Verhandlungen. Vielleicht bin ich aber auch nur Pessimist!