Casing of the flags

Das “casing of the flags”, das Einpacken der Truppenfahnen ist die offizielle Verabschiedung von US-Truppen bevor es in das Einsatzgebiet geht. Nach unserm Aufenthalt bei den vorbereitenden Übungen für Afghanistan fahren Dyfed und ich Ende Mai noch einmal nach Süddeutschland, da wir von der 172. Infantry Brigade eingeladen worden sind dieser Verabschiedung beizuwohnen.

Lt. Col. Curtis Taylor (l.), Batallionskommandeur in der 172nd Infantry Brigade packt die Truppenfahne ein.

Es ist ein klassisches militärisches Schauspiel was sich uns bietet. Eine ganze Brigade US-Soldaten (über 3000 Soldaten) angetreten auf einem Exerzierplatz in der US-Truppenkaseren in Grafenwoehr. Dazu geladene Gäste der Bundeswehr, der Stadt, des Landkreises, Familienanghörige, Freunde und Medien.

Mir persönlich gefallen solche Zeremonien nicht – das ist mir ein bisschen zu viel Pathos in den Abschiedsreden und wenn ein Kommandeur in seiner Rede bezeugt: “We will never leave a wounded or fallen soldier on the battlefield” dann wird jedem sehr drastisch vor Augen geführt um was es hier geht und man fragt sich schon, ob sie alle wieder “nach Hause” kommen.

Die Zeremonie ist wirklich mit dem Einpacken der Fahnen zu Ende und wir werden auf das Abschluss-Barbecue eingeladen. Und irgendwie erinnert es mich doch sehr an ein klassisches Deutsches Schützenfest – mit Bierzelt, Tanzfläche und Kinderbelustigung. Einzig die Angebotenen Speisen und Getränke unterscheiden sich und sind doch typisch Amerikanisch. Hotdogs, Burger, Popcorn, schrecklich süsse Waffeln und jede Menge Candy, Erdnüsse, Donots, Coca-Cola und natürlich Bier.

 

Die Stimmung im Zelt ist ausgelassen und mir persönlich gefällt – im Gegensatz zu einem Deutschen Schützenfest – die Musik hier wesentlich besser. Country, Rock und Pop, HipHop – gekoppelt mit Michael Jackson-Tanzeinlagen und Karaoke Gesängen von US-Soldaten. Und – erstaunlicherweise können die das. Keine Ahnung ob die für das Fest gecastet wurden, aber der Tänzer der zu Beat it einen Moonwalk vorführt hat’s echt drauf und mindesten die Hälfte aller Sänger können wirklich singen.

Wir nutzen die Gelegenheit um unsere Geschichte zu starten. Dyfed und ich haben uns überlegt, dass es Sinn macht einzelne Soldaten zu beschreiben und zwar aus unterschiedlichen Dienstgraden.

Sowohl Offiziere als auch Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade sollen repräsentiert sein und so bekommen wir von Captain Perkins, dem Kompaniechef der 228. mit der wir in Afghanistan sein werden genau so ein Interview und seine Statements zum bevorstehenden Einsatz, wie vom Platoon-Leader Leutnant Martin, vom Platoon Sergeant Albanese wie auch von einigen Privates und Specialist des White Platoon dem wir uns anschliessen werden.Ich bin gespannt ob das deckungsgleich mit dem sein wird was sie uns erzählen wenn wir vor Ort sind.

Für meinen Geschmack sind sie ein bisschen zu euphorisch – oder müssen sie das einfach sein um zumindest im Kopf einen einjährigen Kriegseinsatz zu bewältigen?

Das nächste Mal dass wir sie wiedersehen werden wird vor Ort in Afghnistan sein und bevor sie zwischen Juni und Juli verlegt werden müssen sie ausser den Truppenfahnen noch so Einiges Andere einpacken. “A hell of a job” – wie sie sagen – eine ganze Brigade nach Afghanistan zu verlegen wo sie zwar die Fahrzeuge der jetzt dort stationierten Einheit übernehmen … nichtsdestotrotz möchte ich nicht wissen wieviel Frachtflugzeuge benötigt werden um eine 3000-Mann Brigade incl allen Materials in das Kriegsgebiet zu transportieren.

Verabschiedet sind sie nun – und während ich dass hier schreibe hat auch die Einheit die sie ablösen den Heimweg angetreten und die 172. macht ihre ersten Patrouillen in Afghanistan. Take care!

 

 

Status – Update

Die Rahmendaten für die Bericherstattung stehen jetzt so einigermassen fest. Los geht’s am 1.September – zurück dann wahrscheinlich am 21.September. Der Hinflug ist fix, das Rückflugdatum ist laut Informationen von Journalisten-Kollegen durchaus variabel.

Wie sagt man so schön – beim Militär ist eben nichts so beständig wie die Lageänderung.

