Die Truman-Show – Part 2

Blick auf den COP (Combat Outpost) - eine befestigte Feuerstellung auf dem Truppenuebungsplatz Hohenfels / Bayern.

Wir sollen nach einem Tag in der Forward Operating Base (dem riesigen Zeltlager auf dem Truppenübungsplatz) zum Combat Outpost (COP), einer befestigten Feuerstellung in der die Kompanie stationiert ist, der wir zugeordnet werden, befördert werden. Da das alles unter möglichst realistischen Bedingungen erfolgen soll müssen wir wieder warten. Es müssen mindestens 4 Fahrzeuge gemeinsam fahren – Fahrten einzelner Fahrzeuge sind im Kriegsgebiet nicht erlaubt.

Startbereite Humvees sind genügend da – daran kann es gerade nicht liegen. Das Problem sind die sogenannten “Trip-Tickets”, die nicht vorhanden sind. Jeder Soldat der sich ausserhalb des Einsatzlagers bewegt muss auf einer Liste stehen, damit bekannt ist, dass er unterwegs ist. Wir müssen das auch. Nach einer Stunde werden die Listen dann einfach selbst geschrieben: Name, Dienstgrad, Einheit, Ziel, Blutgruppe … was soll ich da jetzt reinschreiben? Axel, Fotograf, dapd, 5km weiter, A Rh neg, – am besten nicht Fragen.

Mein Trip-Ticket wird akzeptiert und ich steige in einen Humvee der nach 100 Metern leider nicht mehr weiterfährt. Motorprobleme. Also steht auch der Rest der Fahrzeuge … oje!

Die Fahrzeug-Besatzung sucht den Fehler an ihrem Truck. Es werden irgendwelche Kabel abgezogen, Kontakte gereinigt, Kabel umgesteckt – es rührt sich nichts. Das erinnert mich ein bisschen an die Modelleisenbahn, die ich als Kind besessen habe. Das habe ich auch immer an der Elektrik rumgestöpselt und es funktionierte wenn überhaupt dann erst nach sehr viel Try and Error. Irgendein Sergeant löst das Problem in dem er einfach alle griffbereiten Kabel aus irgendeiner Klappe unter dem Lenkrad herauszieht und in den Fussraum baumeln lässt. Erstaunlicherweise funktioniert die Kiste danach problemlos. Am besten nicht Fragen … we’re rollin’!

- kleine Anmerkung: Diese ganzen Akronyme wie TOC, COP, MRE, FOB etc. haben mich verrückt gemacht. Die Soldaten schaffen es zeitweilig sich nur mit diesen Abkürzungen zu unterhalten. Es gibt unzählig Viele, für alle militärischen und nicht-militärischen Begriffe. Und wenn man einer normalen Unterhaltung zwischen Soldaten folgen will ist man am Anfang hauptsächlich damit beschäftigt nachzufragen was denn DAS schon wieder heisst.
Irgendwann habe ich es aufgegeben sie alle verstehen zu wollen. Die wichtigsten habe ich inzwischen drauf – ist ja letztendlich auch ganz praktisch zu wissen dass ein IED ein Improvised Explosive Devices ist. Also eine Sprengfalle über die man nach Möglichkeit nicht drüberfahren oder drauftreten sollte – denn dann krachts ganz heftig. Das dagegen ein MRE – ein Meal Ready to Eat ist muss man nicht unbedingt wissen. Zum Essen wird man meistens gerufen.

Part 3 folgt …

 

American attitude

Ein Soldat der US-Army schuetzt sich vor dem aufwirbelden Staub eines Helikopters auf dem Truppenuebungsplatz in Hohenfels / Bayern.

Warum fährst Du ausgerechnet bei den US-Truppen mit? Sobald der kommende Einsatz in Afghanistan thematisiert wird, wird mir häufig diese Frage gestellt. Der erste Grund ist natürlich die nicht vorhandenen Auswahl – ich hatte keine Chance mir das auszusuchen. Es bestand nur diese eine Möglichkeit. Aber selbst wenn ich die Wahl gehabt hätte welche Soldaten ich in welchem Einsatz hätte begleiten können – meine Wahl wäre, insbesondere nach dem bisher Erlebten, garantiert wieder auf die Amerikaner gefallen.

