Abflug

So – morgen geht’s es also los. Man kann sich sicher vorstellen, dass ich nicht nur in purer freudiger Erwartung Richtung Afghanistan starte, sondern durchaus mit einiger Nervosität und Bauchgrummeln. Andererseits bin ich froh, dass es nach so langer Zeit an Vorbereitung und Warten dann auch mal losgeht.

Axel - Foto by Henning Scheffen

Der nächste Blog-Eintrag wird dann hoffentlich schon aus Afghanistan erfolgen – ob es vernünftige Leitungen gibt, ob das mitgeführte Satelliten-Telefon funktioniert, ob die dann vorherrschende Bandbreit gross genug ist … Eigentlich sollte das alles klappen, aber wer wie ich ständig mit Kommunikationstechnik umgehen muss, weiss auch, dass es da immer wieder zu unerwarteten Problemen kommt. Ich muss also erst mal abwarten ob und wie das Alles funktioniert. Und wenn alles schief geht schreibe ich lange Blog-Einträge erst wenn ich wieder da bin. Geplant ist es zwar anders, aber …

Bis Dyfed und ich im eigentlichen Einsatzgebiet sind, werden sowieso mehrere Tage vergehen – wie viel genau kann uns derzeit niemand sagen. Vermutlich werden wir am kommenden Samstag/Sonntag in der US-Basis in Bagram sein – von dort aus geht es dann weiter ins Grenzgebiet.

Ob ich dann täglich bloggen kann – ich weiss auch das nicht. Der Plan ist, zumindest alle paar Tage eine Meldung abzusetzen, es sollte sich aber niemand was dabei denken, wenn ich deutlich seltener und unregelmässiger als geplant diesem Blog aktualisiere. Wie gesagt – da ist gerade nicht viel planbar – einfach mal vorbei schauen und keine Sorgen machen, wenn es mal länger nichts Aktuelles gibt!

Apropos – kurz bevor ich abfliege wollte ich mich noch bei Allen bedanken, die mir gute Wünsche für den Trip geschickt haben – und mich bei denjenigen entschuldigen, die mein permanentes Gequatsche ausgehalten haben wann immer es um dieses Thema ging (ich kann mir vorstellen dass das manchmal nervt).

Besonderer Dank also an die Freunde und Fotografen im Norden: Kay N., Christian C., Marcus B., Angelika W., Mauritio G., Carsten R., Jochen L., Stefan S., Nigel T., Joerg S., David H., Focke S., Philipp G., Morris M. und Fabian B. sowie die dapd-Kollegen Oli L., Sascha S. (viel Glück auch für Deinen Aufenthalt!), Ronny H., Axel S.,  Alex B., Dirk v.B. und Jens S.

Für alle Unterstützung noch ein dickes Danke nach Münster an:  Klaus S. und Britta V., Edith K., Erik H., Klaus F. Steffen L.., Jan v.d.V., Birgit M. und Andrea M.

Danke natürlich auch an meinen Bruder und meinen Vater, und ein ganz grosses Danke den besten Kindern der Welt: Julian & Luisa!

Materialschlacht – oder was man alles nicht braucht …

Vorbereitung auf einige Wochen Aufenthalt in Afghanistan – was aber nimmt man denn so alles mit? Ist ja eher keine klassische Pauschalreise mit Sonnencreme und Flip-Flops.

Fragt man all diejenigen, die schon einmal (oder mehrmals) bei einem solchen Einsatz dabei waren und listet dann danach auf, was die alle zusammen empfehlen kommt man zu dem Schluss, dass eine eigene Transportmaschine, zumindest aber ein Überseecontainer sinnvoll wäre. Ok – der ist hier im Hamburger Hafen sicher kostengünstig aufzutreiben, ob das aber Sinn macht?

Auch die Soldaten tragen extrem viel Ausrüstung bei sich und nutzen zwischendurch immer wieder die Gelegenheit, zu verschnaufen ...

Die Überlegungen “was nehme ich mit” sind nicht ganz einfach – so einige Peinlichkeiten will man sich ja ersparen und ganz zuletzt ist immer wieder zu betonen: Man muss das ganze Zeug auch schleppen. Shuttle-Busse, Reiseführer oder andere dienstbare Geister werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Ort sein.

Es fängt schon an mit dem richtigen Transportbehältnis. Ein klassischer Reisekoffer? Auch eher peinlich mit einem Samsonite in einem COP einzuschecken – na, vielleicht gibt es die Samsonites ja auch in Camouflage …

Also eher ein Rucksack? So nach dem Backpacker-Beispiel – vermutlich auch eher nix. OK – erst mal die ganze Kameratechnik verpacken. Pelicase – das ist wasserdicht. Schlag- und stossfest. Tolle Sache, aber schwer und so ein “Fotografenrollköfferchen” ist vermutlich nur für den Gesamttransport geeignet. Vor Ort wird man dann wieder in kleinere Taschen, Rucksäcke oder Westen umpacken müssen – und die muss man ja auch mitnehmen.

Meine Idee ist nun, einen grossen Reisesack mitzunehmen, in dem alle nicht technischen Dinge aufbewahrt werden. Gewichtsmässig wird es trotzdem eine schwierige Sache werden, da da ja eine über 10 Kilo wiegende Splitterschutzweste etc. hinein muss.

Die Kameratechnik wird in einen Think-Tank Rucksack gepackt (Danke Morris für die freundliche Leihgabe). Dieser hat zumindest das Packformat für Handgepäck und wird hoffentlich für die Foto-und Videotechnik incl. Laptop und Zusatzgeräten reichen.

Für die, die es interessiert hier das nun vollständige technische Setup:

2 digitale Nikon Spiegelreflexkameras vom Typ 3Ds, eine kleinere Nikon Spiegelreflexkamera vom Typ D7000, 1 digitale Kompaktkamera mit Festbrennweite Typ Fuji X100 (hier gilt mein Dank Fabian für das Leihen der Fuji von der ich selbst mich wohl nur sehr schwer hätte trennen können).

An Objektiven gehen mit: 1,4/24mm, 1,4/35mm, 1,4/85 mm, 2.8/70-200mm, 2.8/24-70mm, 4.0/16-35mm, ein 1,7er Konverter, und ein Fisheye-Zoom.

