Kollateralschäden

Das Einsatzgebiet auf einer Landkarte. Vielleicht ahnt man wie hoch die Berge sind, was man jedoch nicht ahnt: Alles bräunliche das hier zu sehen ist ist weitestgehend Staub. Grosse Teile davon sind jetzt in meinem Gepäck.Übrigens schreibt man Sar Howza im Deutschen dann Sar Howsa (sagt Dyfed)

Es geht also nach Hause. Ein letzter Chill-Out-Tag im ISAF-Stützpunkt in Kabul, den ich nutze um ein bisschen Ordnung in meine Technik, Dateien, Klamotten und Gedanken zu bringen. Der Tag beginnt früh – wir sind in grösseren Zelten untergebracht, in denen Soldaten aller Herren Länder ebenfalls für ein oder zwei Nächte schlafen. Es sind diejenigen, die auch auf Transfer zu ihrem Einsatzort oder zurück nach Hause sind. Einer von denen packt schon um 5 Uhr lautstark sein Gepäck und macht sich bei voller Beleuchtung reisefrisch – super …

An Schlaf ist danach nicht mehr zu denken und so schlendere ich zum Flugterminal, an dem es schon sehr früh Kaffee gibt. Einen ziemlich Guten sogar. Zwei deutsche Soldaten warten hier ebenfalls mit einem Kaffee auf ihren Abflug und es entwickelt sich sofort ein Gespräch über Erlebtes, Afghanistan an sich und die Vorzüge der Heimat. Es ist ungewohnt mal wieder mit jemand anderem als Dyfed Deutsch zu sprechen (abgesehen von den permanenten Versuchen der US-Soldaten die ich in den letzten Wochen an verschiedensten Orten getroffen habe, die oft versucht haben zumindest ein bisschen in meiner Muttersprache zu kommunizieren)

Danach folgt ein eingehender Technikcheck. Das Kameraequipment sieht grausam aus – staubig, die Einstellringe der Objektive knarzen vor Dreck und es gibt keinen Schalter an den Nikon Kameras, der nicht irgendwie schwergängig ist oder knirscht. das ganze Zeug muss unbedingt in den Service (ich hoffe da mal auf Nikon Deutschland, dass sie das alles wieder hinkriegen – BITTE!).

Die D3s-Kameras waren mit einem sogenannten Camera-Armor, einer Gummihülle, die stärkere Stösse abfängt versehen und darunter sogar noch mit Tape-Band abgeklebt, immun gegen Dreck macht sie das nicht , aber sie funktionieren noch. Die Objektive konnte man schlechter schützen, dementsprechend sehen sie jetzt aus. Die mitgenommene X100 von Fuji ist quasi unbenutzt (Fabian kann aufatmen), ich habe sie eigentlich nie eingesetzt und zwar aus einem spezifischen Grund: Die Einschaltzeit war schrecklich – immer dann wenn ich sie eigeschaltet habe und sie endlich auslösebereit war, war die Situation in der ich das Foto hätte machen können schon vorbei. Eine tolle Kamera – für den Hobbygebrauch, aber meiner Meinung nach aufgrund der dämlichen Menüstruktur, dem dusseligen OK-Knopf, den man immer fünfmal drücken muss bevor er reagiert (wenn man nicht genau mittig drückt poppt immer irgendein Menü auf, dass man nicht braucht, dass man auch nur wieder verlassen kann wenn man wieder OK drückt und dann wieder genau treffen muss) und der Zeit die sie selbst eingeschaltet braucht um wieder aus dem Standbymodus aufzuwachen ist für Situationen in denen es schnell gehen muss nicht zu gebrauchen. Das der AF der X100 insbesondere bei Dämmerung eher einem Lotteriespiel gleicht … na gut, dass war vorher klar … Da habe ich lieber die schweren D3s geschleppt – die waren schnell, zuverlässig mit punktgenauem AF auch bei schlechtem Licht und wenn man einen Knopf drückt passiert auch das was passieren soll.