Den zweiten Grund versuche ich einfach ein bisschen näher zu eräutern. Man sollte versuchen vorurteilsfrei an Menschen heran zu gehen – ein schöner Spruch und sicher nicht einfach und insbesondere amerikanische Soldaten haben bei vielen Leuten schon ein sehr “eigenes” Image. Ich gestehe dass auch ich bis zu meinem ersten Kontakt mit den US-Jungs ganz viele Schubladen in meinem Kopf aufgemacht hatte. Alle möglichen Klischees über die “Cowboys” auf der anderen Seite des grossen Teichs  kamen mir in den Sinn. Aber obwohl ich in einem Land lebe in dem seit Jahrzehnten amerikanische Soldaten stationiert sind habe ich erst in den vergangenen Wochen ernsthaften Kontakt bekommen. Ich hatte die Chance mich mit sehr Vielen teils nur sehr oberflächlich während einer Zigarettenpause (Rauchen fördert manchmal die Sozialkompetenz – ein bislang fehlender Schachtelaufdruck) teils über Stunden sehr intensiv zu unterhalten. Wenn man ein Fazit dieser ganzen Gespräche ziehen soll wäre das: Ein paar Klischees haben sich bestätigt – aber ganz viele neue, mir nicht bekannte oder bewusste, grösstenteils sehr positive Einschätzungen sind für mich dazu gekommen.

Natürlich sind auch diese Erfahrungen sehr punktuell und natürlich nicht allgemeingültig, aber ich bin immer wieder überrascht worden!

Was mich besonders überrascht hat war zuallererst die Offenheit und Freundlichkeit mit der ich meistens direkt begrüsst, angesprochen oder aufgenommen worden bin. Vielleicht bin ich nicht sonderlich verwöhnt, da ich als gebürtiger Westfale in Hamburg lebe, einer Stadt in der nach meiner Erfahrung kühle und spröde Menschen dem Klischee des unterkühlten manchmal sogar arroganten Norddeutschen häufig gerecht werden. Ein “good to see you”, “good to have you here”, “warm welcome” – mögen vielleicht nur Floskeln sein, aber Floskeln die auch hier zuhause manchmal erfreulich wären. Ein “schön Dich zu sehen”, “schön dass Du da bist” oder “Herzliches Willkommen” habe ich in Hamburg eher selten gehört.

Dass die Amerikaner die hier in Deutschland stationiert sind nicht wirklich viel über Deutschland wissen – nun ja. Teilweise stimmt das – aber muss man das erwarten? Wie viel weiss ein durchschnitllicher 20-jähriger Deutscher über Amerika? Schulwissen – aber sonst? Die meisten US-Jungs sprechen wenig bis kein Deutsch – stimmt so nicht! Ich habe so Einige getroffen die das ganz gut konnten sich oft aber nicht trauten mit mir in meiner Muttersprache zu kommunizieren.

Ausserdem haben sie den Vorteil eine Sprache zu sprechen, die weltweit eher dem Standard entspricht als die Deutsche. Im übrigen habe ich mehrfach Deutsche im Umfeld der Amerikaner Englisch sprechen hören – das schmerzte in den Ohren auch ziemlich, also …

Den vielgeschmähten Allgemeinbildungsstandard der Amis … hab’ ich so ebenfalls nicht gefunden. Viele der Soldaten mit denen ich bei der Mission Rehearsal unterwegs war waren zwischen 18 und 23 Jahre alt. Irgendwie konnte ich denen nicht verdenken, dass das Hauptinteresse dicken Autos, Mädchen, aktueller Musik und technischen Spielereien wie aktuellsten Handys, iPods, Computern o.ä. galt. Ist das bei uns denn anders?

Andererseits habe ich Soldaten getroffen, die freiwillig versuchten sich Brocken der Afghanischen Landessprachen Dari und Paschtu drauf zu schaffen um vor Ort besser mit der Bevölkerung kommunizieren zu können genau so wie ich einige getroffen denen das total egal war. Die Kompanie (mit ca. 200 Soldaten) mit der ich unterwegs war war ein absoluter Mix aus Menschen verschiedenster Bildungsgrade, sozialer Schichten, Interessen und Herkunft.

