Abschied vom COP

Letzter Blick auf den Turm "Bravo", einen der Wachtürme des COP. Wenn der Stacheldraht und das Militärische nicht wäre, könnte es sogar ein schöner Sonnenuntergang sein!

Die letzte Mission ist überstanden, wir fahren wieder rein in den COP, packen unsere Sachen und werden heute Abend nach Sharana verlegt, von wo aus dann der Heimflug Richtung Bagram startet. Das dauert – vermutlich sind wir noch einen Tag in Bagram und evtl. auch noch zwei Tage in Kabul, von wo aus es dann über Dubai zurück nach Frankfurt wieder auf heimischen Boden geht.

Es ist nicht ganz leicht zu beschreiben, wie ich mich jetzt gerade fühle. Einerseits bin ich froh, dass ich aus dem Kriegsgebiet Afghanistans wieder nach Hause kann – und ich habe ganz viele Neider bei der Apache 2-28, Kompanie, die uns für knapp 3 Wochen beheimatet hat. Nicht nur weil ich dann wieder Deutsches Bier trinken darf, sondern weil ich im Gegensatz zu den Soldaten eben wieder zu Hause bin. Andererseits wäre ich gerne noch geblieben, hätte die grosse Schura im COP, eine abgesessene Patrouille, weitere Städte in der Provinz Paktika gerne noch kennengelernt.

Wir werden von Captain Perkins verabschiedet, sagen allen Anderen auch noch Tschüss und besteigen zum letzten Mal die grossen MRABs um zum Hauptstützpunkt gebracht zu werden. Auf dieser letzten Strecke bekommen wir noch einmal eine Kostprobe von den Gesangskünsten der Soldaten. Die haben relativ erfindungsreich einen iPod an die interne Funkanlage des Militärfahrzeugs angeschlossen und es folgen muntere Karaokegesänge von Kate Perry bis Dirty Dancing.

In Sharana werden wir von Major Buccino in Empfang genommen und gleich werde ich zum ersten Mal nach 3 Wochen wieder in einem richtigen Bett schlafen und eine einigermassen begehbare Dusche betreten.

Es waren intensive Wochen, intensive Erfahrungen teilweise nahe am Grenzbereich des physischen und auch psychischen. Für mich selbst war es wichtig, diese Art der Fotografie gemacht zu haben, viel wichtiger aber der intensive Kontakt mit den Menschen da draussen. Es klingt klischeehaft, aber es verbindet einen schon mehr mit jemanden, von dem man weiss, dass das eigene Leben vom Verhalten und der Aufmerksamkeit des Gegenübers abhängig ist. Bei einigen der Soldaten fällt mir das Abschiednehmen denn auch durchaus schwerer als gedacht.

Man hat zusammen eine Menge erlebt – Dinge die verbinden. Ich hoffe, dass ich Einige meiner Mitstreiter im Laufe der Zeit mal Wiedersehen kann, über Facebook o.ä. sollte das zumindest teilweise möglich sein. Ich hoffe weiterhin, dass keinem der Soldaten da draussen etwas passiert, ich hoffe das Menschen wie der gestern getroffene Mullah Tuti in der Lage dazu sind, die Kriegsparteien an den Gesprächstisch zu bringen. Ich hoffe auch für die Aufständischen, die zwar als permanente Bedrohung für das eigene Leib und Leben stehen, in der Lage sind, mit Kompromissen zu leben und zumindest einen Waffenstillstand mittragen können.

Ich bin nicht als Kriegsfotograf dort rausgefahren, sondern als ein Fotograf der dokumentieren wollte, wie das Leben hier in Afghanistan funktioniert oder nicht. Ich hoffe das ist mir gelungen, ich brauche sicher ein paar Tage um alles zu verarbeiten und dann werde ich ein paar Galerien der Bilder hier einstellen, für die ich hier unten war.

Die nächsten Blog-Einträge – bevor ich diesen Blog schliesse  – werden erst wieder eingestellt werden wenn ich wieder zuhause bin und ein Fazit und sortierte Bilder habe!

Bis dahin und “Take care!” Passt auf Euch auf! Alle!

Update: In Kabul scheint es doch die Möglichkeit zu geben ins Internet zu kommen, von daher werde ich versuchen, dass Reisetagebuch noch fortzuführen!