Neben Card-Readern, Blitz, Akkuladern, Ministativ, Akkus, einer externen Mini-Festplatte zur Datensicherung und einer Newswear-Weste um das Benötigte unterwegs zu tragen ist zusätzlich auch ein Satelliten-Telefon mit dabei. (Ich vermute mit T-Mobile wird in Afghanistan keine Kommunikation möglich sein … )

Gute Tipps habe ich zuhauf bekommen – und die Packliste wurde dadurch nicht kleiner. “Nimm eine Lampe mit Rotlich mit – am besten eine die man auf dem Kopf tragen kann” – das macht Sinn. Stiefel – am besten Wüstenstiefel – waren auch ein guter Tipp. Ein sogenannter Camelbak – ein Rucksack mit Wasserbehältnis ist ebenfalls Pflicht. Eine Sonnenbrille die auch Klargläser hat als Splitterschutz. Knieschützer für das abknien auf dem steinigen Boden (so kommen meine Inline-Skates Protektoren doch noch zu einem Einsatz), Handschuhe seinen wegen Dreck und Verletzungen wichtig – ob bei den Temperaturen vor Ort Handschuhe nicht nerven habe ich nicht rausbekommen. Ein Schlafsack muss sowieso mit … Ok – bis jetzt ist alles ohne Frage wichtig.

Das man die Kameras nicht an Schultergurten tragen soll (da gehen sie angeblich nur kaputt), sondern mit Karabinerhaken vorne an der Bullet-Proof-Vest befestigen soll war mir ebenfalls neu. Aber wie um alles in der Welt bekomme ich dann die Kamera an einen Karabinerhaken … Naja mal sehen – auch die Karabinerhaken habe ich nicht vorrätig und muss sie erst mal kaufen.

Nächste Frage – was zieht man an? Klingt irgendwie lustig – ist es aber nicht, denn man sollte möglichst unauffällig aussehen. Hier aber prallen zwei Meinungen aufeinander. Während die offizielle Version “Journalisten sollten sich eindeutig von den Soldaten unterscheiden allein schon um ihre Unabhänigkeit zu unterstreichen” lautet, sagen erfahrene Stimmen: “Sei nicht verrückt – zieh’ Dich bloss so ähnlich wie die Soldaten an. Du gehörst dazu und gefährdest sie unnötig wenn Du wie ein Journalist aussiehst (wie sieht ein Journalist eigentlich aus?), zudem gefährdest Dich selber, da die Unabhängikeit von Berichterstattern in Afghanistan niemanden interessiert. Du bist Embedded mit US-Truppen unterwegs – wie um alles in der Welt willst Du jemanden glaubhaft klar machen, dass Du ein unabhängiger Journalist bist und nicht zu ihnen gehörst.” Tja – da ist guter Rat teuer. Wer hat Recht?

Vermutlich wird es sowieso wieder so aussehen, dass die Dinge die man braucht wieder zu Hause rumliegen und das ganze unnütze Zeugs im Koffer ist. Angeblich soll ja sogar Anti-Floh-Mittel wichtig sein – vielleicht gehört das aber auch in die Abteilung ” Die Spinne in der Yucca-Palme”.

 

Angst

Hat man / habe ich Angst mich in ein Kriegs- und Krisengebiet zu begeben? Ja hat man / habe ich!
Haben die Soldaten Angst bei ihren Einsätzen? Ja haben sie!
Wird das bei verschiedenen Gelegenheiten thematisiert? Ja – aber nur extrem selten!

Vielleicht ist es sinnvoll in diesem Blog das Thema Angst zu beschreiben – machmal ist es leichter über etwas zu schreiben, über das man nur schwer sprechen kann. Es mag seltsam erscheinen das gerade jetzt zu tun – schliesslich bin ich ja noch nicht einmal losgefahren. Das heisst aber nicht, dass das Angst – gerade auch weil sie zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr unpräzise und fern der Realität stattfindet nicht doch präsent ist.

Im inneren eines Humvees während der vorbereitenden Übung (Mission Rehearsal) im JMRC. Foto: John Dyfed Loesche

Ich werde dazu im Folgenden Bezug auf ein nicht nur von mir als sehr lesenswert erachtetes Buch nehmen: WAR – ein Jahr im Krieg von Sebastian Junger. Nicht nur die Lektüre dieses Buches hat mir bei meinen Vorbereitungen gedanklich sehr geholfen. Auch der direkte Kontakt zu Sebastian, der viele meine Fragen sehr ausführlich beantwortet hat und mir unzählige Tipps für meinen ersten Embed mit auf den Weg gegeben hat haben unter anderem auch das Thema “Angst” zur Grundlage gehabt. Wer eine der meiner Meinung nach eindringlichsten Dokumentationen zum Thema Krieg in Afghanistan lesen will sollte mal auf den Link klicken. Er führt zur Amazon-Seite – normalerweise will ich keine Werbung machen, aber in dem Fall mache ich eine Ausnahme! Dieses Buch lässt niemanden unberührt!

In dem Buch wird eine Szene beschrieben, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Sebastian erzählt, wie er in einer langen zermürbenden Wartepause auf eine bevorstehende Gefechtssituation, in der er dabei sein wird, einen immer beklommeneren Gesichtsausdruck bekommt bis ihn ein Soldat direkt und so, dass alle anderen Anwesenden es hören anspricht. Dieser sagt: “Es ist OK Angst zu haben – Du darfst sie nur nicht zeigen!

Eine Unterhaltung die ein ähnliches Verhalten zeigt hatte ich selbst während unseres Vorbereitungstrainings im JMRC. Während einer Übungspause habe ich mich eine ganze Weile mit einem Specialist namens Corey unterhalten. Corey war ein Jahr im Irak-Krieg eingesetzt und ist mit der 172. jetzt nach Afghanistan abkommandiert. Auf meine simple Frage, ob er in der Zeit im Irak manchmal Angst gehabt hätte antwortete er sehr verlegen und erst nach langem Zögern mit dem Satz. ” Ja – hatte ich. An jedem beschissenen Tag! Aber ich würde es den Anderen (gemeint sind seine Kameraden in derselben Einheit) niemals erzählen. Und ich bin sicher – denen ging es genau wie mir. Gesagt hat aber Keiner auch nur irgendeinen Ton.”

Scheinbar ist das eine klassische Verhaltensweise – jeder macht Angst grundsätzlich mit sich selbst aus. Vielleicht weil es peinlich ist, Angst zu haben weil man als Schwächling da steht, man verletzlicher ist (eine schlechte Eigenschaft in einem Kriegsgebiet). Vielleicht um nicht eine Spirale von Unsicherheit in Gang zu setzen. Angst scheint ansteckend zu sein – man isoliert sich scheinbar um nicht den Virus der Angst auf Andere zu übertragen und damit sein ganzes Umfeld noch mehr zu verunsichern was dann wieder weitere Angst auslöst.