Dyfed und ich haben mal die Bundesstaaten mitgezählt aus denen sie alle kamen: Florida, Kalifornien, Texas, Detroit, Washington, Arkansas, Wisconsin und noch viel mehr … kreuz und quer durch Amerika. Einige standen auf Black-Music, andere auf Country – wir haben zwei farbige Sergeants getroffen, die headbangend im Küchenzelt zur Musik von Nirwana standen. Ebenso wie einen 19jährigen Private der selbst Rap-Mix-Tapes macht. Wir haben Schwärmereinen über aufgeblasene Pickup Trucks genau so zugehört wie Loblieder auf einen VW-Golf. Der beste Präsident den Amerika je hatte war Ronald Reagan, sagte einer, ein anderer fand Barack Obama grossartig. Auf die Frage was als Karriere nach der Army kommen soll bekamen wir von Schulterzucken bis hin zu der ausgearbeiteten Idee einen Fahrradladen in Schottland aufzumachen so ziemlich jede Antwort und während einer gerade die Deutsche Hauptstadt kannte, kannte ein anderer alle Landkreise Nordrhein-Westfalens.

Wir waren nur in einer Ranger-Einheit, aber ich glaube in den ganzen anderen Truppenteilen der US-Army sieht das nicht anders aus.

Dass sich die akademische Elite nicht zum Truppendienst entscheidet ist bei der Bundeswehr auch nicht anders, oder? Und dass die US-Army ihren Soldaten ein sicheres Einkommen und soziale Absicherung ermöglicht, dass nur US-Soldaten eine funktionierende Krankenversicherung für sich und ihre Familien haben – wer will es ihnen übelnehmen. Ist das beim Auslandseinsatz der Bundeswehr-Soldaten nicht ähnlich?

Gerade die Bundeswehr wirbt doch mit dem Slogan eines interessanten und abwechslungsreichen Jobs. Eine Herausforderung – nur, und das ist die Kehrseite der Medaille: Im Zweifelsfall wird man in einen Krieg geschickt. Ob man nun will oder nicht. Das gehört zu diesem “Job” dazu! Soll man Menschen für die Entscheidung einen Beruf als Soldat zu wählen verachten?

Ob die politischen Gründe für einen solchen Krieg richtig sind mögen andere beurteilen ob das was Amerika in Afghanistan macht richtig ist – auch dazu mag ich mich (noch) nicht äussern. Im übrigen habe ich festgestellt, dass es dem einfachen Frontsoldaten ziemlich egal ist wie die politsiche Situation ist – für ihn ist es ein Job, den er zu erledigen hat. Ob das die richtige Sichtweise ist? Ich kann es nicht beurteilen, aber ein Frontsoldat führt keine Dikussionen über Sinn und Unsinn von bewaffneten Konflikten auf deren Durchführung oder Sinnhaftigkeit er sowieso keinen Einfluss hat – das zumindest ist meine Erfahrung.

Vielleicht ist das eine Art Selbstschutz. Zumindest habe ich in einem langen Gespräch mit einem Staff-Sergeant aus Mississippi einen Satz gehört der mich erstaunt hat. Er sagt: “I thought, that the whole world is thinking of us as the the good guys. Now after several years in the army i believe that it is a shame being that arrogant! I thought is was right sending the army to Afghanistan – now i believe it would be the best to get out a.s.a.p

Sie haben mich mehr als dieses eine Mal in Erstaunen versetzt – die Soldaten der US-Army. Ich bin weit davon weg ein Heldenlied auf sie anzustimmen aber genau so weit weg davon sie zu verurteilen. Ich werde als Embedded Photographer eine Weile mit ihnen unterwegs sein – und das tun was ich auf die Frage, was sie von mir erwarten immer zu hören bekommen habe: Be fair!

 

 

Die Truman-Show – Part 1

Der Autor fotografiert bei Nacht in einem Camp des JMRC abrückende US-Truppen. Foto: John Dyfed Loesche

Eine stundenlange Autofahrt bringt Dyfed und mich im März zum JMRC in Hohenfels / Bayern. Das Joint Multinational Readiness Center ist ein riesiger Truppenübungsplatz auf dem die amerikanischen Streitkräfte (und Streitkräfte verbündeter Nationen) für ihre Einsätze trainiert und vorbereitet werden.