Kleine Wunden

Der Tag fängt heute ziemlich früh an. 7.30 Uhr ist das Briefing auf dem Hauptsatz des COPs auf dem die Fahrzeuge stehen. Und wie das so ist wenn man spät ins Bett gekommen ist … Eine Flasche Wasser ueber den Kopf und die Zahnbürste in den Mund gesteckt, schnell noch zwei gekochte Eier in den Mund hinterher: abfahrtbereit.

Zerschossen, beschmiert und geschlossen! Die Maedchenschule in Sar Howsa

Wir fahren in die Stadt Sar Howsa raus in der es eine Mädchenschule gibt, die von den US-Streitkraeften aufgebaut worden ist aber leider durch permanente Attacken der Taliban geschlossen wurde. Die Dorfbewohner – man sagt sie würden mit den Taliban sympathisieren – haben entweder nicht die Mittel oder den Wunsch, diese Schule weiter zu betreiben.

Sergeant Puchalsky, in dessen Truck ich mitfahre, orakelt schon bei der Abfahrt: “Irgendwas geht heute schief – ich hab’ da so ein Gefühl … ” Warum kann er nicht begründen, aber die Erfahrung von zwei Jahren Irak und einem Jahr Afghanistan hat ihn gelehrt. seinem Bauchgefühl zu vertrauen.

Wir fahren mit den schwer gepanzerten Fahrzeugen durch in das Dorf, an dessen Eingang ein Friedhof mit hunderten von Gräbern liegt. Langsam tasten sich die Fahrzeuge vor – auf dem Friedhof liegt angeblich eine IED (Improvised Explosive Devise), trotzdem laufen Menschen über den Friedhof. Entweder wissen sie nichts davon oder aber es ist nur eine Geschichte.

Wir sitzen einige hundert Meter vor der Schule ab, die an einem schroffen, steil aufragendem Berghang liegt und gehen im Gänsemarsch langsam auf die Schule zu. Dieser Berg ist “Enemy Line” hier regieren die Aufständischen. Wir werden mit Sicherheit beobachtet – das hat die Aufklärung schon gesagt, also sichern mehrere Soldaten unten während 6 weitere Soldaten zusammen mit einem afghanischen Polizisten sich aufmachen den Berg hochzusteigen. Das muss sein, denn wenn sie den Berg nicht sichern kann es sein, dass wir während wir uns die verlassenen Schulräume anschauen von oben beschossen werden – das passt so gar nicht in den Plan. Also warten – weiter oben auf dem Berg findet der Trupp eine Höhle und eine mit Steinen befestigte Feuerstellung der Aufständischen, aber ausser ein paar Patronenhülsen und Essensresten ist nichts zu sehen.

Die 6 bleiben auf dem Berg, fragen mich über Funk ob ich hochkommen will oder lieber die Schule anschauen möchte. Ich entscheide mich für die Schule – und bin wieder einmal erschrocken. Die Wände von Gewehrsalven durchsiebt und das für hiesige Verhältnisse moderne und funktionale Gebäude ist insbesondere in den Innenräumen über und über mit Graffitis beschmiert. Der Übersetzer findet antiamerikanische Sprüche – was ich aber schlimmer finde sind die Gewaltbildchen, die scheinbar von den Kindern an die Wand gemalt worden sind. Pistolen, Granaten, Monster und Panzer … Irgendwie illustrieren diese simplen Bildchen mehr, als alle Berichte, Erzählungen und Fotos es könnten. Hier herrscht einfach die pure Gewalt. Und Unterricht wird es hier auf absehbare Zeit wohl nicht mehr geben …

Der Rückweg zu Fuss führt uns um das Dorf herum und da zwei Männer afghanischer Herkunft allzu offensichtlich an einer Hausecke rumdrucksen und zwischen ihnen und uns nur freies Gelände ist fangen wir an zu laufen. Mit dem ganzen umhängenden Geraffel nicht so einfach, in hier herrschenden 2900m Höhe erst recht nicht. Egal, da muss ich durch. Neben mir keucht Leutnant Wood, hinter mir Sergeant Espinoza und vor mir sprintet in einer Geschwindigkeit die bei dem mitzuschleppenden Gewicht beinahe olympisch zu nennen ist Puchalsky. Nach 500m erreichen wir das Ende der Strasse und dann passiert es natürlich mir: Irgendwas was an mir rumbaumelt verheddert sich und ich falle der Länge nach auf die Strasse, rechts und links schlittern meine Kameras durch den Dreck und irgendwas an meinem linken Ellenbogen brennt ganz heftig. Der sich durch den Krach und mein Fluchen umdrehende Puchalsky fällt rücklings und bleibt wie ein Käfer liegen und nur Zehntelsekunden später überholen Wood und Espinoza Puchalsky und mich, ziehen uns an unseren Westen hinter eine Mauer und winken den Truck rückwärts ran.