Der Autor neben einer ungepanzerten Version des amerikanischen Militärfahrzeugs Humvee. Foto: John Dyfed Loesche

Vor Ort haben sich die US-Truppen inzwischen “eingerichtet”. Das heisst, dass die 172. Brigade mit der Dyfed und ich in Afghanistan unterwegs sein werden mittlerweile vollständig in die Paktika-Provinz verlegt ist. Zur Verabschiedung der Truppenteile waren wir beide zu Gast in Grafenwöhr – in einem weiteren Blog-Eintrag werde ich dieses Erlebnis in den nächsten Tagen noch mal intensiver beschreiben.

Interessanterweise hat die 172. eine eigene Facebook-Seite auf der sie selbst Bilder und Updates des Einsatzes vor Ort postet. Von Geheimniskrämerei kann also keine Rede sein.

Hier der Link: http://www.facebook.com/172infantrybrigade

Meine Packliste ist indes noch nicht wirklich fertig. Wie schon einmal beschrieben hadere ich noch ein bisschen mit der mitzunehmenden Technik. Ausserdem weiss ich noch nicht genau was alles sonst noch “in den Koffer gehört”, welche Gegenstände rechtzeitig da sind und welche ich mir vor Ort noch besorgen muss etc. -

Vermutlich sind die Vorbereitungen erst in letzter Sekunde wirklich abgeschlossen – oje.

Die Truman-Show – Part 1

Der Autor fotografiert bei Nacht in einem Camp des JMRC abrückende US-Truppen. Foto: John Dyfed Loesche

Eine stundenlange Autofahrt bringt Dyfed und mich im März zum JMRC in Hohenfels / Bayern. Das Joint Multinational Readiness Center ist ein riesiger Truppenübungsplatz auf dem die amerikanischen Streitkräfte (und Streitkräfte verbündeter Nationen) für ihre Einsätze trainiert und vorbereitet werden.

Major Nick Sternberg empfängt Dyfed und mich und zeigt uns die obligate Einführuns-Power-Point-Präsentationen über das JMRC,  händigt uns Splitterschutzbrillen, schussichere Westen und das M.I.L.E.S.-System, welches per Tonsignal anzeigt ob wir von in einem Gefecht getroffen worden sind, aus. (Unser M.I.L.E.S.-System hat keine Batterien – wir sind also unverwundbar)

Danach werden wir an den Presseoffizier Major Joseph Buccino übergeben. Begrüssungen, Erklärungen, Vorstellungen aller Mitarbeiter des Pressestabs – es ist spät am Abend bis wir in einer Truppenunterkunft auf dem Gelände unsere erste Schlafstätte finden.

Es ist die unwirkliche Welt des Militärs in der wir uns nun befinden und auch das Frühstück am kommenden Morgen ist noch ziemlich surreal. Verschiedene Fertiggerichte auf Pappgeschirr in einem Speisesaal mit Soldaten aus verschiedensten Nationen – so hab ich noch nie gefrühstückt.

Wir rücken aus in die von den Soldaten so genannte Truman-Show. Im JMRC übt die komplette 172. Infantry Brigade ihren Einsatz in Afghanistan. Es ist unglaublich welcher Aufwand betrieben wurde um die Situationen im realen Einsatzgebiet nachzustellen. Komplette afghanische Dörfer sind aufgebaut worden, Moscheen in der Dorfmitte, die Dörfer tragen die tatsächlichen Namen ihrer realistischen Pendants in Afghanistan.

Laiendarsteller in afghanischer Kluft – sogenannte Role Actors – spielen/simulieren afghanische Bevölkerung und unsere erste Mitfahrt mit einem der überall zu sehenden Humvees (den klassischen amerikanischen Militärfahrzeugen) geht direkt an einer Gruppe bewaffneter “Afghanen” vorbei, die mit ihren Gewehren in die Luft schiessen und eine Hochzeitsgesellschaft spielen, auf die die amerikanischen Soldaten treffen und versuchen die Situation nicht eskalieren zu lassen. Sehr strange!

So ganz richtig sind wir immer noch nicht angekommen und wir werden in ein riesiges Camp gebracht in dem wir mit der ganzen Logistik des US-Militärs konfrontiert werden. Es ist ein Zeltlager von dem aus die Truppenteile an die unterschiedlichen Einsatzpunkte innerhalb des Übungsplatzes verlegt werden.

Wir treffen zum ersten Mal den Batallionskommandeur Lieutenant Colonel Curtis Taylor der uns die Aufgabe im echten Afghanistan erklärt (die Soldaten nennen den realen Fronteinsatz erstaunlicherweise – “when we are in the theater”) und versuchen weiter uns innerhalb dieser sehr ungewohnten Welt zu orientieren.

Wir bekommen unsere ersten MREs (Meals Ready to Eat – seltsame sich selbsterhitzende Fertiggerichte verpackt mit ein paar Süssigkeiten und Kraftriegeln), schlendern durch die Zeltstadt, John (hier heisst Dyfed jetzt John) macht seine ersten Interviews, ich die ersten Bilder und zwischen Dixie-Toiletten, Containerduschen, Humvee -Trucks, übenden und packenden Soldaten nächtigen wir in unserem “Privatzelt” – die Soldaten haben extra ein Schild “Media-Team” vor eines der grossen Mannschaftszelte gehängt, in dem wir nur zu Zweit untergebracht sind.