Major Nick Sternberg empfängt Dyfed und mich und zeigt uns die obligate Einführuns-Power-Point-Präsentationen über das JMRC,  händigt uns Splitterschutzbrillen, schussichere Westen und das M.I.L.E.S.-System, welches per Tonsignal anzeigt ob wir von in einem Gefecht getroffen worden sind, aus. (Unser M.I.L.E.S.-System hat keine Batterien – wir sind also unverwundbar)

Danach werden wir an den Presseoffizier Major Joseph Buccino übergeben. Begrüssungen, Erklärungen, Vorstellungen aller Mitarbeiter des Pressestabs – es ist spät am Abend bis wir in einer Truppenunterkunft auf dem Gelände unsere erste Schlafstätte finden.

Es ist die unwirkliche Welt des Militärs in der wir uns nun befinden und auch das Frühstück am kommenden Morgen ist noch ziemlich surreal. Verschiedene Fertiggerichte auf Pappgeschirr in einem Speisesaal mit Soldaten aus verschiedensten Nationen – so hab ich noch nie gefrühstückt.

Wir rücken aus in die von den Soldaten so genannte Truman-Show. Im JMRC übt die komplette 172. Infantry Brigade ihren Einsatz in Afghanistan. Es ist unglaublich welcher Aufwand betrieben wurde um die Situationen im realen Einsatzgebiet nachzustellen. Komplette afghanische Dörfer sind aufgebaut worden, Moscheen in der Dorfmitte, die Dörfer tragen die tatsächlichen Namen ihrer realistischen Pendants in Afghanistan.

Laiendarsteller in afghanischer Kluft – sogenannte Role Actors – spielen/simulieren afghanische Bevölkerung und unsere erste Mitfahrt mit einem der überall zu sehenden Humvees (den klassischen amerikanischen Militärfahrzeugen) geht direkt an einer Gruppe bewaffneter “Afghanen” vorbei, die mit ihren Gewehren in die Luft schiessen und eine Hochzeitsgesellschaft spielen, auf die die amerikanischen Soldaten treffen und versuchen die Situation nicht eskalieren zu lassen. Sehr strange!

So ganz richtig sind wir immer noch nicht angekommen und wir werden in ein riesiges Camp gebracht in dem wir mit der ganzen Logistik des US-Militärs konfrontiert werden. Es ist ein Zeltlager von dem aus die Truppenteile an die unterschiedlichen Einsatzpunkte innerhalb des Übungsplatzes verlegt werden.

Wir treffen zum ersten Mal den Batallionskommandeur Lieutenant Colonel Curtis Taylor der uns die Aufgabe im echten Afghanistan erklärt (die Soldaten nennen den realen Fronteinsatz erstaunlicherweise – “when we are in the theater”) und versuchen weiter uns innerhalb dieser sehr ungewohnten Welt zu orientieren.

Wir bekommen unsere ersten MREs (Meals Ready to Eat – seltsame sich selbsterhitzende Fertiggerichte verpackt mit ein paar Süssigkeiten und Kraftriegeln), schlendern durch die Zeltstadt, John (hier heisst Dyfed jetzt John) macht seine ersten Interviews, ich die ersten Bilder und zwischen Dixie-Toiletten, Containerduschen, Humvee -Trucks, übenden und packenden Soldaten nächtigen wir in unserem “Privatzelt” – die Soldaten haben extra ein Schild “Media-Team” vor eines der grossen Mannschaftszelte gehängt, in dem wir nur zu Zweit untergebracht sind.

