A Ghost in Tower 2

Wir sitzen auf den Stufen vor unser Holzbaracke und verarbeiten gerade die Erlebnisse des Tages – da passiert es. Einer der Soldaten der neben uns in der Baracke wohnt kommt nach seinem Wachdienst schwer bewaffnet um die Ecke gelaufen und behauptet: “There’s a Ghost in Tower 2″. Das setzt den ganzen Erlebnissen des Tages die Krone auf … einer von Denen die beinahe darauf warten ein Feuergefecht zu erleben und meist auf dicke Hose machen, kommt leicht verängstigt um die Ecke und behauptet auch nach Nachfrage er habe einen Geist gesehen – irgendeinen schwarzen tellergrossen Dämonen – und wirkt ziemlich durcheinander. Was immer er auch gesehen hat – vermutlich eine der hier heimischen grossen Spinnen – es ist nicht rauszubekommen. Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hat grinsen Dyfed und ich uns an … solange der Geist nicht zu den hier aufgestellten Dixie-Klos weiterwandert kann uns das egal sein

Der Tag war heftig – wir waren auf einer Mission der Truppen mit im Berggebiet Afghanistans. Mit Helm und mit genug Wasser und der obligatorischen schussicheren Weste bekleidet fahren wir in einem Konvoi aus mehreren MRAPs – angeblich ist er Minensicher und Hinterhalt-geschützt – offiziell heisst das Mine Resident Ambush Protected aus dem COP zu einem 12 km entfernten Checkpoint, den die US-Soldaten zusammen mit der afghanischen Polizei während ihrer 5 Tages-Mission aufgebaut haben. An dieser Stelle hat es immer wieder Angriffe der Aufständischen gegeben, also ist dieser Kontrollpunkt eine Ansammlung von Schuss- und Splittersicheren Barrikaden den sogenannten Hescos aufgebaut worden. Die Mission heute dient dazu diesem Checkpoint noch ein Dach zu verpassen – das soll Sicherheit vor Mörserbeschuss bringen.

Eine Strasse wie die auf der wir fahren habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen. Ein staubige Bergpiste die durch die Bergregion führt, über und über mit riesigen Schlaglöchern versehen und von Flüssen und Bächen überflutet. Das auf dieser Strasse überhaupt Fahrzeuge fahren grenzt an an Wunder – dabei ist es die Hauptverbindungsroute nach Pakistan und nicht nur Militärfahrzeuge nutzen sie sondern auch die überall zu sehenden Jingle-Trucks, knallbunt angemalte uralte LKWs mit denen Waren transportiert werden.Die Fahrt dauert mehr als eine Stunde.

Die grösste Angst der Soldaten ist die vor sogenannten IEDs. (Improvised Explosive Devise), selbstgebaute Bomben, von teilweise so immenser Sprengkraft, dass sogar die stark gepanzerten MRAPs dabei  beschädigt und die Besatzung verletzt werden kann – solche explodieren in der Provinz Praktika beinahe täglich. Aus diesem Grund sind vor den MRAPs Minenwalzen angebracht die die IEDs vor dem Fahrzeug zum Explodieren bringen sollen – dann kracht es zwar heftig, der Fahrzeugbesatzung passiert aber nichts.

Es geht also raus und kurz nachdem wir losgefahren lässt der Turmschütze unseres MRAPs schon das Maschinengewehr loshämmern – das Fahrzeug hinter uns lässt den Granatwerfer los und die Afghanischen Soldaten im Fahrzeug vor uns springen heraus und schiessen mit ihren AK47 Schnellfeuergewehren auf irgendwas rechts und links der Strasse. Das Feuer hört so schnell wieder auf wie es angefangen ist – war nur ein Test ob alle Waffen auch funktionieren … na super …

Am Checkpoint angekommen verfolgen wir kurz die dortigen Bauarbeiten – ein LKW voll Baumaterial wird abgeladen und Soldaten der US-Army sowie afghanische Polizisten fangen munter an Heimwerker zu spielen. OK – das ist langweilig – findet auch Leutnant Chad Christian und fragt ob wir Lust auf wandern haben. In den umliegenden Hügeln haben weitere amerikanische Soldaten Feuerstellungen bezogen die die Bauarbeiten absichern – zu denen wollen wir. So ein richtig munterer Wanderausflug ist das aber nicht. Vollgepackt kraxeln wir zur ersten Stellung an der uns Staff Sergeant Nunez die Umgebung erklärt – er zeigt auf einen höheren Berg vor uns auf dem ein grosser Baum steht und sagt, dass das die Stellung sei von der die Taliban häufig auf sie herunter schiessen. Um näher an diesen “One Tree Hill” heranzukommen gibt es eine weitere Feuerstellung auf einem weiter links liegenden Berg. Zu dieser klettern wir weiter hoch und dabei geht uns fast die Puste aus – in mehr als 2500 m Höhe mit unserem ganzen Geraffelt durch die Hügel zu stapfen ist irre anstrengend.

Wir erreichen die Spitze, die von zwei Soldaten mit Maschinengewehren besetzt ist und haben einen fantastischen Blick auf die Berge Afghanistans. Auf der einen Seite der One Tree Hill auf der anderen Seite die Grenzgebirge in denen die pakistanische Grenze verläuft. Die Gegend ist trotzdem so unwirklich das Dyfed sagt es würde ihn nicht wundern wenn jetzt gleich noch eine Horde Sandmenschen aus Star Wars hier auftauchen. In den nächsten zwei Stunden sitzen wir in der Feuerstellung – nichts passiert und wir schütten dosenweise Energy-Drinks in uns rein und unterhalten uns mit Leutnant Christian, Stapf Sergeant Aras und Private Gloria über Arm, Deutsches Fernsehen, Country-Musik und die Gefahren und Auslandseinsätzen. Teilweise Small-Talk – teilweise sehr erhellende Gespräche in denen wir viele Infos bekommen.

Über Funk bekommen wir Nachricht, dass die US-Soldaten und die afghanische Polizei an der Strasse unten jetzt auch eine Strassensperre errichtet haben – und man fragt mich ob ich Lust habe das zu fotografieren. Habe ich – also geht es den Berg wieder runter und wir erreichen die Sperre an der die afghanischen Zivilfahrzeuge und LKWs angehalten werden, die Fahrer auf Waffen abgetastet werden und die Ladung kontrolliert wird, ausserdem werden von den Fahrern Fingerabdrücke genommen und ein Iris-Scan gemacht. Fahrzeuge mit verschleierten Frauen werden durchgesunken. Die hier oft vorkommenden Nomaden, die Kuchis, die mit ihrer Grossfamilie immer auf Treckern mit Anhängern unterwegs sind und als Schmuggler gelten werden ebenfalls durchgesunken. Den Affront, die Frauen die ebenfalls auf dem Traktoranhängern sind zu kontrollieren, kann man sich wohl nicht leisten. Optisch sind diese Nomadengruppen allerdings ein echtes Spektakel – grellbunte Kleider und die Fahrzeuge sind ebenfalls in allen möglichen Farben angemalt.

Spätnachmittags werden die Kontrollen eingestellt und wir fahren über die extrem staubige Strasse zurück in den COP. Die untergehende Sonne lässt den Staub um die Militärfahrzeuge leuchten – leider kann man das Schauspiel aber nicht fotografieren. Eingeklemmt in diesen mit dutzenden Kabeln und aller möglichen Waffentechnik vollgestopften Fahrzeugen kann man durch die kleinen gepanzerten Scheiben die auch noch mit Raketenabwehrvorhängen versehen sind keine Bilder machen – egal jetzt, Bilder gab es heute schon genug.