Sebastian Junger widmet in seinem Buch das gesamte erste Kapitel dem Thema Angst – er beschreibt es dabei viel besser als ich es je könnte. Die Angst eines Journalisten oder eines Soldaten im Kriegsgebiet ist dabei weitaus vielschichtiger als man es auf den ersten Blick annehmen mag. Angst vor Tod und Verletzung ist selbstverständlich, jedoch sind auch die Angst jemanden nicht helfen zu können oder durch eigenes Versagen die Gefährdung anderer zu verursachen Dinge, die einen ebenso zermürben können.

Was also genau verursacht meine Ängste? Zuerst natürlich z.B. die alltäglichen Meldungen aus Afghanistan welche ich regelmässig lese (und das tue ich gerade natürlich sehr häufig) – z.B. der Abschuss des US-Hubschraubers vor wenigen Tagen oder die Nachricht über die Sprengfalle bei der vor drei Tagen zwei Soldaten der Brigade ums Leben gekommen sind mit denen wir demnächst unterwegs sind.

Des weiteren ist es die Ungewissheit und das Unbekannte (das geht sicher Vielen so) – ich fahre in ein Land in dem ich noch nie gewesen bin, dass mir als Mensch zunächst einmal zumindest skeptisch wenn sich sogar verärgert oder feindlich gegeüber steht. Ich bin dort nicht herzlich willkommen und weder eingeladen noch ausdrücklich erwünscht. Ich bin dort eingebettet in eine Militäreinheit die in diesem Land ebenfalls eher ungern gesehen wird (diplomatisch ausgedrückt) und werde demzufolge als ein Teil dieser wahrgenommen.

Diese Situation beschwört die nächste Angst herauf – kann ich unter diesen Umständen und Bedingungen überhaupt gute Arbeit leisten? Ich bin es gewohnt in allen möglichen alltäglichen Situationen Bilder zu machen, aber noch nie habe ich unter derart extremen emotionalen Rahmenbedingungen gearbeitet – das ist für mich kein Alltag. Kann ich unter diesen Bedingungen überhaupt gute Bilder machen? Ist der psychologische Druck nicht zu hoch? Wie wahrscheinlich ist es dabei zu scheitern? Auch das sind Ängst die immer mitschwingen.

Angst kommt und geht ohne dass man selbst besonders grossen Einfluss darauf hat. Es gibt Momente in denen bin ich gelassen und entspannt was den Afghanistan-Besuch angeht. In anderen Momenten bin ich wieder voller Zweifel und Ängste. Allein das zuzugeben ist für mich nicht ganz leicht.

 

 

 

Casing of the flags

Das “casing of the flags”, das Einpacken der Truppenfahnen ist die offizielle Verabschiedung von US-Truppen bevor es in das Einsatzgebiet geht. Nach unserm Aufenthalt bei den vorbereitenden Übungen für Afghanistan fahren Dyfed und ich Ende Mai noch einmal nach Süddeutschland, da wir von der 172. Infantry Brigade eingeladen worden sind dieser Verabschiedung beizuwohnen.

Lt. Col. Curtis Taylor (l.), Batallionskommandeur in der 172nd Infantry Brigade packt die Truppenfahne ein.

Es ist ein klassisches militärisches Schauspiel was sich uns bietet. Eine ganze Brigade US-Soldaten (über 3000 Soldaten) angetreten auf einem Exerzierplatz in der US-Truppenkaseren in Grafenwoehr. Dazu geladene Gäste der Bundeswehr, der Stadt, des Landkreises, Familienanghörige, Freunde und Medien.

Mir persönlich gefallen solche Zeremonien nicht – das ist mir ein bisschen zu viel Pathos in den Abschiedsreden und wenn ein Kommandeur in seiner Rede bezeugt: “We will never leave a wounded or fallen soldier on the battlefield” dann wird jedem sehr drastisch vor Augen geführt um was es hier geht und man fragt sich schon, ob sie alle wieder “nach Hause” kommen.

Die Zeremonie ist wirklich mit dem Einpacken der Fahnen zu Ende und wir werden auf das Abschluss-Barbecue eingeladen. Und irgendwie erinnert es mich doch sehr an ein klassisches Deutsches Schützenfest – mit Bierzelt, Tanzfläche und Kinderbelustigung. Einzig die Angebotenen Speisen und Getränke unterscheiden sich und sind doch typisch Amerikanisch. Hotdogs, Burger, Popcorn, schrecklich süsse Waffeln und jede Menge Candy, Erdnüsse, Donots, Coca-Cola und natürlich Bier.

 

Die Stimmung im Zelt ist ausgelassen und mir persönlich gefällt – im Gegensatz zu einem Deutschen Schützenfest – die Musik hier wesentlich besser. Country, Rock und Pop, HipHop – gekoppelt mit Michael Jackson-Tanzeinlagen und Karaoke Gesängen von US-Soldaten. Und – erstaunlicherweise können die das. Keine Ahnung ob die für das Fest gecastet wurden, aber der Tänzer der zu Beat it einen Moonwalk vorführt hat’s echt drauf und mindesten die Hälfte aller Sänger können wirklich singen.

Wir nutzen die Gelegenheit um unsere Geschichte zu starten. Dyfed und ich haben uns überlegt, dass es Sinn macht einzelne Soldaten zu beschreiben und zwar aus unterschiedlichen Dienstgraden.

Sowohl Offiziere als auch Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade sollen repräsentiert sein und so bekommen wir von Captain Perkins, dem Kompaniechef der 228. mit der wir in Afghanistan sein werden genau so ein Interview und seine Statements zum bevorstehenden Einsatz, wie vom Platoon-Leader Leutnant Martin, vom Platoon Sergeant Albanese wie auch von einigen Privates und Specialist des White Platoon dem wir uns anschliessen werden.Ich bin gespannt ob das deckungsgleich mit dem sein wird was sie uns erzählen wenn wir vor Ort sind.

Für meinen Geschmack sind sie ein bisschen zu euphorisch – oder müssen sie das einfach sein um zumindest im Kopf einen einjährigen Kriegseinsatz zu bewältigen?

Das nächste Mal dass wir sie wiedersehen werden wird vor Ort in Afghnistan sein und bevor sie zwischen Juni und Juli verlegt werden müssen sie ausser den Truppenfahnen noch so Einiges Andere einpacken. “A hell of a job” – wie sie sagen – eine ganze Brigade nach Afghanistan zu verlegen wo sie zwar die Fahrzeuge der jetzt dort stationierten Einheit übernehmen … nichtsdestotrotz möchte ich nicht wissen wieviel Frachtflugzeuge benötigt werden um eine 3000-Mann Brigade incl allen Materials in das Kriegsgebiet zu transportieren.