Einsteigen, Türen “Combat Locked”, abfahren, Klamottenkontrolle. Allen geht es gut – die Kameras sehen gruselig aus, funktionieren aber einwandfrei … Puchalsky ist nur komplett dreckig, bei mir ist es Hauptsächlich Dreck und ein blutig aufgeschlagener Ellenbogen – nichts Schlimmes also. Dass ich danach erstes Ziel des Spotts bin (erster Kriegsverletzter der Kompanie etc.) – man kann es verstehen. Ich werde, wieder im COP, zum Sani geschleppt, der ziemlich viel Spass dabei hat die Wunde zu säubern, Puchalsky schüttet irgendwelche Energiedrinks in mich rein und wir rauchen mitten im Behandlungszimmer eine Zigarette nach der anderen.

Kneifen gilt aber nicht – dick verpflastert verlasse ich das Sani-Zimmer und es geht wieder raus. Diesmal in Richtung südliche Berghänge wo wir uns relativ entspannt ansehen, wie Mörsergranaten die Hügel auffräsen. Irgendwann ist auch das dann langweilig und es geht wieder zurück in den COP. Ab jetzt mache ich gar nichts mehr – nicht das Puchalsky mit seinem Bauchgefühl noch Recht behält.

Morgen geht’s weiter …jetzt erst mal waschen – ok Flache Wasser über den Kopf reicht auch …

Another day in paradise

… so werde ich morgens meistens begruesst! Good morning – it’s another day in paradise. Ein bisschen Sarkasmus hat noch niemanden geschadet.

In der Nacht kommen die Platoons, die auf Mission ausserhalb waren zurueck. Es ist kaum zu erkennen, dass die Soldaten fuenf Tage draussen waren. Alle sind frisch rasiert und wirken lange nicht so müde wie ich dachte. (In der US-Army ist es Grundsatz, dass jeder Soldat immer rasiert sein muss – vollständg egal ob er gerade aus einer Gefechtsstellung kommt, oder in einem Lager herumläuft). Der Koch hat Steak und Lobster vorbereitet – eine ungewöhnlich luxuriöse Truppenverpflegung, Es wäre glaube ich aber egal gewesen – was immer dort auf dem Tisch gestanden hätte – es wäre alles verputzt worden.

Muellentsorgung im Krisengebiet: Alles auf einen Haufen, Benzin drauf und schon brennt alles. Qualm und Rauch durchziehen den gesamten COP.

Der COP ist nun wieder deutlich voller und nach den etwas drögen ersten Tagen tritt so langsam Betriebsamkeit ein. Den ganzen Tag raucht es – die Soldaten verbrennen ihren Müll, es qualmt fürchterlich und der Wind steht genau in Richtung der Truppenunterkünfte sodass eine Stunde später alles und jeder nach Qualm und Rauch stinkt.

Eigentlich wird heute der Brigadekommandeur erwartet, genau so wie der Batallionskommandeur, aber beide lassen sich nicht blicken. Dyfed und ich suchen nach Motiven und Geschichten, aber innerhalb des COPs ist nicht wirklich was zu finden – wir hoffen auf die erste Mission, die wieder raus geht, bei der wir dann mitfahren werden.

Wann genau das ist? Na – Hurry Up And Wait – immer bereit sein und dann doch wieder warten. Wir werden sehen was die nächsten Tage bringen – hoffentlich aber ein bisschen mehr Schlaf. Es ist unglaublich – da kommen Soldaten von einem Fünf-Tages-Einsatz und palavern in ihren Unterkünften noch die halbe Nacht weiter … da wir in derselben Unterkunft nur durch eine Pressholzplatte von ihnen getrennt schlafen, war an Schlaf nicht zu denken, zumal die Zimmer keine Decke haben und wenn in einem Zimmer Licht brennt alle anderen Zimmer mit beleuchtet werden.

Warum die Soldaten am morgen dann auch noch fitter aussehen als ich … ? Keine Ahnung, ich glaub’ ich werde alt …

Alltag

Die Langeweile greift ein bisschen um sich – fuer die Soldaten ist es der Alltag. Wir warten auf das Platoon mit dem wir in den nächsten Tagen aus dem COP auf die Missionen rausgehen. Bislang sind sie noch draussen und bislang ist noch kein Versorgungskonvoi o.ä. zu ihnen rausgefahren, bei dem wir hätten mitfahren koennen.