Andere Journalisten scheint es nicht zu geben. Wir schlafen auf den klassischen Army-Feldbetten, es ist ziemlich kalt – was uns aber noch mehr zusetzt ist die fehlende Kommunikation mit der Aussenwelt. Handynetz im JMRC – Fehlanzeige. Internet-Zugang – ja, aber nur für Angehörige des Militärs. Wir können nicht einmal einen USB-Stick an einen der Army-Rechner hängen ohne das das System Alarm schlagen würde. Sicherheit geht eben vor: In Zeiten von Wiki-Leaks vielleicht sogar verständlich …

Nach wie vor sind wir in einer Warteschleife, überbrücken die Zeit bis zum Abtransport zum eigentlichen Einsatzort mit Kaffee, Zigaretten (ok – John raucht nicht, ich aber) und dem Erforschen der verschiedenen MRE-Typen (Mein Favorit sind die Käse-Tortellinis). Immerhin lernen wir was scheinbar einen grossen Teil jeglicher Zeit bei der Army einnimmt: Das Warten.

Part 2 in den nächsten Tagen …

Crazy Forces

Wer ist eigentlich der Urheber der Afghanistan Idee? Die kurze Information meines Chefs nachdem ich meine Zusage für den Afghanistan-Einsatz gegeben hatte: ” Der zuständige Redakteur meldet sich bei Dir – mit dem kannst Du alles weitere klären!”
Ich treffe John Dyfed Loesche, dapd Redakteur des Frankfurter Büros, zum ersten mal in einem Cafe in Hamburg.

Eine gemeinsame Basis haben wir also – er stammt aus Hamburg, ich wohne hier, er möchte nach Afghanistan – ich auch. Für uns beide ist es das erste Mal, dass wir in einem Kriegsgebiet arbeiten, beide sind wir also absolute Anfänger und beide versuchen wir eigentlich noch herauszubekommen warum wir das eigentlich tun wollen.

John bzw. Dyfed (für die Soldaten der US-Army ist er John obwohl sein Rufname eigentlich Dyfed ist) hat die gesamte Vorbereitung schon erledigt. Er hat den Kontakt zu US-Army geschaffen und die gesamte Planung des Vorhabens alleine organisiert bis hin zur Vorstellung des Projekts bei den Chefs der dapd Nachrichtenagentur. Ich bin als begleitender Fotograf ausgewählt worden und so bilden wir also das “Krisenteam” der dapd.

Dyfed hat schon mal organisiert, dass wir beide bei der sogenannten “Mission Rehearsal” der US-Truppen mit denen wir nach Afghanistan verlegt werden teilnehmen können. Das wird also unser erster gemeinsamer Arbeitseinsatz sein in dem wir beide ausprobieren können wie wir miteinader klar kommen. Das ein Fotograf eine ganz andere Arbeitsweise als ein schreibender Redakteur hat und insofern auch ganz andere Sichtweisen mitbringt ist klar und von unserer Zentrale auch so gewollt. Jetzt müssen wir nur noch probieren wo die gemeinsamen Schnittstellen sind.

Dyfed hat vor, neben seiner Schreibarbeit sich auch mit dem Thema Video auseinanderzusetzen. Das Thema wollte ich auch mit abdecken (mit meinen Kameras ist das möglich und braucht keine separate Videoausrüstung) – spannend wird es aber sicher dadurch, dass Dyfed ganz bestimmt mit einer ganz anderen Wahrnehmung an filmische Bilder heran geht als ich das als Fotograf tue. Wir werden das ausprobieren und vielleicht liegt die Essenz ja in der Kombination beider Arbeiten.
Auf der “Mission Rehearsal” auf einem Truppenübungsplatz im bayrischen Hohenfels sind wir also das Media Team, dass zusammen mit den Soldaten der 172. Infantry Brigade den Ernstfall für Afghanistan übt. Für uns das erste Mal mit direktem Kontakt zu den US-Truppen. Neben alle technischen und logistischen Problemen schlagen wir uns als Team ganz tapfer und wachsen Schritt für Schritt und Tag für Tag als eine Einheit zusammen, die – machmal ein bisschen verloren zwischen den ganzen Soldaten – wunderbar funktioniert.

Wir nennen uns selbst die “Crazy Forces” – es ist genug Ernsthaftigkeit in diesem Job dabei und unsere manchmal etwas chaotische Arbeitsweise passt ganz gut zu diesem selbstgewählten Titel. Ich für meinen Teil kann mir nicht mehr vorstellen den Afghanistan-Einsatz mit irgend einem anderen Partner zusammen zu bestehen. Für mich hat sich Dyfed als Glücksfall erwiesen, der viele meiner Bedenken teilt, der viele meiner Ansichten ähnlich sieht, dessen Humor immer wieder die oftmalige Verkrampfheit lockert und mit dem ich einfach unglaublich gerne zusammen arbeite.
Danke Dir Dyfed! Ich bin gespannt wie sich unser Projekt entwickelt!