Verabschiedet sind sie nun – und während ich dass hier schreibe hat auch die Einheit die sie ablösen den Heimweg angetreten und die 172. macht ihre ersten Patrouillen in Afghanistan. Take care!

 

 

Ein bisschen Geschichte

In einer Mail vor zwei Tagen schlägt mein Freund Jan in Bezug auf den Blogeintrag Zahlen und Daten die Ergänzung um historische Details vor – toller Tipp den ich gerne aufnehme und wenn man sich die Geschichte Afghanistans anschaut stellt man fest, dass sich die meisten Aggressoren an diesem Land bereits die Zähne ausgebissen haben und die Thematik und Problematik von damals sich von heute nicht so sehr unterscheidet. Wer noch mehr zu diesem Thema beitragen kann: Feel free to write – your welcome!

Zitat Jan:

“Alexander der Große und Afghanistan:
Alexander hatte Baktrien (entspricht ungefähr dem heutigen Afghanistan) militärisch
eingenommen (ca. 329 v.Chr.).

Er ging mit äußerster Härte gegen Aufständische und die dort vormals herrschenden Perser vor, ganze Dörfer und Städte (z.B. Herat) wurden versklavt.
Aber um dauerhaft dort herrschen zu können, versuchte er die griechische “Ökumene” im Sinne von Dialog und Nebeneinander.

Die Bewohner durften ihre Sitten/Religionen/Sprachen ausführen/sprechen während die jetzt herrschenden Griechen sich dafür interessierten UND ihre eigenen Anschauungen präsentierten – nicht aufzwangen. Die Einwohner Baktriens durften aber mussten nicht teilhaben. Alexanders Nachfolger herrschten dort noch ca. 150 Jahre
(Griechisch-Baktrisches Reich).

Allein die militärische Härte ohne Verständigung hat später weder die Briten
noch die Sowjetunion zu ähnlichem Erfolg geführt. Allerdings, um den Vergleich
zu komplettieren, Alexander wollte weiter nach Osten. Sonst hätte er evtl.
niemals Baktrien/Afghanistan angegriffen. Als Anlass nahm er die Verfolgung
eines persischen Herrschers (Bessos).

Heutzutage scheint es himmelstechnisch umgekehrt zu sein – Pakistan spielt eine
interessante Rolle… ”

Zitat Ende

Quellen für diese Aussagen sind:

http://de.wikipedia.org/wiki/Griechisch-Baktrisches_K%C3%B6nigreich
http://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan#Von_der_Antike_bis_zur_Neuzeit
http://de.wikipedia.org/wiki/Balch#Geschichte
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_der_Gro%C3%9Fe#Die_Verfolgung_des_Bessos_.28330.E2.80.93329_v._Chr..29

Ich danke für solche Mails, die die Inhalte dieses Blogs erheblich erweitern/bereichern und sich mit Themen beschäftigen die von meinem durchaus oft eingeschränkten Blickwinkel abweichen!

 

Die Truman-Show – Finale

Es kracht mehrfach heftig im COP – Rauchgranaten explodieren direkt neben dem Zaun des Lagers in der Nähe unseres Zeltes. Es ist Mitternacht und wir haben schon zwei Stunden vorher Maschinengewehrfeuer vom 500 Meter entfernten Waldrand gehört. Das werden wohl “Enemy Forces” sein, die dort auf eine Patrouille amerikanischer Soldaten gestossen sind.

Rauchgranaten explodieren neben dem COP der 228. Kompanie auf dem Gelände des JMRC in Hohenfels / Bayern

Inzwischen sind wir (Dyfed und ich) eine Woche auf dem JMRC – Gelände im bayrischen Hohenfels (das war im März/April 2011) und begleiten Soldaten der 172. Infantry Brigade bei ihrer vorbereitenden Übung für den Afghanistaneinsatz. Und langsam wird diese Truman-Show Alltag – während Dyfed gerade ein Interview mit Captain Perkins von der 228. Company führen will, findet ein Mörserangriff von Taliban auf unser Lager statt. Perkins steht im TOC – dem Tactical Operation Center – das Interview ist abgebrochen und er koordiniert seine Einheiten um die Angriffe abzuwehren.

Draussen steht ein Sergeant der US-Army und wirft von ihm selbst gezündete Rauchgranaten über den Zaun um den genannten Angriff zu simulieren. Das macht ihm offensichtlich so viel Spass wie einem Pyromanen die Silvesterfeier. Immer wieder detonieren die Dinger und er steht mit einem breiten Grinsen daneben. Langsam zieht dichter Rauch über den COP und die US-Soldaten müssen professionell reagieren so wie sie es bei einem echten Angriff in ihrem Einsatzgebiet auch tun müssten.

 

Es herrscht hektische Betriebsamkeit. Die eigenen Mörser des COP werden auf die vermutete Abschussposition der feindlichen Granaten einjustiert. Patrouillenfahrzeuge starten ihre Motoren, ein Platoon Ranger macht sich zum Abmarsch bereit, Black Hawk Hubschrauber fliegen mit ohrenbetäubendem Krach über unseren Köpfen um Verletzte zu bergen die sich scheinbar ausserhalb des COPs befinden … der ganz normale Wahnsinn.

Ziemlich realistisch wie das Alles hier simuliert wird – wenn man nicht genau wüsste dass man auf einem bayrischen Übungsplatz wäre und das alles nur Simulation ist würde einem diese Situation vermutlich den Angstschweiss aus den Poren treiben. So aber schlendere ich mit meiner Kamera durch die herumwuselnden Soldaten, treffe Dyfed der ebenfalls die ganze Situation etwas nachdenklich betrachtet, werde gefragt ob ich mit rausfahren will (was ich nicht will, da es morgen wieder nach Hamburg geht und es ausserdem so stockfinster ist, dass keine Kamera der Welt hier noch Bilder realisieren könnte) und finde mich eine halbe Stunde später rauchend bei ein paar Sanitätssoldaten wieder die gerade ebenfalls nichts zu tun haben – alle Verletzten sind im Helikopter. Pause!