Andere Journalisten scheint es nicht zu geben. Wir schlafen auf den klassischen Army-Feldbetten, es ist ziemlich kalt – was uns aber noch mehr zusetzt ist die fehlende Kommunikation mit der Aussenwelt. Handynetz im JMRC – Fehlanzeige. Internet-Zugang – ja, aber nur für Angehörige des Militärs. Wir können nicht einmal einen USB-Stick an einen der Army-Rechner hängen ohne das das System Alarm schlagen würde. Sicherheit geht eben vor: In Zeiten von Wiki-Leaks vielleicht sogar verständlich …

Nach wie vor sind wir in einer Warteschleife, überbrücken die Zeit bis zum Abtransport zum eigentlichen Einsatzort mit Kaffee, Zigaretten (ok – John raucht nicht, ich aber) und dem Erforschen der verschiedenen MRE-Typen (Mein Favorit sind die Käse-Tortellinis). Immerhin lernen wir was scheinbar einen grossen Teil jeglicher Zeit bei der Army einnimmt: Das Warten.

Part 2 in den nächsten Tagen …

Crazy Forces

Wer ist eigentlich der Urheber der Afghanistan Idee? Die kurze Information meines Chefs nachdem ich meine Zusage für den Afghanistan-Einsatz gegeben hatte: ” Der zuständige Redakteur meldet sich bei Dir – mit dem kannst Du alles weitere klären!”
Ich treffe John Dyfed Loesche, dapd Redakteur des Frankfurter Büros, zum ersten mal in einem Cafe in Hamburg.

Eine gemeinsame Basis haben wir also – er stammt aus Hamburg, ich wohne hier, er möchte nach Afghanistan – ich auch. Für uns beide ist es das erste Mal, dass wir in einem Kriegsgebiet arbeiten, beide sind wir also absolute Anfänger und beide versuchen wir eigentlich noch herauszubekommen warum wir das eigentlich tun wollen.

John bzw. Dyfed (für die Soldaten der US-Army ist er John obwohl sein Rufname eigentlich Dyfed ist) hat die gesamte Vorbereitung schon erledigt. Er hat den Kontakt zu US-Army geschaffen und die gesamte Planung des Vorhabens alleine organisiert bis hin zur Vorstellung des Projekts bei den Chefs der dapd Nachrichtenagentur. Ich bin als begleitender Fotograf ausgewählt worden und so bilden wir also das “Krisenteam” der dapd.

Dyfed hat schon mal organisiert, dass wir beide bei der sogenannten “Mission Rehearsal” der US-Truppen mit denen wir nach Afghanistan verlegt werden teilnehmen können. Das wird also unser erster gemeinsamer Arbeitseinsatz sein in dem wir beide ausprobieren können wie wir miteinader klar kommen. Das ein Fotograf eine ganz andere Arbeitsweise als ein schreibender Redakteur hat und insofern auch ganz andere Sichtweisen mitbringt ist klar und von unserer Zentrale auch so gewollt. Jetzt müssen wir nur noch probieren wo die gemeinsamen Schnittstellen sind.

Dyfed hat vor, neben seiner Schreibarbeit sich auch mit dem Thema Video auseinanderzusetzen. Das Thema wollte ich auch mit abdecken (mit meinen Kameras ist das möglich und braucht keine separate Videoausrüstung) – spannend wird es aber sicher dadurch, dass Dyfed ganz bestimmt mit einer ganz anderen Wahrnehmung an filmische Bilder heran geht als ich das als Fotograf tue. Wir werden das ausprobieren und vielleicht liegt die Essenz ja in der Kombination beider Arbeiten.
Auf der “Mission Rehearsal” auf einem Truppenübungsplatz im bayrischen Hohenfels sind wir also das Media Team, dass zusammen mit den Soldaten der 172. Infantry Brigade den Ernstfall für Afghanistan übt. Für uns das erste Mal mit direktem Kontakt zu den US-Truppen. Neben alle technischen und logistischen Problemen schlagen wir uns als Team ganz tapfer und wachsen Schritt für Schritt und Tag für Tag als eine Einheit zusammen, die – machmal ein bisschen verloren zwischen den ganzen Soldaten – wunderbar funktioniert.

Wir nennen uns selbst die “Crazy Forces” – es ist genug Ernsthaftigkeit in diesem Job dabei und unsere manchmal etwas chaotische Arbeitsweise passt ganz gut zu diesem selbstgewählten Titel. Ich für meinen Teil kann mir nicht mehr vorstellen den Afghanistan-Einsatz mit irgend einem anderen Partner zusammen zu bestehen. Für mich hat sich Dyfed als Glücksfall erwiesen, der viele meiner Bedenken teilt, der viele meiner Ansichten ähnlich sieht, dessen Humor immer wieder die oftmalige Verkrampfheit lockert und mit dem ich einfach unglaublich gerne zusammen arbeite.
Danke Dir Dyfed! Ich bin gespannt wie sich unser Projekt entwickelt!

