Dinner for 5

Captain Perkins (l.) und der Polizeichef der lokalen Polizeistation (r.) bei einer mehr als unterhaltenden Unterhaltung beim Abendessen

Der lokale Polizeichef lädt zum Essen – und eingeladen sind drei amerikanische Offiziere und zwei Deutsche Journalisten – eine Erfahrung der besonderen Art … insbesondere deshalb weil wir uns vorher in der COP-Küche zusammen mit anderen US-Soldaten schon die Bäuche mit Burritos vollgestopft haben und so auf die Einladung eher zurückhaltend reagieren – scheinbar gib’s aber kein entkommen. Captain Perkins, Chef der uns beheimatenden Apache-Kompanie macht grinsend klar, dass wir ihn in einer halben Stunde zum Essen begleiten werden – Mahlzeit!

Direkt neben dem COP liegt eine Polizeistation der afghanischen Polizei (AUP – Afghan Uniformed Police). Wer jeweils eine heimische Polizeistation besucht hat – mit einer solchen hat diese hier absolut nichts zu tun.

Wir betreten ein Haus welches einer ausgebombten Grundschule nicht unähnliche ist. Nur spärlich beleuchtet empfängt uns der Polizeichef mit einigen seiner Untergebenen. Grundsätzlich werden zum Essen die Schuhe ausgezogen – also Stiefel aus und ab hinein in einen Raum der auch nur sparsam von einer nackten Glühbirne und einem laufenden Röhrenfernseher beleuchtet wird.

Erstmal werden die Hände gewaschen – also reicht jemand eine Wasserkanne und eine Schale. Danach bekommen wir auf Papptellern Reis mit Fleisch sowie Tomaten, Pommes und Zwiebeln serviert – traditionell wird mit Händen gegessen, einen Tisch gibt es nicht – man sitzt im Schneidersitz auf Teppichen rund um eine auf dem Boden ausgebreiteten Plastiktischdecke.

Die Kommunikation zwischen Afghanen und Gästen ist von verschiedensten Floskeln und Sympathiebekundungen geprägt – übersetzt wird das ganze von einem Dolmetscher, der praktischerweise gleich mitisst.

Der neben mir sitzende Leutnant hat die gleiche Probleme wie ich den Reis mit den Fingern in den Mund zu bekommen und so krümeln wir munter Hosen und Teppiche voll um die Reste jedesmal verschämt mit den Fingern zusammenzuklauben und hinter dem Rücken zu kleinen Kügelchen zu drehen und in unseren Hosentaschen verschwinden zu lassen.

Der neben mir sitzende Afghane verzieht dabei keine Miene – ob er unser Krümeldilemma mitbekommt oder nicht können wir nicht erkennen. Eigentlich fragen wir uns ob er überhaupt was mitbekommt – er wirkt vielmehr so als hätte er sich vor dem Essen einen Joint ungeahnter Grösse reingezogen.

Der Polizeichef zumindest isst seinen Teller komplett leer – und auch das mitgereichte Fladenbrot verputzt er vollständig betont noch, dass er uns am liebsten jeden Abend zum Essen einladen würde (er hätte seine Freunde gerne immer um sich) um sich danach über die volle Schale Weintrauben herzumachen.

Captain Perkins spricht natürlich eine Gegeneinladung zu einem Barbecue im COP aus bei der man sicher viel Spass hätte und auch ein paar Flares (Signalmunition) abfeuern könne. Diesen scheinbaren Höhepunkt jedes Barbecues verstehe ich erst als der neben mir sitzende Leutnant dabei die Augen an die Decke dreht und nach einem “Oh my God – not again” mir flüsternd die Geschichte erzählt wie viel Spass der Polizeichef bei der letzten Einladung mit der Signalmunition hatte, obwohl er sich damit fast selbst umgebracht hat.

Auf unseren Tellern bleibt noch Einiges zurück aber wir schaffen zumindest den Reis und das Fleisch aufzuessen. Für die im Anschluss gereichten Trockenerbsen sind auf jeden Fall gute Beziehungen zu lokalen Zahnärzten hilfreich – es knirscht beim Zubeissen wie verrückt.

Irgendwie erinnert das ganze Essen ein bisschen an einen Live-Loriot Sketch in dem man selber mitspielt, aber leider keine Stopp-Taste drücken kann. Geplant ist daher von vornherein nicht so ganz lange zu bleiben, die Begegnung verläuft ein wenig zäh und so wird ein dringendes Meeting im COP zum Grund für den Aufbruch – nicht ohne noch vorher einen Chai zu trinken – grünen gesüssten Tee – das einzig wirklich magenfreundliche an diesem Tag.

Durch die Stacheldrahtsperren geht es nach gut eineinhalb Stunden wieder in den COP wo Dyfeds Feststellung “Ich bin so vollgefressen, dass ich im Sitzen nicht atmen kann” ganz gut beschreibt wie wir uns fühlen.