Die letzten Tage laufen gerade noch einmal wie ein kleiner Film in meinem Kopf ab. Wir haben einen Airdrop mitgemacht. Bei einem Airdrop wird auf einem abgesteckten Feld von 1-2 Kilometern Länge von Army Transportflugzeugen Ladung per Fallschirm abgesetzt. Im Normalfall kann das alles sein, von Munition bis zu Baumaterial. Hier bei der Übung werden palettenweise MREs (Fertiggerichte) per Fallschirm abgeworfen, was die am Dropfield wartenden Soldaten zu dem lakonischen Kommentar: “Jetzt bewerfen sie uns schon mit dem Essen” veranlasst.

So ganz funktioniert der Airdrop nicht, bei einer Palette öffnen sich die Fallschirme nicht und die Palette mit den Essenspaketen kracht ungebremst in den Wald wo sich die Pakete in einem Radius von hunderten Metern verteilen. Problematischerweise wird es jetzt noch dunkel und wir fahren erst wieder rein bis auch das letzte Paket unter Taschenlampensuche aus dem Wald geborgen ist. Liegenlassen ist nicht – die auf dem grossen Truppenübungsplatz heimischen Tiere könnten sich an den Verpackungen und dem Inhalt verletzen oder vergiften … Die Suche dauert und der Kommentar des Bordschützen meines Humvees zu der ganzen Aktion ist “Fuck the wildlife” (und da die Situation wirklich abstrus ist löst sie grosses Gelächter bei Dyfed und mir aus) – trotzdem hilft auch unser Bordschütze fleissig suchen.

Wir sind mit auf Patrouille gewesen, haben uns in die Marschordnung eines Platoons eingereiht, sind durch den Wald gelatscht, Hügel hoch und runter …

Wir haben rappende Kampffahrzeugsbesatzungen, afghanische Übersetzer, Westpoint-Absolventen, Soldaten die fast noch Kinder wahren, Haudegen, die bei fast jedem bewaffneten Konflikt den amerikanische Truppen in den letzten Jahren geführt haben dabei waren, Sonnenblumenkern-Kauende Sergeants, einen Golf GTI Fan,  Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere und Offiziere getroffen und teilweise vollständig durchgeschrotete manchmal aber auch sehr weise Sprüche gehört. Man erinnere dabei nur an einen 21-jährigen Funker, der im Irakkrieg (da war er 18) einen Schuss in die schusssichere Weste abbekommen hat und sich am meisten über das Geld gefreut hat dass er aufgrund seiner Verletzung (bei einem Schuss in die vordere Weste brechen meistens mehrere Rippen) von der Army bekommen hat … Das er mit dem Leben davon gekommen ist erschien ihm selbstverständlich. Eine krude Vorstellung …

Es gäbe noch eine ganze Menge kleinerer und grösserer Anekdoten zu erzählen. Doch es soll auch keine Verklärung der Situation mit lustigen Geschichten erfolgen. Das hier ist – und das sollte man sehr klar sagen – eine Vorbereitung auf den Krieg. Vornehmlich geht es bei diesem Training um eigene Sicherheit, Lernen adäquat zu reagieren wenn eine Situation kritisch wird und im Zweifelsfall auch den gezielten Einsatz von Waffen zu automatisieren. Das muss man sich immer wieder bewusst machen. Die Tatsache dass überall in einem Militärlager Waffen herumliegen oder herumstehen, Munition irgendwo gestapelt wird und Explosivkörper wie Handgranaten und Sprengstoffe immer am Mann sind heisst auch deutlich: Im Zweifelsfall wird davon Gebrauch gemacht. Immer den Spruch im Hinterkopf “das ist eine friedenserzwingende Massnahme” – was für ein Irrsinn!

 

Zahlen und Daten

Um etwas bessere Übersicht zu bekommen habe ich hier ein paar Zahlen und Daten über den ISAF – Einsatz in Afghanistan zusammengestellt. Sie sind sehr subjektiv ausgesucht – haben mich zum Teil erstaunt und zum Teik erschüttert. Da ich immer wieder über einige dieser Zahlen gestolpert bin habe ich die für mich Interessantesten in der folgenden Liste zusammengefasst.

Sobald ich weitere interessante Zahlen finde werde ich die Liste hier updaten. Sollte jemand weitere interessante Zahlen oder Statistiken die hier her passen wissen, kann er sie gerne an mich senden um damit eine weitere Detaillierung der Liste zu erreichen.

Die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, kurz ISAF (International Security Assistance Force) ist eine Mission unter NATO-Führung in Afghanistan. Definiert ist hier ein sogenannter “friedenserzwingender” Einsatz unter Verantwortung der beteiligten Staaten, also kein Blauhelm Einsatz.

  • 1,25 Milliarden Euro kostet allein der Deutsche Einsatz im Jahre 2010
  • 129,8 mio Einwohner hat Afghanistan
  • 665.225 Quadratkilometer beträgt die Fläche Afghanistans
  • 150.000 Soldaten haben die Afghanischen Streitkräfte (ANA) z.Z.
  • 130.000 Soldaten insgesamt stellt die ISAF z.Z
  • 78.000 US-Soldaten sind zur Zeit in Afghanistan eingesetzt
  • 36.000 Taliban Rebellen (ISAF-Schätzung) gibt es in Afghanistan
  • 35.450 Mio US-Dollar ist die offiziell Entwicklungshilfe für AFG von 2002-2009
  • 8.832 zivile Kriegstote gab es laut UN zwischen 2006 und 2010
  • 7.500m hoch sind die höchsten Gebirge des Hindukusch
  • 4.590 Bundeswehr-Soldaten sind in Afghanistan stationiert
  • 2.100 Soldaten der ISAF-Truppen kamen bisher ums Leben (von 2001 – heute)
  • 600 Soldaten aus 28 Nationen arbeiten z.Z. im ISAF Hauptquartier in Kabul
  • 200 von 1.000 afghanischen Kindern sterben vor ihrem 5. Lebensjahr
  • 180 Selbstmordanschläge fanden im Jahr 2009 statt
  • 76% aller zivilen Opfer kommen laut UN durch Taliban-Aktionen ums Leben
  • 70% beträgt die Rate an Analphabeten in Afghanistan
  • 69% aller Deutschen lehnen den Afghanistan-Einsatz ab (Stand 2009)
  • 68% des afghanischen Opiums war 2009 Anteil der Weltproduktion
  • 49 Sprachen werden in Afghanistan gesprochen (zzgl. 200 Dialekte)
  • 47 Nationen nehmen am ISAF-Einsatz in Afghanistan teil
  • 45 Jahre beträgt die durschnittliche Lebenserwartung der Einwohner Afghanistans
  • 43 Bundeswehr-Soldaten kamen bislang ums Leben
  • 12% aller zivilen Opfer kommen laut UN durch ISAF-Truppen-Aktionen ums Leben
  • 1 Journalist kam 2010 in Afghanistan ums Leben / vgl. Mexiko (10), Pakistan (10)
  • 1 Arzt ist in Afghanistan für durchschnittlich 6.500 Einwohner zuständig
  • 0 Deutsche Auslandskorrespondeten arbeiten mehr in Afghanistan / Stand 30.05.11

Status – Update

Die Rahmendaten für die Bericherstattung stehen jetzt so einigermassen fest. Los geht’s am 1.September – zurück dann wahrscheinlich am 21.September. Der Hinflug ist fix, das Rückflugdatum ist laut Informationen von Journalisten-Kollegen durchaus variabel.