Auf irgendwas wird immer gewartet. Herumstehen verschlingt einen nicht unerheblichen Teil der Zeit. Hier warten wir auf die letzten Fahrzeuge eines Konvois. Foto: John Dyfed Loesche

Ein paar abstruse Geschichten finden wir trotzdem – innerhalb des COPs ist ein afghanischer Radiosender beheimatet, der den umliegenden Distrikt mit Informationen und Musik beschallt. Dyfed interviewt den DJ der in der Station – eine irre Mischung aus Bunker, Wohnung und rudimentärer Radiotechnik – arbeitet.

So lustig wie der DJ-Job klingt – sollten diesen DJ irgendwann die Taliban in die Finger bekommen wird er ganz sicher von ihnen getötet werden. Genau so ergeht es auch Dolmetschern oder anderen “Kollaborateuren”. Eine gewisse Angst spielt also immer mit und sogar in das Dorf vis a vis kann der DJ nur mit Polizeibegleitung.

Langsam finden wir auch einen Zugang zu den Soldaten die uns bisher noch nicht kennen – die die uns kennen sind auf Mission irgendwo im Gebirge. Die Gespräche werden länger, die Details persönlicher, Familienfotos kursieren und obwohl es zwischen Medienleuten und Soldaten immer eine natürliche Grenze gibt, gibt es ein gut funktionierendes Miteinander. Ausserdem scheint Medienbegleitung etwas durchaus Normales zu sein. Man erzählt uns, dass vor kurzem ein Reporter von der New York Times da war, kurz vor uns waren zwei schwedische Journalisten hier im Outpost

Ansonsten gibt es alles was man täglich so braucht – ein gefüllter Kühlschrank, ein Etagenbett in einer Holzbaracke, reichlich Essbares (wenn auch zumeist stark kalorienhaltig), sogar Waschmaschinen und Trockner und (wenn auch viel zu wenige und langsame) Internettzugänge. Die Soldaten nutzen die Terminals wenn es eben geht – es gibt Wartelisten in die man sich eintragen muss und wenn man ihnen dann mal über die Schulter guckt sieht man zumeist Facebook-Seiten über die sie mit der Aussenwelt kommunizieren.

Das alles klingt sicher eine wenig seltsam, immerhin sind wir mitten in einem Kriegsgebiet, ist aber nachvollziehbar wenn man sich vorstellt, dass die Soldaten ein ganzes Jahr in diesem etwa drei Fussballfelder grossen Outpost leben müssen – einige sogar ohne ihn in der ganzen Zeit auch nur einmal zu verlassen.

Combat Outpost

Das Ziel unserer Reise ist erreicht. Wir sind im COP (Combat Outpost), einem Feldlager der US-Army in den afghanischen Bergen angekommen. Nach der Übernachtung im US-Stützpunkt in Sharana ging es heute mit einem Konvoi aus Militärfahrzeugen mitten hinein in die Afghanischen Berge.

Ein Regenbogen leuchtet ueber den Befestigungen des COPs in der Paktika Provinz

Die ersten Bilder entstehen und es ist ein vorsichtiges Vortasten in diese für uns fremde und unbekannte Welt.

Abends geht ein Gewitter über den COP, vorher leuchtet ein Regenbogen über den HESCOS (mit Sand und Schotter gefüllte Befestigungen die Schüsse und Granatsplitter abhalten). Geregnet hat es in den letzten Tagen hier auch – der Boden ist noch feucht und die Temperaturen auf diesem 2700 hoch gelegenen Plateau sind gemässigt, kein Vergleich zu dem heissen Bagram.

Aufgrund des Fastenmonats Ramadan hat es in den letzten Wochen angeblich kaum Feuergefechte gegeben. Nachdem Ramadan aber vorbei ist rechnet die Führung der US-Truppen derzeit täglich mit “contact” – so die offizielle Bezeichnung für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Aufständischen.