Die von mir zum Videodreh mitgenommene (und von Nikon netterweise zur Verfügung gestellte) D7000 ist nur selten zum Einsatz gekommen. Erstens war das Vorhaben Videos zu drehen schwierig. Ein drittes Gehäuse auf fast 3000m Höhe noch mitzuschleppen war unrealistisch, dann haben mich die Situationen in denen ich mich oft befunden habe schon fotografisch manches mal überfordert (zu viele Eindrücke zu schnell auf einmal) und ich habe extreme Scharfstellprobleme in denen durch Staub oft schon diesigen Lichtsituationen gehabt). Mein Fazit daher – man hätte da sicher tolles Material drehen können, wenn man das Fotografieren sein gelassen hätte. Beides gleichzeitig? Zumindest für mich unmöglich – zumal der Sicherheitsaspekt (schnell auf den Boden, schnell in das Fahrzeug, schnell in Deckung etc. das Ganze auch noch zusätzlich erschwert) – also: Entweder oder. Ich habe mich für Entweder (das Fotografieren) entschieden.

Wie ich Morris erklären soll, dass der Thing-Tank-Rucksack aussieht wie er aussieht weiss ich noch nicht so genau. Er war mal schwarz, jetzt ist er eher gelbgrau und wenn man an einem Reissverschluss zieht wabert eine Staubwolke durch das Zimmer – auweia. Ob ich den jemals wieder sauber bekomme.

Die Idee ein 15” MacBook-Pro mitzunehmen war auch total idiotisch – viel zu schwer! Aber wenn das Geld fehlt um sich ein kleines MacBook-Air zu kaufen bzw. sich noch nicht einmal das gebrauchte Netbook von Morris anzuschaffen bleiben allerdings wenig Alternativen.

Alles andere knirscht. Die Tastatur des Laptops, die CF-Karten im Reader, die Netzgeräte in den Steckdosen, alles was man an USB-Ports anschliessen kann …

Das ganz Zeug hat heftig gelitten, wirklich ausgefallen ist aber nichts. Man kann diesen Staub, der in jede Ritze kriecht auch nicht wirklich abhalten – wie man ihn Zuhause aber wieder aus den Ritzen rausbekommt? Keine Ahnung!

Resümee – bis jetzt ist nichts wirklich kaputt (ausser der VR des 70-200 und dessen Gegenlichtblende), aber der Wertverlust des Equipments dürfte immens sein.

Zwei Hosen hat es zerissen, drei T-Shirts – die Felsen und Steine der Provinz-Paktika sind doch ziemlich scharf. Eine Taschenlampe ist kaputt, ein CF-Reader hinüber … und wenn ich zuhause alles in Ruhe auspacke werde ich sicher noch die eine oder andere Überraschung erleben.

Nikon? Canon? Leica? Kompakt? Film?

Man kann selbstverständlich immer übertreiben oder positiv ausgedrückt alle verfügbare Technik gleichzeitig nutzen ... ob das alles Sinn macht? Eher nicht ...

Viele Fotografen haben die Eigenschaft sich in endlose Materialdiskussionen zu begeben (ich schliesse mich da selber im übrigen nicht aus). Welche Kamera ist die Richtige,

welches Objektiv das Beste. Was braucht man alles und vor allem was könnte man ausser dem ganzen Equipment welches man schon besitzt noch gebrauchen. Eigentlich ist es gar nicht so schwer: Man investiert möglichst viel Geld in ein möglichst umfangreiches Equipment, kauft am sinnvollsten immer die teuerste Kamera des edelsten Herstellers (besser sogar zwei oder drei) und wenn irgend möglich auch noch alle verfügbaren Objektive. Dazu sollten man noch kistenweise Zubehör wie grosse Stative, Studioblitze, alle möglichen Adapter für alle möglichen Verbindungen, möglichst auch Remote-Einheiten, sowie edle und teure Taschen in verschiedensten Grössen und Formen besitzen.