 

Nikon? Canon? Leica? Kompakt? Film?

Man kann selbstverständlich immer übertreiben oder positiv ausgedrückt alle verfügbare Technik gleichzeitig nutzen ... ob das alles Sinn macht? Eher nicht ...

Viele Fotografen haben die Eigenschaft sich in endlose Materialdiskussionen zu begeben (ich schliesse mich da selber im übrigen nicht aus). Welche Kamera ist die Richtige,

welches Objektiv das Beste. Was braucht man alles und vor allem was könnte man ausser dem ganzen Equipment welches man schon besitzt noch gebrauchen. Eigentlich ist es gar nicht so schwer: Man investiert möglichst viel Geld in ein möglichst umfangreiches Equipment, kauft am sinnvollsten immer die teuerste Kamera des edelsten Herstellers (besser sogar zwei oder drei) und wenn irgend möglich auch noch alle verfügbaren Objektive. Dazu sollten man noch kistenweise Zubehör wie grosse Stative, Studioblitze, alle möglichen Adapter für alle möglichen Verbindungen, möglichst auch Remote-Einheiten, sowie edle und teure Taschen in verschiedensten Grössen und Formen besitzen.

Ist man erst einmal so ausgerüstet lässt sich jede fotografische Aufgabe lösen – denn viel hilft viel (glauben zumindest die Meisten). Ganz anders stellt sich die Situation nun für mich da. Kistenweise Technik mit nach Afghanistan nehmen erscheint hier mehr als übertrieben. Auf der einen Seite will man natürlich die bestmögliche Bildqualität bekommen. Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass man das ganze Zeugs auch schleppen muss.

Auf den vorbereitenden Übungen in Hohenfels/Bayern, wurde mir zum ersten Mal bewusst, was auf den Fussmärschen so alles getragen werden muss. Neben einer 12 Kilo wiegenden Splitterschutzweste und einem Rucksack mit mehreren Litern Wasservorrat, sowie Ersatzwäsche und Essensrationen müssen ja auch noch Kameras und Objektive mit. Da kommen dann so einige Kilos zusammmen und man ist froh über jedes Gramm Ersparnis.

Im Nachrichtenagenturalltag fotografiere ich mit Nikon Spiegelreflexkameras – perfekte Kameras für den journalistischen Alltag. Allerdings wiegen die jeweils deutlich mehr als ein Kilo. An jede Kamera ist ein Objektiv angesetzt was ebenfalls pro Stück mit ein bis zwei Kilo an Gewicht daher kommt. Ausserdem baumeln die Dinger an Schulterriemen meistens im Weg rum. Da ist die Versuchung, auf kleinere leistungsfähige Systeme umzusteigen natürlich gross.

Aber was bietet der Markt? Nun, die klassische Reportagekamera ist eine Leica Messucherkamera (aktuell die M9). Zwei davon mit jeweils einem Weitwinkel und einem Normalobjektiv bestückt und dazu noch ein kleines Teleobjektiv in der Jackentasche. Gesamtkosten: ca 20.000 Euro. Mein Sparkassensachbearbeiter wird nur müde lächeln …
Vielleicht eine kleine Kompaktkamera? Die hat ein Zoom-Objektiv und kann Filmen. Tolle Reservekamera, aber von den optischen Leistungen eher nicht zu empfehlen.

Ausserdem knn ich mir nicht vorstellen wie so eine kleine Kompakte den ganzen Staub und Dreck und die physikalischen Belastungen wegsteckt. Ich hatte kürzlich nur etwas Dreck am Objektiv einer kleinen Kompakten – da ging schon nichts mehr!

Also vielleicht doch Canon? Der Unterschied zu den Nikon Kameras ist nur marginal (mit Ausnahme der Schärfe – ganz ketzerisch gesagt. Mit den Nikons werden die Bilder zumindest meistens scharf ohne die bei Canon üblichen Justagearbeiten für das meiner Erfahrung nach schlechtere AF-System) und nach einigen Jahren mit Canon Kameras fehlt mir ein bisschen das Vertrauen in deren Zuverlässigkeit.