Da haben wir im Moment aber nichts mit zu tun. Der COP in dem wir sind gilt als sicher – ab und zu wird er angeblich beschossen, die Stellung ist aber derart gut gesichert, dass das offensichtlich nicht schlimm ist. Man kann eigentlich sehr gut einschätzen ab wann etwas sicher oder unsicher ist. Tragen die Soldaten ihre schussicheren Westen und werden ruhig scheint etwas in der Luft zu liegen. Hier im COP laufen sie teilweise mit Trainingsanzügen und Turnschuhen quer über das Gelände. Abends mit Taschenlampen die nicht mal Rotlicht benutzen – also alles safe.

Neben uns liegt eine Stadt mit ca. 30.000 Einwohnern – dort hin soll die Tage eine Patrouille gehen, der wir uns gerne anschliessen würden. Hier wird es Kontakt zur Zivilbevölkerung geben. Die Patrouillen fahren regelmässig in die Stadt und gelten ebenfalls als ungefährlich. Von den Soldaten gemachte Bilder die wir gesehen haben lassen darauf schliessen dass es dort so einige Fotomotive geben wird. Die Dorfbevölkerung macht sich überhaupt nichts daraus fotografiert zu werden, die Kinder dort finden es angeblich sogar toll. Ich hoffe also auf einige gute Bilder.

Materialschlacht – oder was man alles nicht braucht …

Vorbereitung auf einige Wochen Aufenthalt in Afghanistan – was aber nimmt man denn so alles mit? Ist ja eher keine klassische Pauschalreise mit Sonnencreme und Flip-Flops.

Fragt man all diejenigen, die schon einmal (oder mehrmals) bei einem solchen Einsatz dabei waren und listet dann danach auf, was die alle zusammen empfehlen kommt man zu dem Schluss, dass eine eigene Transportmaschine, zumindest aber ein Überseecontainer sinnvoll wäre. Ok – der ist hier im Hamburger Hafen sicher kostengünstig aufzutreiben, ob das aber Sinn macht?

Auch die Soldaten tragen extrem viel Ausrüstung bei sich und nutzen zwischendurch immer wieder die Gelegenheit, zu verschnaufen ...

Die Überlegungen “was nehme ich mit” sind nicht ganz einfach – so einige Peinlichkeiten will man sich ja ersparen und ganz zuletzt ist immer wieder zu betonen: Man muss das ganze Zeug auch schleppen. Shuttle-Busse, Reiseführer oder andere dienstbare Geister werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Ort sein.

Es fängt schon an mit dem richtigen Transportbehältnis. Ein klassischer Reisekoffer? Auch eher peinlich mit einem Samsonite in einem COP einzuschecken – na, vielleicht gibt es die Samsonites ja auch in Camouflage …

Also eher ein Rucksack? So nach dem Backpacker-Beispiel – vermutlich auch eher nix. OK – erst mal die ganze Kameratechnik verpacken. Pelicase – das ist wasserdicht. Schlag- und stossfest. Tolle Sache, aber schwer und so ein “Fotografenrollköfferchen” ist vermutlich nur für den Gesamttransport geeignet. Vor Ort wird man dann wieder in kleinere Taschen, Rucksäcke oder Westen umpacken müssen – und die muss man ja auch mitnehmen.

Meine Idee ist nun, einen grossen Reisesack mitzunehmen, in dem alle nicht technischen Dinge aufbewahrt werden. Gewichtsmässig wird es trotzdem eine schwierige Sache werden, da da ja eine über 10 Kilo wiegende Splitterschutzweste etc. hinein muss.

Die Kameratechnik wird in einen Think-Tank Rucksack gepackt (Danke Morris für die freundliche Leihgabe). Dieser hat zumindest das Packformat für Handgepäck und wird hoffentlich für die Foto-und Videotechnik incl. Laptop und Zusatzgeräten reichen.

Für die, die es interessiert hier das nun vollständige technische Setup:

2 digitale Nikon Spiegelreflexkameras vom Typ 3Ds, eine kleinere Nikon Spiegelreflexkamera vom Typ D7000, 1 digitale Kompaktkamera mit Festbrennweite Typ Fuji X100 (hier gilt mein Dank Fabian für das Leihen der Fuji von der ich selbst mich wohl nur sehr schwer hätte trennen können).

An Objektiven gehen mit: 1,4/24mm, 1,4/35mm, 1,4/85 mm, 2.8/70-200mm, 2.8/24-70mm, 4.0/16-35mm, ein 1,7er Konverter, und ein Fisheye-Zoom.