Ist man erst einmal so ausgerüstet lässt sich jede fotografische Aufgabe lösen – denn viel hilft viel (glauben zumindest die Meisten). Ganz anders stellt sich die Situation nun für mich da. Kistenweise Technik mit nach Afghanistan nehmen erscheint hier mehr als übertrieben. Auf der einen Seite will man natürlich die bestmögliche Bildqualität bekommen. Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass man das ganze Zeugs auch schleppen muss.

Auf den vorbereitenden Übungen in Hohenfels/Bayern, wurde mir zum ersten Mal bewusst, was auf den Fussmärschen so alles getragen werden muss. Neben einer 12 Kilo wiegenden Splitterschutzweste und einem Rucksack mit mehreren Litern Wasservorrat, sowie Ersatzwäsche und Essensrationen müssen ja auch noch Kameras und Objektive mit. Da kommen dann so einige Kilos zusammmen und man ist froh über jedes Gramm Ersparnis.

Im Nachrichtenagenturalltag fotografiere ich mit Nikon Spiegelreflexkameras – perfekte Kameras für den journalistischen Alltag. Allerdings wiegen die jeweils deutlich mehr als ein Kilo. An jede Kamera ist ein Objektiv angesetzt was ebenfalls pro Stück mit ein bis zwei Kilo an Gewicht daher kommt. Ausserdem baumeln die Dinger an Schulterriemen meistens im Weg rum. Da ist die Versuchung, auf kleinere leistungsfähige Systeme umzusteigen natürlich gross.

Aber was bietet der Markt? Nun, die klassische Reportagekamera ist eine Leica Messucherkamera (aktuell die M9). Zwei davon mit jeweils einem Weitwinkel und einem Normalobjektiv bestückt und dazu noch ein kleines Teleobjektiv in der Jackentasche. Gesamtkosten: ca 20.000 Euro. Mein Sparkassensachbearbeiter wird nur müde lächeln …
Vielleicht eine kleine Kompaktkamera? Die hat ein Zoom-Objektiv und kann Filmen. Tolle Reservekamera, aber von den optischen Leistungen eher nicht zu empfehlen.

Ausserdem knn ich mir nicht vorstellen wie so eine kleine Kompakte den ganzen Staub und Dreck und die physikalischen Belastungen wegsteckt. Ich hatte kürzlich nur etwas Dreck am Objektiv einer kleinen Kompakten – da ging schon nichts mehr!

Also vielleicht doch Canon? Der Unterschied zu den Nikon Kameras ist nur marginal (mit Ausnahme der Schärfe – ganz ketzerisch gesagt. Mit den Nikons werden die Bilder zumindest meistens scharf ohne die bei Canon üblichen Justagearbeiten für das meiner Erfahrung nach schlechtere AF-System) und nach einigen Jahren mit Canon Kameras fehlt mir ein bisschen das Vertrauen in deren Zuverlässigkeit.

Eine echte Alternative – zumindest für den Bereich Reportage ist die neue Fuji X100. Eine Sucherkamera aus Metall mit lichtstarkem 35mm Objektiv. Die zumindest könnte in Kombination mit einer der grossen Nikons für die Motive wo es darauf ankommt unauffällig zu bleiben eine gute Lösung sein (und die 1000 Euro Kosten wären noch zumutbar).

Ganz unterm Strich ist die Suche nach einem idealen System für mich leider noch nicht abgeschlossen. Die beiden Nikon D3s zusammen mit einem 2.8/70-200 und einem 2.8/24-70, ausserdem ein paar lichtstarke Objektive (1,4/24, 1,4/35 und 1,4/85) werden wohl die Reise mit antreten. Grossartige Objektivwechsel werden in der staubigen Umgebung nur in den seltensten Fällen erfolgen. Das alles zusammen mit einer X100 sollte dann zumindest einigermassen transportabel sein. Vielleicht setllt sich vor Ort aber auch heraus, dass man genau die Sachen zu Hause gelassen hat, die man gerade am besten brauchen könnte. Das zumindest ist im normalen Berufsalltag permanent der Fall.