Ein bisschen Politik

Eine selbstgebastelte Kontaktplatte die eine IED (Improvised Explosive Device) zuendet. Anhand der verwebdeten Teile kann man evtl. Rueckschluesse auf die Herkunft des Bastlers ziehen!

Sicherheitsbesprechung im COP in Mokathan: Das heisst, dass die Afghanische Polizei, der Afghanische Sicherheitsdienst, das Afghanische Militär und die US-Army sich mit einigen Vertretern zusammensetzen und Informationen austauschen, sowie gemeinsame Vorgehensweisen besprechen. Ich finde es relativ erstaunlich, dass wir da dabei sein dürfen, scheinbar scheint es aber niemanden zu stören

Ausgetauscht werden hier Namen und Aufenthaltsorte von als verdächtig geltenden Männern, die entweder mit den Aufständischen kooperieren oder selbst Aufständische sind. Im Verlaufe der Besprechung legt Leutnant Wolfley eine von den US-Streitkräften gefundene Contact-Plate auf den Tisch. Diese Platten lösen beim überfahren mit schweren Militärfahrzeugen die Zündung der IEDs (Improvised Explosive Devise) aus.

Es ist erstaunlich mit wie wenig Hilfsmitteln so ein Zünder gebaut wird, trotzdem scheint er sehr interessant zu sein, da hier in Afghanistan selbst die einfachsten Dinge wie Kabel, Batterien, Klebeband, Schalter etc. nur an einigen wenigen Orten zu bekommen sind. (aus diesem Grunde wird hier auch jeglicher anfallender Müll verbrannt und nicht einfach weggeworfen, man erklärt uns dass die Aufständischen von der Cola-Dose, über alte Batterien und auch Plastikbehälter alles benutzen um Sprengfallen zu bauen.)

Die gefundene Kontaktplatte lässt daher Rückschlüsse auf die Herkunft der benutzten Materialien zu und genau hier wird dann der Ansatz erfolgen, über den Verkäufer der Teile den Bastler zu finden.

Über den Geheimdienstchef wird gesagt, dass vermutet wird, dass er ein doppelte Spiel treibt – anders könne er sich nicht in seiner Position halten. Er kooperiert auf der einen Seite mit den US-Streitkräften um aber seine eigene Position nicht zu gefährden aber wohl auch mit den Aufständischen.

Dieses doppelte Spiel ist hier in Afghanistan weit verbreitet. Polizisten bessern ihren kargen Lohn damit auf nicht oder nur unzureichend nach Aufständischen zu fahnden, bzw. sich von ihnen kaufen zu lassen, auch das Militär der Afghanen ist durchsetzt von Korruption und Verrat. Ganz unterm Strich ist jeder Afghane erst mal seinem eigenem Stamm verpflichtet – Staat und Regierung interessieren die meisten nicht. So muss man darauf achten, dass Polizei und Militär niemals in einem Gebiet eingesetzt wird, dass den Stamm beheimatet aus dem eingesetzte Polizisten und Militärs stammen. Die würden niemals gegen ihren eigenen Stamm vorgehen.

Nächstes Problem sind die Verfeindungen der Stämme untereinander – Polizisten eines Stammes werden natürlich von Mitgliedern eines verfeindeten Stammes nicht als Autorität akzeptiert. Im Gegenteil … also dürfen sie auch dort nicht eingesetzt werden … schwierig

Das herrschende System ist kompliziert und auch nach tieferer Betrachtung nur sehr schwer zu entwirren.

Je tiefer die Einblicke sind, die ich hier erhalte, desto weiter entfernt sich auch nur die Idee einer Lösung im Afghanistan-Konflikt. Und mir scheint, dass es hier in keinem Fall einen Gewinner geben wird – auch nicht in ferner Zukunft. Meine persönlicher Einruck ist, dass es ein Land ist dessen Menschen seit 30 Jahren nur Krieg und Verfolgung kennen, die am System eines Nationalstaat nicht das geringste Interesse haben, die untereinander tief zerstrtiten sind, unterschiedlichste egoistische Ziele verfolgen und am liebsten in einem autarken System vieler Stämme leben wollen davon viele nach der Scharia, dem islamischen Recht, einige aber auch nicht, dass in seinen Lebensgewohnheiten, Rechts- und Umgangsformen nichts aber auch gar nichts mit westlichen Systemen zu tun hat. Dieses Land ist so kaputt und am Boden, dass sobald die militärischen Einheiten der Coalition Forces (Egal ob Bundeswehr, US-Armee oder Truppen anderer Länder) aus dem Land abziehen, ganz Afghanistan wieder in die Steinzeit versinkt – und das in kürzester Zeit. Eine Lösung der Probleme – nicht einmal eine kleine – hat derzeit niemand anzubieten.