Neben Card-Readern, Blitz, Akkuladern, Ministativ, Akkus, einer externen Mini-Festplatte zur Datensicherung und einer Newswear-Weste um das Benötigte unterwegs zu tragen ist zusätzlich auch ein Satelliten-Telefon mit dabei. (Ich vermute mit T-Mobile wird in Afghanistan keine Kommunikation möglich sein … )

Gute Tipps habe ich zuhauf bekommen – und die Packliste wurde dadurch nicht kleiner. “Nimm eine Lampe mit Rotlich mit – am besten eine die man auf dem Kopf tragen kann” – das macht Sinn. Stiefel – am besten Wüstenstiefel – waren auch ein guter Tipp. Ein sogenannter Camelbak – ein Rucksack mit Wasserbehältnis ist ebenfalls Pflicht. Eine Sonnenbrille die auch Klargläser hat als Splitterschutz. Knieschützer für das abknien auf dem steinigen Boden (so kommen meine Inline-Skates Protektoren doch noch zu einem Einsatz), Handschuhe seinen wegen Dreck und Verletzungen wichtig – ob bei den Temperaturen vor Ort Handschuhe nicht nerven habe ich nicht rausbekommen. Ein Schlafsack muss sowieso mit … Ok – bis jetzt ist alles ohne Frage wichtig.

Das man die Kameras nicht an Schultergurten tragen soll (da gehen sie angeblich nur kaputt), sondern mit Karabinerhaken vorne an der Bullet-Proof-Vest befestigen soll war mir ebenfalls neu. Aber wie um alles in der Welt bekomme ich dann die Kamera an einen Karabinerhaken … Naja mal sehen – auch die Karabinerhaken habe ich nicht vorrätig und muss sie erst mal kaufen.

Nächste Frage – was zieht man an? Klingt irgendwie lustig – ist es aber nicht, denn man sollte möglichst unauffällig aussehen. Hier aber prallen zwei Meinungen aufeinander. Während die offizielle Version “Journalisten sollten sich eindeutig von den Soldaten unterscheiden allein schon um ihre Unabhänigkeit zu unterstreichen” lautet, sagen erfahrene Stimmen: “Sei nicht verrückt – zieh’ Dich bloss so ähnlich wie die Soldaten an. Du gehörst dazu und gefährdest sie unnötig wenn Du wie ein Journalist aussiehst (wie sieht ein Journalist eigentlich aus?), zudem gefährdest Dich selber, da die Unabhängikeit von Berichterstattern in Afghanistan niemanden interessiert. Du bist Embedded mit US-Truppen unterwegs – wie um alles in der Welt willst Du jemanden glaubhaft klar machen, dass Du ein unabhängiger Journalist bist und nicht zu ihnen gehörst.” Tja – da ist guter Rat teuer. Wer hat Recht?

Vermutlich wird es sowieso wieder so aussehen, dass die Dinge die man braucht wieder zu Hause rumliegen und das ganze unnütze Zeugs im Koffer ist. Angeblich soll ja sogar Anti-Floh-Mittel wichtig sein – vielleicht gehört das aber auch in die Abteilung ” Die Spinne in der Yucca-Palme”.

 

Die Truman-Show – Finale

Es kracht mehrfach heftig im COP – Rauchgranaten explodieren direkt neben dem Zaun des Lagers in der Nähe unseres Zeltes. Es ist Mitternacht und wir haben schon zwei Stunden vorher Maschinengewehrfeuer vom 500 Meter entfernten Waldrand gehört. Das werden wohl “Enemy Forces” sein, die dort auf eine Patrouille amerikanischer Soldaten gestossen sind.

Rauchgranaten explodieren neben dem COP der 228. Kompanie auf dem Gelände des JMRC in Hohenfels / Bayern

Inzwischen sind wir (Dyfed und ich) eine Woche auf dem JMRC – Gelände im bayrischen Hohenfels (das war im März/April 2011) und begleiten Soldaten der 172. Infantry Brigade bei ihrer vorbereitenden Übung für den Afghanistaneinsatz. Und langsam wird diese Truman-Show Alltag – während Dyfed gerade ein Interview mit Captain Perkins von der 228. Company führen will, findet ein Mörserangriff von Taliban auf unser Lager statt. Perkins steht im TOC – dem Tactical Operation Center – das Interview ist abgebrochen und er koordiniert seine Einheiten um die Angriffe abzuwehren.