Wie sagt man so schön – beim Militär ist eben nichts so beständig wie die Lageänderung.

Der Autor neben einer ungepanzerten Version des amerikanischen Militärfahrzeugs Humvee. Foto: John Dyfed Loesche

Vor Ort haben sich die US-Truppen inzwischen “eingerichtet”. Das heisst, dass die 172. Brigade mit der Dyfed und ich in Afghanistan unterwegs sein werden mittlerweile vollständig in die Paktika-Provinz verlegt ist. Zur Verabschiedung der Truppenteile waren wir beide zu Gast in Grafenwöhr – in einem weiteren Blog-Eintrag werde ich dieses Erlebnis in den nächsten Tagen noch mal intensiver beschreiben.

Interessanterweise hat die 172. eine eigene Facebook-Seite auf der sie selbst Bilder und Updates des Einsatzes vor Ort postet. Von Geheimniskrämerei kann also keine Rede sein.

Hier der Link: http://www.facebook.com/172infantrybrigade

Meine Packliste ist indes noch nicht wirklich fertig. Wie schon einmal beschrieben hadere ich noch ein bisschen mit der mitzunehmenden Technik. Ausserdem weiss ich noch nicht genau was alles sonst noch “in den Koffer gehört”, welche Gegenstände rechtzeitig da sind und welche ich mir vor Ort noch besorgen muss etc. -

Vermutlich sind die Vorbereitungen erst in letzter Sekunde wirklich abgeschlossen – oje.

Risiken und Nebenwirkungen

Ein Soldat der 172. Seperate Infantry Brigade der US-Army patroulliert auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels in einem Waldstueck.

Zwischen den Einträgen über Vorbereitung, US-Truppen etc. ist vielleicht ein kurzes Innehalten angebracht um sich mit der Arbeit in einem Kriegsgebiet auseinanderzusetzen. Was um alles in der Welt will man da, was will ich da? Was bezweckt die fotografische Arbeit da?

Diese Frage habe ich so einigen erfahrenen Kollegen gestellt, die ich im Vorfeld bereits gesprochen habe und ich glaube die Antwort ist weitaus komplexer als es im ersten Moment scheint. Die Frage habe ich bereits im allersten Post in diesem Blog selbst gestellt und eigentlich nur oberflächlich beantwortet – eine nähere Beschäftigung damit scheint auf jeden Fall unvermeidlich.

Erste Reaktionen aus dem privaten Umfeld schwanken zwischen harscher Kritik (“Du bist ein Spinner!” oder “Das ist doch geistesgestört!”) und starkem Interesse (“Das klingt sehr spannend!” oder “Das würde ich auch gerne mal machen!”)

Einige sehen das Risiko und die Gefahr eines solchen Einsatzes, andere wiederum sehen nur das “Abenteuer” wieder andere langweilt die blosse Auseinadersetzung mit dem Thema.

Angefangen bei der Krankenversicherung – die sieht das Thema geschäftlich professionell und erklärt die Nichtwirksamkeit ihrer Versicherungsleistungen in einem Kriegsgebiet. Da man aber für Geld bekanntlich alles kaufen kann, kann man auch hier eine Zusatzversicherung für den Zeitraum abschliessen. Die ist zwar teuer – aber zumindest sinnvoll.

Die Berufsgenossenschaft reagiert auch gelassen – wenn man einen Vorbereitungslehrgang gemacht hat (den kann man zumindest bei der Bundeswehr machen: “Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten” -  die Berufsgenossenschaft zahlt den sogar) ist man bestens vorbereitet (glauben sie) und sie kommen für evtl. Schäden auf – so man auch bei denen eine Art Berufsunfallversicherung abgeschlossen hat. Ob dieser Lehrgang bei einem Embed Sinn macht – die Frage wird nicht gestellt. Aber um einen Embed zu machen muss man ja auch den Lehrgang zusammen mit der Truppe bei der man eingesetzt wir machen. Für uns war das die schon mehrfach erwähnte “Mission Rehearsal” in Hohenfels.

Das ganze Equipment ist interessanterweise leichter zu versichern. Kameras, Objektive – kein Problem. Das ganze Zeug kann ruhig kaputt gehen – am Ende zahlt es die Versicherung wenn im Kleingedruckten explizit auch Kriegs- und Krisengebiete ausgewiesen sind.

Aber wer versichert einem nun, dass einem nichts passiert? Das kann eben niemand! Kein Soldat fährt in dem Bewusstsein, dass er nicht auch ernstlich verletzt oder getötet werden kann in einen solchen Einsatz und kein Journalist sollte so blauäugig sein anzunehmen, dass ihm schon nichts passieren wird.

Trotz allem ist damit immer noch nicht definiert wie hoch das Risiko tatsächlich ist. Es macht natürlich einen Riesen-Unterschied, wo man eingestzt wird und was man macht. So bekommt z.B. ein Stabsoffizier, der niemals das Hauptquartier verlässt und sich immer nur in militärischen Grossbasen aufhält (das passiert im Übrigen wohl ziemlich häufig) vom Krieg in Afghanistan etwas genau so viel mit wie ein Durchschnitsseuropaer vor dem Fernseher.

Bei einem Frontsoldaten auf Patrouille im Kampfgebiet sieht das schon ganz anders aus. Der ist permanent hoch gefährdet. Dasselbe gilt für Journalisten – ist man bei den Fronteinsätzen draussen dabei, oder schlendert man durch die Militärbasen so nach dem “me too Motto” – ich war auch dabei …

Die Frage sollte erlaubt sein – wer um alles in der Welt braucht denn noch Kriegsfotos. Das Schrecken des Krieges ist in unfassbar vielen guten eindringlichen Bilder dokumentiert Wer da noch glaubt, das toppen zu können erscheint zumindest mir ein bisschen weltfremd. Und die Begründung der ganzen Journalisten, neue Winkel des immer wieder gleichen Themas finden und zeigen zu wollen erscheint ein bisschen unglaubwürdig. Mir zumindest ist die Begründung ein bisschen zu fade.