A Ghost in Tower 2

Wir sitzen auf den Stufen vor unser Holzbaracke und verarbeiten gerade die Erlebnisse des Tages – da passiert es. Einer der Soldaten der neben uns in der Baracke wohnt kommt nach seinem Wachdienst schwer bewaffnet um die Ecke gelaufen und behauptet: “There’s a Ghost in Tower 2″. Das setzt den ganzen Erlebnissen des Tages die Krone auf … einer von Denen die beinahe darauf warten ein Feuergefecht zu erleben und meist auf dicke Hose machen, kommt leicht verängstigt um die Ecke und behauptet auch nach Nachfrage er habe einen Geist gesehen – irgendeinen schwarzen tellergrossen Dämonen – und wirkt ziemlich durcheinander. Was immer er auch gesehen hat – vermutlich eine der hier heimischen grossen Spinnen – es ist nicht rauszubekommen. Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hat grinsen Dyfed und ich uns an … solange der Geist nicht zu den hier aufgestellten Dixie-Klos weiterwandert kann uns das egal sein

Der Tag war heftig – wir waren auf einer Mission der Truppen mit im Berggebiet Afghanistans. Mit Helm und mit genug Wasser und der obligatorischen schussicheren Weste bekleidet fahren wir in einem Konvoi aus mehreren MRAPs – angeblich ist er Minensicher und Hinterhalt-geschützt – offiziell heisst das Mine Resident Ambush Protected aus dem COP zu einem 12 km entfernten Checkpoint, den die US-Soldaten zusammen mit der afghanischen Polizei während ihrer 5 Tages-Mission aufgebaut haben. An dieser Stelle hat es immer wieder Angriffe der Aufständischen gegeben, also ist dieser Kontrollpunkt eine Ansammlung von Schuss- und Splittersicheren Barrikaden den sogenannten Hescos aufgebaut worden. Die Mission heute dient dazu diesem Checkpoint noch ein Dach zu verpassen – das soll Sicherheit vor Mörserbeschuss bringen.

Eine Strasse wie die auf der wir fahren habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen. Ein staubige Bergpiste die durch die Bergregion führt, über und über mit riesigen Schlaglöchern versehen und von Flüssen und Bächen überflutet. Das auf dieser Strasse überhaupt Fahrzeuge fahren grenzt an an Wunder – dabei ist es die Hauptverbindungsroute nach Pakistan und nicht nur Militärfahrzeuge nutzen sie sondern auch die überall zu sehenden Jingle-Trucks, knallbunt angemalte uralte LKWs mit denen Waren transportiert werden.Die Fahrt dauert mehr als eine Stunde.

Die grösste Angst der Soldaten ist die vor sogenannten IEDs. (Improvised Explosive Devise), selbstgebaute Bomben, von teilweise so immenser Sprengkraft, dass sogar die stark gepanzerten MRAPs dabei  beschädigt und die Besatzung verletzt werden kann – solche explodieren in der Provinz Praktika beinahe täglich. Aus diesem Grund sind vor den MRAPs Minenwalzen angebracht die die IEDs vor dem Fahrzeug zum Explodieren bringen sollen – dann kracht es zwar heftig, der Fahrzeugbesatzung passiert aber nichts.