Draussen steht ein Sergeant der US-Army und wirft von ihm selbst gezündete Rauchgranaten über den Zaun um den genannten Angriff zu simulieren. Das macht ihm offensichtlich so viel Spass wie einem Pyromanen die Silvesterfeier. Immer wieder detonieren die Dinger und er steht mit einem breiten Grinsen daneben. Langsam zieht dichter Rauch über den COP und die US-Soldaten müssen professionell reagieren so wie sie es bei einem echten Angriff in ihrem Einsatzgebiet auch tun müssten.

 

Es herrscht hektische Betriebsamkeit. Die eigenen Mörser des COP werden auf die vermutete Abschussposition der feindlichen Granaten einjustiert. Patrouillenfahrzeuge starten ihre Motoren, ein Platoon Ranger macht sich zum Abmarsch bereit, Black Hawk Hubschrauber fliegen mit ohrenbetäubendem Krach über unseren Köpfen um Verletzte zu bergen die sich scheinbar ausserhalb des COPs befinden … der ganz normale Wahnsinn.

Ziemlich realistisch wie das Alles hier simuliert wird – wenn man nicht genau wüsste dass man auf einem bayrischen Übungsplatz wäre und das alles nur Simulation ist würde einem diese Situation vermutlich den Angstschweiss aus den Poren treiben. So aber schlendere ich mit meiner Kamera durch die herumwuselnden Soldaten, treffe Dyfed der ebenfalls die ganze Situation etwas nachdenklich betrachtet, werde gefragt ob ich mit rausfahren will (was ich nicht will, da es morgen wieder nach Hamburg geht und es ausserdem so stockfinster ist, dass keine Kamera der Welt hier noch Bilder realisieren könnte) und finde mich eine halbe Stunde später rauchend bei ein paar Sanitätssoldaten wieder die gerade ebenfalls nichts zu tun haben – alle Verletzten sind im Helikopter. Pause!

Die letzten Tage laufen gerade noch einmal wie ein kleiner Film in meinem Kopf ab. Wir haben einen Airdrop mitgemacht. Bei einem Airdrop wird auf einem abgesteckten Feld von 1-2 Kilometern Länge von Army Transportflugzeugen Ladung per Fallschirm abgesetzt. Im Normalfall kann das alles sein, von Munition bis zu Baumaterial. Hier bei der Übung werden palettenweise MREs (Fertiggerichte) per Fallschirm abgeworfen, was die am Dropfield wartenden Soldaten zu dem lakonischen Kommentar: “Jetzt bewerfen sie uns schon mit dem Essen” veranlasst.

So ganz funktioniert der Airdrop nicht, bei einer Palette öffnen sich die Fallschirme nicht und die Palette mit den Essenspaketen kracht ungebremst in den Wald wo sich die Pakete in einem Radius von hunderten Metern verteilen. Problematischerweise wird es jetzt noch dunkel und wir fahren erst wieder rein bis auch das letzte Paket unter Taschenlampensuche aus dem Wald geborgen ist. Liegenlassen ist nicht – die auf dem grossen Truppenübungsplatz heimischen Tiere könnten sich an den Verpackungen und dem Inhalt verletzen oder vergiften … Die Suche dauert und der Kommentar des Bordschützen meines Humvees zu der ganzen Aktion ist “Fuck the wildlife” (und da die Situation wirklich abstrus ist löst sie grosses Gelächter bei Dyfed und mir aus) – trotzdem hilft auch unser Bordschütze fleissig suchen.

Wir sind mit auf Patrouille gewesen, haben uns in die Marschordnung eines Platoons eingereiht, sind durch den Wald gelatscht, Hügel hoch und runter …

Wir haben rappende Kampffahrzeugsbesatzungen, afghanische Übersetzer, Westpoint-Absolventen, Soldaten die fast noch Kinder wahren, Haudegen, die bei fast jedem bewaffneten Konflikt den amerikanische Truppen in den letzten Jahren geführt haben dabei waren, Sonnenblumenkern-Kauende Sergeants, einen Golf GTI Fan,  Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere und Offiziere getroffen und teilweise vollständig durchgeschrotete manchmal aber auch sehr weise Sprüche gehört. Man erinnere dabei nur an einen 21-jährigen Funker, der im Irakkrieg (da war er 18) einen Schuss in die schusssichere Weste abbekommen hat und sich am meisten über das Geld gefreut hat dass er aufgrund seiner Verletzung (bei einem Schuss in die vordere Weste brechen meistens mehrere Rippen) von der Army bekommen hat … Das er mit dem Leben davon gekommen ist erschien ihm selbstverständlich. Eine krude Vorstellung …