Eine echte Alternative – zumindest für den Bereich Reportage ist die neue Fuji X100. Eine Sucherkamera aus Metall mit lichtstarkem 35mm Objektiv. Die zumindest könnte in Kombination mit einer der grossen Nikons für die Motive wo es darauf ankommt unauffällig zu bleiben eine gute Lösung sein (und die 1000 Euro Kosten wären noch zumutbar).

Ganz unterm Strich ist die Suche nach einem idealen System für mich leider noch nicht abgeschlossen. Die beiden Nikon D3s zusammen mit einem 2.8/70-200 und einem 2.8/24-70, ausserdem ein paar lichtstarke Objektive (1,4/24, 1,4/35 und 1,4/85) werden wohl die Reise mit antreten. Grossartige Objektivwechsel werden in der staubigen Umgebung nur in den seltensten Fällen erfolgen. Das alles zusammen mit einer X100 sollte dann zumindest einigermassen transportabel sein. Vielleicht setllt sich vor Ort aber auch heraus, dass man genau die Sachen zu Hause gelassen hat, die man gerade am besten brauchen könnte. Das zumindest ist im normalen Berufsalltag permanent der Fall.

 

 

 

Wie kommt man eigentlich nach Afghanistan?

Der Autor bei der "Mission Rehearsal" im bayrischen Hohenfels. Foto: John Dyfed Loesche

Willst Du nach Afghanistan? Ja – dort würde ich gerne mal arbeiten! Viel mehr als diese Frage und die darauf folgende Antwort war nicht nötig. Ich hatte mein Interesse bekundet und schon war ich im Boot.

OK – ganz so einfach war es nun doch nicht – über die ganze Logistik wird noch zu berichten sein. Aber neben denen sich in meinem Kopf nur langsam formenden Vorstellungen über einen möglichen fotografischen Einsatz in einem Kriegs- und Krisengebiet war eines sicher: Das ist eine Herausforderung die ich annehmen will.

Die ersten Reaktionen aus meinem Umfeld waren und sind durchaus zwiegespalten. Eine Mischung aus Angst, Respekt, Neugier, Mahnungen, Ratschlägen, Warnungen, Zustimmung und Ablehnung – die gesamte Bandbreite positiver und negativer Statements und Feedbacks prasselt auf mich ein. Ich beschäftige mich mit Material zu dem Thema und bleibe immer wieder an zwei relativ aktuellen Werken hängen, die mich in der Folgezeit begleiten. Zum einen ist das das Buch “WAR – ein Jahr im Krieg” von Sebastian Junger, zum anderen der von Junger und dem Fotografen Tim Hetherington gedrehte Dokumenttionsfilm “Restrepo” die laut Aussage von Soldaten der US-Armee mit denen ich Kontakt habe ein recht realistisches Bild der Situation vor Ort zeigen.

Es gibt natürlich massenhaft Material zum Thema Krieg, Kriegsfotos und Fotojournalismus im Krieg. Grosse Namen bekannter Fotografen tauchen auf, Bilder die weltweit bekannt sind, eigentlich Nichts, was es noch nicht zu dem Thema gibt. Was also genau will ich denn da eigentlich? Gibt es eine Geschichte, die noch nicht erzählt ist? Dinge die noch nicht visualisiert und beschrieben sind? Scheinbar nicht – und trotzdem bilde ich mir ein vor Ort eine eigene Sicht der Dinge zu bekommen, meine eigenen Bilder zu machen und Geschichten zu erzählen. Bilder die anders sind als bisher gesehen, Geschichten die anders sind als bisher erzählt.

Jeder hat seine eigene Sicht auf Dinge und Ereignisse und die werde ich dort in Afghanistan sicher auch haben. Sollte ich es also schaffen die Bilder die ich im Kopf habe auch so zu fotografieren habe ich das gesteckte Ziel erreicht. Finden auch noch Andere Gefallen an diesen Bilder habe ich sogar mehr erreicht als das.