Es geht also raus und kurz nachdem wir losgefahren lässt der Turmschütze unseres MRAPs schon das Maschinengewehr loshämmern – das Fahrzeug hinter uns lässt den Granatwerfer los und die Afghanischen Soldaten im Fahrzeug vor uns springen heraus und schiessen mit ihren AK47 Schnellfeuergewehren auf irgendwas rechts und links der Strasse. Das Feuer hört so schnell wieder auf wie es angefangen ist – war nur ein Test ob alle Waffen auch funktionieren … na super …

Am Checkpoint angekommen verfolgen wir kurz die dortigen Bauarbeiten – ein LKW voll Baumaterial wird abgeladen und Soldaten der US-Army sowie afghanische Polizisten fangen munter an Heimwerker zu spielen. OK – das ist langweilig – findet auch Leutnant Chad Christian und fragt ob wir Lust auf wandern haben. In den umliegenden Hügeln haben weitere amerikanische Soldaten Feuerstellungen bezogen die die Bauarbeiten absichern – zu denen wollen wir. So ein richtig munterer Wanderausflug ist das aber nicht. Vollgepackt kraxeln wir zur ersten Stellung an der uns Staff Sergeant Nunez die Umgebung erklärt – er zeigt auf einen höheren Berg vor uns auf dem ein grosser Baum steht und sagt, dass das die Stellung sei von der die Taliban häufig auf sie herunter schiessen. Um näher an diesen “One Tree Hill” heranzukommen gibt es eine weitere Feuerstellung auf einem weiter links liegenden Berg. Zu dieser klettern wir weiter hoch und dabei geht uns fast die Puste aus – in mehr als 2500 m Höhe mit unserem ganzen Geraffelt durch die Hügel zu stapfen ist irre anstrengend.

Wir erreichen die Spitze, die von zwei Soldaten mit Maschinengewehren besetzt ist und haben einen fantastischen Blick auf die Berge Afghanistans. Auf der einen Seite der One Tree Hill auf der anderen Seite die Grenzgebirge in denen die pakistanische Grenze verläuft. Die Gegend ist trotzdem so unwirklich das Dyfed sagt es würde ihn nicht wundern wenn jetzt gleich noch eine Horde Sandmenschen aus Star Wars hier auftauchen. In den nächsten zwei Stunden sitzen wir in der Feuerstellung – nichts passiert und wir schütten dosenweise Energy-Drinks in uns rein und unterhalten uns mit Leutnant Christian, Stapf Sergeant Aras und Private Gloria über Arm, Deutsches Fernsehen, Country-Musik und die Gefahren und Auslandseinsätzen. Teilweise Small-Talk – teilweise sehr erhellende Gespräche in denen wir viele Infos bekommen.

Über Funk bekommen wir Nachricht, dass die US-Soldaten und die afghanische Polizei an der Strasse unten jetzt auch eine Strassensperre errichtet haben – und man fragt mich ob ich Lust habe das zu fotografieren. Habe ich – also geht es den Berg wieder runter und wir erreichen die Sperre an der die afghanischen Zivilfahrzeuge und LKWs angehalten werden, die Fahrer auf Waffen abgetastet werden und die Ladung kontrolliert wird, ausserdem werden von den Fahrern Fingerabdrücke genommen und ein Iris-Scan gemacht. Fahrzeuge mit verschleierten Frauen werden durchgesunken. Die hier oft vorkommenden Nomaden, die Kuchis, die mit ihrer Grossfamilie immer auf Treckern mit Anhängern unterwegs sind und als Schmuggler gelten werden ebenfalls durchgesunken. Den Affront, die Frauen die ebenfalls auf dem Traktoranhängern sind zu kontrollieren, kann man sich wohl nicht leisten. Optisch sind diese Nomadengruppen allerdings ein echtes Spektakel – grellbunte Kleider und die Fahrzeuge sind ebenfalls in allen möglichen Farben angemalt.

Spätnachmittags werden die Kontrollen eingestellt und wir fahren über die extrem staubige Strasse zurück in den COP. Die untergehende Sonne lässt den Staub um die Militärfahrzeuge leuchten – leider kann man das Schauspiel aber nicht fotografieren. Eingeklemmt in diesen mit dutzenden Kabeln und aller möglichen Waffentechnik vollgestopften Fahrzeugen kann man durch die kleinen gepanzerten Scheiben die auch noch mit Raketenabwehrvorhängen versehen sind keine Bilder machen – egal jetzt, Bilder gab es heute schon genug.