Die ganzen Capas, Nachtweys, Turnleys, Hetheringtons dieser Welt – sind das vielleicht doch nur Adrenalinjunkies, die den Kick suchen und ihn mit ihrer Arbeit legitimieren? Nicht dass ich mich mit diesen wirklich brillianten Fotografen auf eine Stufe stellen will – die fotografieren in einer anderen Liga zu der ich mich nicht zugehörig fühle – aber ich kann mir schon vorstellen, dass dieser Rausch, der Gefahr ausgesetzt und ihr wieder entkommen zu sein ein ziemlich heftiger ist. Ist es also die journalistische Legitimation für die Droge Krieg, von der sie nicht mehr loskommen? Ob man auf eine solche Frage wohl eine ehrliche Antwort bekommt? Würde man sie mit nämlich mit ja beantworten wäre damit ja gleichzeitig auch der Nutzen der Arbeit in Frage gestellt. Eine bittere Erkenntnis!

Auf den Rausch eines Feuergefechts oder unmittelbare Gefahr und Bedrohung durch Anschläge, Autobomben etc. kann ich gerne verzichten. Um da freiwillig mitzumachen bin ich vermutlich ein viel zu grosser Angsthase – und selbst wenn ich es tun würde, was für Bilder kommen dabei raus. Wie gesagt – ich wüsste keines, das noch nicht gemacht worden wäre und zwar besser als ich es je machen könnte. Und die Hardcore-Sprüche wie “wenn Deine Bilder nicht gut genug sind warst Du nicht nah genug dran”, klingen auch ein bisschen wie Testosterongesteuertes Heldengelaber! Eine Art Selbstlegitimation für Kamikazeaktionen …

Vielleicht hatte das noch einen Sinn, als Kriegsfotografie neu war, als Bilder verbreitet wurden die so noch nie gemacht oder gesehen wurden. Capas Bilder der Invasion in der Normandie – unglaubliche Zeitdokumente in so noch nie gesehener Intensität. Seitdem sind aber nun Jahrzehnte vergangen und eine wahre Bilderflut prasselt bei jedem bewaffneten Konflikt auf uns herein. Die US-Einheiten, die in Afghanistan operieren haben, ob man es glaubt oder nicht, sogar eigene Facebookseiten auf die sie selbst Bilder ihrer Einsätze stellen. Wer glaubt also noch bisher nicht gesehenes mit seinen Bildern zeigen zu können? Warum also fahre ich da mit?

Um mir darüber klar zu werden war der Lehrgang in Hohenfels ganz wichtig. Nicht nur dass ich mit dem täglichen Einerlei einer Militärmaschinerie ein bisschen vertrauter geworden bin, ich habe durch den Kontakt mit den Soldaten und Gesprächen die ich geführt habe langsam angefangen zu finden, was ich gesucht habe, nämlich die Geschichte die ich bebildern will.

Wenn man unter die zehn Jahre Krieg in Afghanistan einen grossen Strich und ein Fazit ziehen würde zu was für einem käme man? Es ist meiner Meinung nach ein Konflikt zweier verschiedenen Kulturen wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Nichts scheint kompatibel zwischen den USA und Afghanistan. Nicht die Religion, nicht die Lebensweise, nicht die Ansichten, ja nicht einmal die Lebenserfahrungen des Alltäglichen. Nichts aber auch gar nichts scheint zueinander zu passen und doch stehen sich diese grundverschiedenen Mentalitäten und Kulturen gegenüber. Kritisch, vorurteilsbehaftet, feindlich, verständnislos, ängstlich und unversöhnlich.

Und hier kommt mein Ansatz hinzu. Die Einheit mit der ich mitfahre hat den Auftrag die afghanische Zivilbevölkerung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu unterstützen. Es soll zivile Wiederaufbauprojekte geben, es soll der Versuch eines Miteinanders gestartet werden. Dabei werden die US-Soldaten direkt mit den Afghanen konfrontiert sein und dieser Zwang miteinander umgehen zu müssen, eine und sei sie auch noch so kleine Basis für eine beidseitige Kommunikation aufbauen zu müssen. Das finde ich hochinteressant – dieses Aufeinanderprallen von Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können mitzuerleben und zu visualisieren. Ich will sehen wie es ist wenn es zu solchen Begegnungen kommt versuchen das in Bilder umzusetzen.

Es ist nicht das Kämpfen dieser beiden Parteien gegeneinander was mich reizt zu begleiten es ist die Anforderung an Soldaten und Zivilbevölkerung aufeinander zugehen zu müssen um Kommunikation überhaupt erst mal zu beginnen die ich in meinen Bildern festhalten will.

Ich habe Bilder dieser Art gesucht und natürlich auch da so Einiges gefunden. Aber die Möglichkeiten in diesem thematischen Umfeld erscheinen mir als noch nicht ausgereizt.

Natürlich ist auch das nicht risikolos. Es findet zwischen verfeindeten Parteien in einem Kriegsgebiet statt. Es ist immer erforderlich eine schusssichere Weste und Helm zu tragen. Niemand kann prognostizieren was wirklich passieren wird, aber ich schliesse mich keinen Truppen an die einen Kampfauftrag haben und ich gehe nicht in ein Gebiet wo schon im Vorfeld klar ist dass es hier zu Kampfhandlungen kommt oder wo sich bewaffnete Kämpfer gegenüber stehen. Ich gehe dahin wo es friedlichen Kontakt geben soll. Würde ich die “klassischen Kriegsbilder” machen wollen wäre dieses Einsatzgebiet sicher das Falsche – da hätte ich andere Bereiche in Afghanistan aussuchen müssen – dahin will ich nicht!

 

 

 

The Truman-Show – Part 3

Ein Soldat der US-Army sichert auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels eine Strasse in einem nachempfundene afghanischen Dorf.

Wir werden in einem Zelt zusammen mit den Übersetzern beherbergt. Zwei Pakistanis und ein Afghane die in Deutschland und Österreich leben und für die Zeit der “Mission Rehearsal” als Dolmetscher mit den US-Soldaten in den Camps untergebracht sind. Durch die Unterbringung zusammen mit den Übersetzern lernen wir eine Menge über Afghanistan und dortige  Traditionen, Lebensweisen und Gebräuche. Die Drei nutzen jede Chance um uns ein bisschen auf das vorzubereiten, was uns in ihrer alten Heimat erwartet.