Es gäbe noch eine ganze Menge kleinerer und grösserer Anekdoten zu erzählen. Doch es soll auch keine Verklärung der Situation mit lustigen Geschichten erfolgen. Das hier ist – und das sollte man sehr klar sagen – eine Vorbereitung auf den Krieg. Vornehmlich geht es bei diesem Training um eigene Sicherheit, Lernen adäquat zu reagieren wenn eine Situation kritisch wird und im Zweifelsfall auch den gezielten Einsatz von Waffen zu automatisieren. Das muss man sich immer wieder bewusst machen. Die Tatsache dass überall in einem Militärlager Waffen herumliegen oder herumstehen, Munition irgendwo gestapelt wird und Explosivkörper wie Handgranaten und Sprengstoffe immer am Mann sind heisst auch deutlich: Im Zweifelsfall wird davon Gebrauch gemacht. Immer den Spruch im Hinterkopf “das ist eine friedenserzwingende Massnahme” – was für ein Irrsinn!

 

Die Truman-Show – Part 2

Blick auf den COP (Combat Outpost) - eine befestigte Feuerstellung auf dem Truppenuebungsplatz Hohenfels / Bayern.

Wir sollen nach einem Tag in der Forward Operating Base (dem riesigen Zeltlager auf dem Truppenübungsplatz) zum Combat Outpost (COP), einer befestigten Feuerstellung in der die Kompanie stationiert ist, der wir zugeordnet werden, befördert werden. Da das alles unter möglichst realistischen Bedingungen erfolgen soll müssen wir wieder warten. Es müssen mindestens 4 Fahrzeuge gemeinsam fahren – Fahrten einzelner Fahrzeuge sind im Kriegsgebiet nicht erlaubt.

Startbereite Humvees sind genügend da – daran kann es gerade nicht liegen. Das Problem sind die sogenannten “Trip-Tickets”, die nicht vorhanden sind. Jeder Soldat der sich ausserhalb des Einsatzlagers bewegt muss auf einer Liste stehen, damit bekannt ist, dass er unterwegs ist. Wir müssen das auch. Nach einer Stunde werden die Listen dann einfach selbst geschrieben: Name, Dienstgrad, Einheit, Ziel, Blutgruppe … was soll ich da jetzt reinschreiben? Axel, Fotograf, dapd, 5km weiter, A Rh neg, – am besten nicht Fragen.

Mein Trip-Ticket wird akzeptiert und ich steige in einen Humvee der nach 100 Metern leider nicht mehr weiterfährt. Motorprobleme. Also steht auch der Rest der Fahrzeuge … oje!

Die Fahrzeug-Besatzung sucht den Fehler an ihrem Truck. Es werden irgendwelche Kabel abgezogen, Kontakte gereinigt, Kabel umgesteckt – es rührt sich nichts. Das erinnert mich ein bisschen an die Modelleisenbahn, die ich als Kind besessen habe. Das habe ich auch immer an der Elektrik rumgestöpselt und es funktionierte wenn überhaupt dann erst nach sehr viel Try and Error. Irgendein Sergeant löst das Problem in dem er einfach alle griffbereiten Kabel aus irgendeiner Klappe unter dem Lenkrad herauszieht und in den Fussraum baumeln lässt. Erstaunlicherweise funktioniert die Kiste danach problemlos. Am besten nicht Fragen … we’re rollin’!

- kleine Anmerkung: Diese ganzen Akronyme wie TOC, COP, MRE, FOB etc. haben mich verrückt gemacht. Die Soldaten schaffen es zeitweilig sich nur mit diesen Abkürzungen zu unterhalten. Es gibt unzählig Viele, für alle militärischen und nicht-militärischen Begriffe. Und wenn man einer normalen Unterhaltung zwischen Soldaten folgen will ist man am Anfang hauptsächlich damit beschäftigt nachzufragen was denn DAS schon wieder heisst.
Irgendwann habe ich es aufgegeben sie alle verstehen zu wollen. Die wichtigsten habe ich inzwischen drauf – ist ja letztendlich auch ganz praktisch zu wissen dass ein IED ein Improvised Explosive Devices ist. Also eine Sprengfalle über die man nach Möglichkeit nicht drüberfahren oder drauftreten sollte – denn dann krachts ganz heftig. Das dagegen ein MRE – ein Meal Ready to Eat ist muss man nicht unbedingt wissen. Zum Essen wird man meistens gerufen.

Part 3 folgt …