Um den Job der Übersetzer besser zu verstehen muss man sich ansehen, wie ein klassischer Einsatz funktioniert. Bei einem Einsatz von US-Truppen in Afghanistan sind immer auch Soldaten der ANA – der Afghan National Army – dabei. Die Verständigung zwischen Afghanischen- und US-Soldaten ist natürlich nur durch Dolmetscher zu realisieren. Ausserdem müssen sie die Übersetzung zwischen US-Soldaten und der afghanischen Zivilbevölkerung manchmal sogar die übersetzung von Afghanischen Soldaten und der Zivilbevölkerung (die teilweise die unterschiedlichen Landessprachen “Dari” und “Paschtu” sprechen) leisten.

Im JMRC wird das ganze dann richtig konfus. Ein Pakistani der in Deutschland lebt (und sowohl Dari und Paschtu als auch Englisch und Deutsch spricht) spielt in einem Rollenspiel einen afghanischen Übersetzer, der zwischen Afghanischen Soldaten, die erstaunlicherweise von polnischen Nato-Soldaten gespielt werden (die fast kein Englisch und kaum Deutsch können) , US-Soldaten (die Englisch und teilweise Deutsch sprechen), afghanischen Rollendarstellern die aus Afghanistan kommen (und teils Dari, teils Paschtu sprechen und Deutschen Rollendarstellern, die Afghanen spielen (und Deutsch und nur wenig Englisch sprechen) übersetzt. Verstanden? Nicht? – na dann versuche ich mich mal als Übersetzer …

Eine Situation beschreibt ganz gut, was bei einem solch babylonischen Sprach- und Nationengewirr rauskommt. Die Situation ist folgende: Amerikanische Soldaten sollen üben, wie sie sich in einem afghanischen Dorf zu verhalten haben und dort mit der Zivilbevölkerung und der Afghanischen Armee zu kommunizieren.

Der Auftrag ist, zu besprechen, wie die lokale Polizei besser bei der Reparatur der lokalen Polizeistation unterstützt weren kann die gerade in einem etwas erbärmlichen Zustand ist. Wir befinden uns in der Truman -Show – los gehts.

Die amerikanische Patrouille macht sich in ihrem Lager bereit ein kleines afghanische Dorf zu betreten. Dabei sind ein Übersetzer (ein gebürtiger Pakistani), mehrere Soldaten der afghanischen Armee (in diesem Falle polnische Soldaten), ein Journalist und ein Fotograf (beides Deutsche – nämlich Dyfed und ich), und natürlich ein Platoon US-Soldaten.  In Marschformation betreten wir ein eigens auf dem Truppenübungsplatz errichtetes “afghanisches Dorf” und begrüssen die dort wohnenden Einheimischen (ein paar Deutsche und ein paar Afghanen, sowie ein par Polen). Der Leutnant der US-Armee, der die Gespräche führt begrüsst den lokalen Polizeichef auf Englisch. Der jedoch versteht nicht wirklich viel, da er Pole ist. Der Übersetzer der eigentlich zwischen den beiden dolmetschen soll versteht nun leider auch kein polnisch sodass es ein etwas kruder Mix aus Englisch und Deutsch wird, mit dem man sich über die kommenden Arbeiten an der Polizeistation einigt. Die mit uns ins Dorf gegangenen Polen der ANA halten sich aus allen Übersetzungen raus – warum auch immer …

Glücklicherweise kommt noch ein afghanischer Geschäftsmann dazu (gespielt von einem Deutschen), der dankenswerterweise den Auftrag für die Reparatur der Polizeistation annimmt – ohne das die polnischen Polizisten nun verstehen was genau er in Zukunft macht. Aber er kann durchsetzen dass er demnächst die Reparaturen durchführt. Na immerhin bekommt er Geld dafür.

Inzwischen kommen ein paar Dorfbewohner (alles Deutsche) dazu und fangen ein bisschen Small-Talk mit den ebenfalls rumstehenden US-Soldaten an. Da die Dorfbewohner nicht wirklich Englisch sprechen, verstehen die US-Soldaten kaum etwas, da man sich aber als Rollendarsteller doch ein bisschen engagieren muss küren sie mich als Ziel aus … Sie halten mich für einen Angehörigen der US-Armee und fangen an mich misstrauisch zu fragen, ob ich mit den Kameras  wohl ihre Frauen fotografiert habe (was ein absolutes NO-GO wäre). Das tun sie auf Deutsch – und weil der Übersetzer nicht ganz so gut Deutsch spricht, hat er nicht verstanden was sie von mir wollen. Ich fühle mich also genötigt mich als Deutscher zu outen und antworte ihnen auf Deutsch, dass ich keine Frauen fotografiert habe.

Das löst allgemeine Heiterkeit aus (nicht das ich keine Frauen fotografiert habe, sondern die Tatsache dass ich Deutsch spreche) was wiederum erstens den armen Übersetzer vollständig arbeitslos macht und zweitens die US-Soldaten glauben lässt, dass alles in bester Ordnung ist und sie nun überzeugt sind dass ich ein besserer Übersetzer als der Eignentliche bin und ich von ihnen gefragt werde, ob ich nicht dem polnischen Polizisten noch mal erklären kann was an der maroden Polizeistation zu tun sein. Das klappt nicht – ich spreche ja kein polnisch – und löst sowohl bei den polnischen Polizisten als auch den US-Soldaten die Deutsch sprechen relativ viel Gelächter aus. Der Gesichtsausdruck des Übersetzers, der sich inzwischen völlig überflüssig fühlt tut ein Übriges um die inzwischen ausgelassene Stimmung noch weiter zu befeuern.

Was lernen wir daraus: Nicht jede Situation lässt sich so einfach nachstellen. In Afghanistan selbst, wo diese Situation real gewesen wäre gibt es keine polnischen Polizisten und Deutsche Fotografen, die mit der Landesbevölkerung rumalbern gibt es sicher auch nicht. Und die Übersetzer müssen nicht zwischen zwei Sprachen übersetzen von denen sie eine selbst kaum verstehen. Hätten alle nur Englisch und Paschtu gesprochen (man kann davon ausgehen, dass hauptsächlich diese beiden Sprachen in Afghanistan aufeinandertreffen)  wäre es vermutlich anders – also seriöser und ernsthafter – abgelaufen.

Nun ja – es ist nicht so, dass wir nicht auch auf sehr realistische Simulationen des US-Einsatzes gestossen wären …

Davon vielleicht mehr in Part 4 …